Wegen heiligem Bimbam: Suede-Konzertkarte abzugeben

Als sich vor ein paar Jahren die Band Suede wieder vertragen hat, hätte ich fast das getan, was ich normalerweise nur für Alte Meister der Schönen Künste tue: ein fremdes Land bereisen (genauer das England), um die Sache mit eigenen Augen zu sehen. Doch kam etwas dazwischen. War nicht schlimm, dachte ich vor ein paar Monaten, denn es kündigte sich ein Konzert in München an, was mit öffentlichen Verkehrsmitteln viel besser zu erreichen ist. Ich habe mir eine Karte kommen lassen und mich auf den 19. November gefreut.

Ich freue mich immer noch auf den 19. November, aber zu Suede kann ich jetzt nicht mehr. Ich musste abwägen zwischen der besten britischen Band der Neunziger und dem seit Jahrzehnten bedeutendsten amerikanischen Gegenwartsautoren. Ich habe mich für Stephen King entschieden. Ausschlaggebend war in erster Linie Sentimentalität. Sentimentalität beflügelt freilich nichts besser als Musik. Suede indes gehört bei aller Hingabe nicht zu den Bands, die mir in meinen formativen Jahren die Tränen getrocknet haben (dafür kamen sie zu spät). Überhaupt habe ich sie richtig erst zu schätzen gelernt, als sie sich schon vorübergehend aufgelöst hatten. Zuvor war mir immerhin wohlwollend aufgefallen, dass sie einmal einen vage Twin-Peaks-haften Videoclip hatten machen lassen, was ich zwar nicht unbedingt originell, aber doch sympathisch fand.

Ein Jahrtausend später holte ich mir ihr Singles-Albums Singles, hörte es mir an, faltete die Hände und betete: Lieber Gott, wenn du jemals alle Lieder von meiner Festplatte löschen solltest, bitte verschone diese!

Eine Band erst nach ihrer hauptsächlichen Schaffensperiode kennenzulernen hat Vorteile. Man kann sich die Oliven (Rosinen mag ich nicht) rauspicken und muss nicht in schmerzhafter Echtzeit all die typischen Verfallserscheinungen mitbekommen, die immer klare Indikatoren für baldige Bandauflösungen sind (Stilwechsel, Umbesetzungen, Bartwuchs). Andererseits verpasst man auch das Gute, den Sturm, den Drang, die Protzpriviliegien, dass man das alles schon kannte, bevor „alle“ es cool fanden.

Wenn die Zeiten vorbei sind, dass man jeden Morgen hinter der Indie-Dorfdisco in einer Bierlache auf hartem Asphalt aufwacht, ein gepiercetes Parka-Girlie mit verquollenen Augen an seiner Seite, verbindet man irgendwie keine guten Geschichten mehr mit Musik. Das Beste, was ich über Suede und mich erzählen könnte: Zu der Musik kann man gut joggen. Das klingt fast so läppisch wie: Zu der Musik kann man gut Auto fahren. Es wäre gelogen, würde ich behaupten, dass ich Menschen, die so etwas sagen, gewohnheitsmäßig die Freundschaft kündige. Tatsächlich funktioniert mein Instinkt so tadellos, dass ich mit ihnen gar nicht erst Freundschaft schließe.

Ein bisschen hinkt der Vergleich zum Glück schon. Zwar mangelt es mir an eigener Erfahrung, doch könnte ich mir vorstellen, dass man sich beim Autofahren konzentrieren muss, auf die Straße achten, dass man ausnahmsweise keinen umbringt, zum Beispiel Jogger. Beim Sport hingegen kann man seinen Gefühlen freien Lauf lassen, auch mal ganz in der Musik aufgehen. Sie ist also beim Sport anders als beim Fahren keine bloße Hintergrundberieselung, sondern kann durchaus als Hauptsache en détail gewürdigt werden. Zumindest, wenn man es richtig macht. Man darf es mit dem Meister aller Sportmotivatoren halten:

Mir fällt gerade ein: Etwas popwürdiger als die Gute-Musik-zum-Joggen-Anekdote ist vielleicht, wie ich einmal die traumhafte Suede-Ballade „Trash“ in einer Karaoke-Kabine in Takadanobaba gesungen habe. Wenn ich mich doch nur noch vernünftig daran erinnern könnte. Was in Karaoke-Kabinen in Takadanobaba passiert, bleibt in Karaoke-Kabinen in Takadanobaba.


(Nachstellung, nicht ich in dem Video)

Es gäbe für mich also keinen wirklich triftigen Grund, bei einem Suede-Konzert Schlüpfer zu werfen. Bei Stephen King hingegen werfe ich gerne Schlüpfer aufs Podium, wenn er am 19. November anlässlich des Krimi-Festivals in München lesen wird. (Ich habe übrigens vor, nächstes Jahr selbst dort zu lesen, auch wenn die Veranstalter noch nichts davon ahnen. Wahrscheinlich nicht im Circus Krone, eher in einem Thai-Sushi-Imbiss mit drei Plätzen. Dafür wird es wahrscheinlich auch unter 29 Euro pro Person kosten.)

Meine erste Begegnung mit Stephen King hat so vieles bewirkt (bei mir), dass ich ganz genau weiß, wo ich anfangen muss. Ich war 14 Jahre alt und der Film Christine kam in die deutschen Kinos. Da ging es um ein Killerauto aus der Hölle, das musste ich sehen.

Ich hatte mich zum Kinobesuch mit einem Jungen aus meiner Bande verabredet, nennen wir ihn Tom. Leider war der Horrorschocker ab 16 Jahre freigegeben. Die Kinokartenverkäuferin fragte uns: „Na, wie alt seid ihr denn?!“

Ich sagte wie aus der Pistole geschossen: „16!“, und blieb die Coolness selbst, bilde ich mir ein.

Tom sagte: „Äh … äh… 16 …?“, und wurde rot wie eine Tomate. Wo er Tomaten noch nicht mal mochte.

Wir haben also Christine an diesem Tag nicht gesehen. Stattdessen habe ich mir den Roman gekauft und danach war nichts mehr, wie es einmal war. Ich hatte nicht für möglich gehalten, dass derlei fesselnd von ganz normalen Menschen in der ganz normalen Welt erzählt werden konnte. Das Horrorauto war mir schnell völlig schnurz. Zuvor hatte ich nur Bücher gelesen, in denen es um Kampfraumschiffkommandeure oder prähistorische Barbaren ging. Stephen King und Stephen King allein führte mich von Jugendbüchern zu Erwachsenenbüchern, von Vergangenheits- und Zukunftsthemen zu Gegenwartsthemen, machte aus meinem unverbindlichen Interesse am Horrorgenre eine leidenschaftliche Liebe.

Ich habe Christine bis heute kein zweites Mal gelesen. Gut möglich, dass es nicht Kings stärkstes Werk ist. Bei der qualitativen Durchnummerierung seiner Bücher, die in letzter Zeit ein besonders beliebter Feuilletonsport zu sein scheint, landet es meist auf den hinteren Plätzen. Man mokiert sich hin und wieder, King habe das Motiv des bösen Autos ein paarmal zu häufig bemüht. Das allerdings ist ein Denkfehler. Das Automobil ist schließlich der offizielle Transporteur des Amerikanischen Traumes, und das Aufzeigen des Alptraumhaften daran ist Stephen Kings Dauerthema, wie es das Dauerthema jedes anderen zeitgenössischen amerikanischen Autoren ist, der was auf sich hält. King hat im Laufe der Jahrzehnte ein paar Gurkenbücher geschrieben, also genau so wie Philip Roth oder John Updike, aber das Wiederverwenden von Motiven muss man ihm nicht vorwerfen, das ist eine zulässige literarische Praxis. Das Spukauto ist moderner und amerikanischer als das Spukhaus, das als Konzept inzwischen doch ein wenig zu 19. Jahrhundert, ein bisschen zu sehr Alte Welt ist.

Das ist mehr Autoverteidigung, als Sie jemals wieder von mir hören werden. Eigentlich geht es darum: Wer also meine Suede-Karte haben möchte, soll sich melden. Die Person mit der rührendsten Geschichte gewinnt. Zuerst wollte ich zur Bedingung machen, dass die Geschichte Suede-Bezug haben muss. Allerdings haben Menschen mit rührenden Suede-Geschichten wahrscheinlich schon eine Karte und ich bin kein Unmensch. Es kann irgendeine Geschichte sein. Nur sputen müssen Sie sich, das alles findet schließlich schon nächste Woche Dienstag statt.

Bonuspunkte gibt es für die Verwendung des Begriffs „Heiliger Bimbam“. Ich lese gerade parallel den Stephen-King-Roman Doctor Sleep und Ben Winters‘ famosen präapokalyptischen Krimi Der letzte Polizist, beide aus journalistischer Sorgfaltspflicht in der deutschen Übersetzung. Ich bin begeistert, dass beide Bücher den schon etwas in Vergessenheit geratenen Kraftausdruck „Heiliger Bimbam“ energisch zum Comeback befeuern. Bitte alle mitmachen. Wir dürfen jetzt nicht nachlassen.

Neuzugänge im Bohnenquarkland über den Wolken

Neulich erwähnte einer mir gegenüber die Musik-Neuerscheinung André Rieu Celebrates Abba, daraufhin sagte ich: „Ich warte lieber auf André Rieu Celebrates Velvet Underground“, und zwei Tage später war Lou Reed tot.

Das haben Sie ja fein hingekriegt, Herr Rieu.

Ich bin höchstwahrscheinlich um 1986 Lou-Reed-Fan geworden, weil ich fand, dass er auf dem Cover des Albums Mistrial so cool aussah.

Später lernte ich auch die Musik und vor allem die Texte zu schätzen, und dieser nasale Singsang-Ton wurde mir ein akustisches Zuhause. Ich nahm mir fest vor, auch rauschgiftsüchtig, kaputt, gemein und brillant zu werden, wenn ich mal groß bin, habe mich aber dann doch nicht getraut. Die letzten Jahre waren kreativ (wohl auch gesundheitlich) nicht Reeds glanzvollsten, mein letztes Konzert im letzten Jahr habe ich eher wie einen Pflichtbesuch bei lästigen Verwandten denn wie eine Wallfahrt absolviert. Nur dass ich Mama dabei nicht fragen musste, ob ich früher gehen kann, sondern mir die Freiheit einfach rausnehmen konnte.

Reeds Gesamtwerk ist zwar so groß und stabil, dass nicht mal er selbst es zerstören konnte. Da er sich aber zuletzt so fleißig genau darum bemüht hatte, fühlte ich mich am Sonntag, als die Nachricht von seinem Tod eintrudelte, davon im ersten Moment nicht stärker tangiert als von anderen Todesmeldungen aus dem Prominentenbereich. Mein erster Reflex war der in diesem Fall übliche: Es schnell jemandem weitererzählen, bevor Twitter es tut, und am besten noch einen flapsigen Witz machen zum Beweis, was für ein toller Hecht man ist, von dem alles abperlt, wie Süßwasser von den glänzenden Schuppen des gemeinen Esox lucius. Als ich es dann allerdings der nächstgreifbaren Person weitererzählt hatte, erntete ich nur ein freundliches Lächeln und die Worte: „Wirklich? Oh, das ist aber schön!“

Da merkte ich erst, dass ich unter Schock stand und wirres Zeug redete. Ich wollte sagen: „Lou Reed ist tot!“, es kam aber als etwas völlig Unverständliches heraus. Etwas, auf das man nur mit inhaltsleeren Beruhigungsphrasen reagieren konnte, in der Hoffnung den Patienten nicht noch mehr aufzuregen. Ich erinnerte mich plötzlich an einen hysterischen Telefonanruf aus dem Oktober 1988, als meine Großmutter durch die Leitung rief: „Der Strauß ist tot! Der Strauß ist tot!“, und wir dachten, es gäbe ein Problem bei der Begrünung ihres Vorgartens.

Es wäre an dieser Stelle müßig, die musikalischen Meisterleistungen und Verfehlungen Reeds durchzubuchstabieren, das wird schon an allen anderen Stellen von allen anderen gemacht (meistens falsch und ohne den Mumm, den spießbürgerlichen Transformer-Berlin-New-York-Kanon loszulassen). Es sei nur gesagt, dass Ecstasy, sein letztes richtiges Album (also Kollaborationen, Kompilationen, Theaterarbeiten, Soundtracks, Live-Aufnahmen und Meditationsgedudel nicht mitgerechnet), ganz ordentlich war. Ist zwar auch schon wieder 13 Jahre her, aber was sind schon 13 Jahre im schildkrötenartig dahinschlurfenden Musikgeschäft? Besonders angetan hatte es mir bereits bei Albumerscheinen das Lied ‚Modern Dance‘, in dem Altersmilde und Schlitzohrigkeit Hand in Hand einen gemütlichen Herbstspaziergang unternehmen (nicht on the wild side, zum Glück).

Genau so möchte ich Lou Reed in Erinnerung behalten. Im Hähnchenkostüm.

Nicht fehlen darf in einer anständigen Würdigung Lou Reeds das oberlehrerhafte Zurechtweisen der niederen Gelegenheitshörer. Meistens geschieht das durch einen aufgeregten Hinweis zu einem seiner ursprünglich schönsten Lieder, das inzwischen leider für diverse gute Zwecke bonoisiert wurde: „Wusstest du schon, dass ‚Perfect Day‘ in Wirklichkeit von … von … von … HEROIN handelt?!“

Ganz ehrlich, damit könnte man so gut wie jedem Reed-Song kommen. Deshalb hier ein weniger bekannter Fakt, der bislang in allen Liner Notes unterschlagen wurde: Wussten Sie schon, dass ‚Heroin‘ in Wirklichkeit von HIMBEEREIS MIT SAHNE handelt?!

Noch ein Oktobertoter, zu dem ich ein sentimentales Verhältnis habe, wenn auch nur um ein paar Ecken: Takashi Yanase, der Erfinder der Comic-Figur Anpanman, ist im Alter von 94 Jahren gestorben.

Sagte mir lange Zeit auch nichts. Im Frühjahr 2010 allerdings hatte ich mir ein Blind Date mit einer jungen Dame eingehandelt, die sich nach Damenmanier zierte, meine Blindheit vor dem Treffen durch die Übersendung von konkreten Bildinformationen zu heilen. Stattdessen kurbelte sie die Bilderproduktion in meinem Kopf an, indem sie mir mitteilte: „Man erzählt sich, ich sehe aus wie eine Mischung aus Betty Lou aus der Sesamstraße und Anpanman.“

Eine Internet-Recherche ergab, dass ich mich auf so etwas einstellen durfte:

Dank dieser Beschreibung habe ich die Dame am Tag der Verabredung leicht ausfindig machen können und knapp drei Jahre später geheiratet. Während der Phase des Hofierens bin ich sogar heimlich bis nach Yokohama gegangen, um aus dem dortigen Anpanman-Land zuneigungsförderndes Naschwerk mitzubringen. Hier Impressionen meiner Reise:

Anpanman ist ein Superheld, dessen Kopf aus Brot (jap.: pan) mit Bohnenquarkfüllung (jap.: an) besteht. Wenn ein Kind Hunger hat, kann es ein Stück von Anpanmans Kopf abbeißen. Bei zu großem Gesichtsverlust backt der Bäcker, der Anpanmans Komplize ist, schnell einen neuen Kopf. Als 1973 das erste Anpanman-Buch erschien, waren Verleger und selbst Yanase wenig überzeugt, ob das Ganze so eine gute Idee war. War es aber, Anpanman gilt heute als markenwertvollste Cartoon-Figur Japans. Der Tod seines Erfinders war wochenlang Dauerthema auf allen Kanälen. Man konnte meinen, da wäre Lou Reed gestorben.

Bestimmt gibt es auch ein Anpanman-Land über den Wolken. Dort können Lou Reed und Takashi Yanase nun gemeinsam vom großen Bohnenquarkbrot essen und neue Musik komponieren (Yanase war ein fast noch bekannterer Komponist als Comic-Auteur). Ich glaube, ich kann sie schon singen hören: … but he never lost his head / even when he was giving bread!

Mission Statement 2 (Phase 1): Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?

Als ich vor gut vier Jahren mit widerwilligem Zähneknirschen diesen Blog begann, war ich ein zorniger junger Dreikäsehoch von knapp vierzig Jahren. Was wusste ich schon vom Leben. Stein und Bein habe ich damals geschworen, dass der Blog mein einziges Zugeständnis an die Online-Idiotie bliebe, ich den ganzen Quatsch mit sozialem Netzwerkheckmeck und Dauergezwitscher nicht mitmachen würde. Das war meine damalige Online-Strategie.

Meine neue Online-Strategie lautet: Ich mach den ganzen Quatsch doch. Jetzt, wo es jeder macht, ist es so uncool, dass es schon wieder cool ist. Aber ich werde die Sache langsam angehen, erst mal nur den großen Zeh reinhalten. Der erste Schritt meines großen Online-Love-Ins: Heute gebe ich diesen Blog für Kommentare frei. Weitere Phasen folgen, aber ganz bestimmt nicht mehr diese Woche, ich muss mich jetzt erst mal von meinem eigenen Ungestüm erholen.

Frei heißt freilich nicht völlig frei, wo kämen wir da hin. Alle Kommentare guck ich mir erst mal an, bevor sie freigegeben werden, und das kann dauern, wir sind ja hier nicht im Internet. Beiträge, die mir nicht in den Kram passen, werden nicht freigeschaltet. Das, liebe Kinder, ist keine „ZENSU-HU-HU-HUR!!!“, sondern Ausübung meines Hausrechts, also ein durch und durch demokratischer Akt. Kraftausdrücke werden in Maßen toleriert, aber niemals honoriert. Die deutsche Sprache hat genügend Worte, um auch leidenschaftliche Zustände deutlich zu benennen, ohne sprachlich in die Gosse zu greifen. Wer Fragen hat, die nicht die ganze Klasse etwas angehen, darf sie mir per E-Mail schicken, die Adresse steht irgendwo rechts (von Ihnen aus). (Kleiner Tipp dazu: Viele Fragen können auch von Internetsuchmaschinen beantwortet werden.)

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Gut Ring will Weile haben

„Herr Ober, bitte verzeihen Sie diese sinnlose Überschrift, aber ich stehe gerade etwas neben mir. Da ist ein langes schwarzes Haar in meinem Milchmixgetränk …“

„Keine Sorge, mein Herr! Das ist nur von der untoten Hexe, die da gerade aus dem Brunnen gekrochen ist!“

„Ach, wie putzig! Na denn, wohl bekomm’s!“

Japan hat gewählt: Es ist ein Mädchen!

Ganz unkontrovers ist das Wahlergebnis nicht, doch es ist eindeutig: Die 16-jährige Fuka Koshiba wird die Kiki in der Realverfilmung von Kikis kleiner Lieferservice spielen (in der Zeichentrickversion einer der besseren Filme von Hayao Miyazaki).

(Das sind keine Achselhaare, das ist nur ungünstig fotografiert.)

Über die Richtigkeit dieser Entscheidung mögen die Neidhammel und Besserbesetzer noch debattieren, doch der erwählte Regisseur sollte über jeden Zweifel erhaben sein: Wer könnte besser geeignet sein für diese Aufgabe als Takashi Shimizu, der Regisseur von Ju-On: The Grudge und Rabbit Horror 3D? Vergleichen Sie selbst:

Jetzt geht’s los: Mein erstes Mal im Fußballstadion

Die Schlagzeile muss gleich einmal relativiert werden. Richtiger müsste es heißen: Mein erstes Mal freiwillig im Fußballstadion. Noch richtiger: Mein erstes Mal freiwillig im Fußballstadion ohne Bruce Springsteen. Und los geht schon mal gar nichts, ich muss gleich ins Bett.

Gestern aber war ich tatsächlich zum ersten Mal aus freien Stück, als Initiator und Kartenbesorger sogar, in einem Fußballstadion wegen eines Fußballspiels. Zu sagen, dass mich im Fußball nur Frauenfußball interessiert, wäre etwas übertrieben. Mich interessiert im Fußball nur japanischer Frauenfußball. Gestern gastierte die japanische Nationalmannschaft der Frauen in der Allianz Arena bei München, wo sie unhöflich von der anderen Mannschaft geschlagen wurde.

Folgendes habe ich herausgefunden:

So sieht es in einem Fußballstadion von innen aus:

Das Spiel war im Vorfeld in die Kritik geraten, weil man davon ausging, dass man mit die Weiber allein keine ganze Allianz Arena vollmachen könne, es waren aber europarekordviele gekommen, wurde durchgegeben. Vor dem Spiel haben Nachwuchsspielerinnen etwas Hübsches mit Fahnen gemacht (oder sind das Flaggen? Bitte googeln Sie den Unterschied und tun Sie so, als hätten Sie es schon immer gewusst).

Es gibt möglicherweise Regeln, wo welche Fans sitzen. Wahrscheinlich kennt diese Regeln jeder, nur ich nicht. Der zu uns gehörige Fanblock war zwar von uns aus sehr gut zu sehen, weil genau gegenüber, aber doch ach so weit entfernt, dass man ihn selbst mit Superzoom nur matschig erkennen konnte.

In der Pause hat jemand namens Stefanie etwas gewonnen, ich habe das nicht richtig mitbekommen, jedenfalls: Herzlichen Glückwunsch, Stefanie! (Abb. fehlt)

Ansonsten die Erkenntnis, dass es vermutlich ohne kalten Dauernieselregen noch mehr Spaß macht. Mir war nicht mal nach Bier trinken, aber wir hatten die übliche Fußballverpflegung, Kaffee und Kirschkuchen, eh selbst mitgebracht. In der zweiten Hälfte knabberte ich lieber Aspirin als Pommes, der Nieselregen rann so langsam in mein Gehirn (doch, Mama, ich hatte meine Mütze auf).

Abgesehen davon und vom Spielausgang überraschend wenig Grund zur Beschwerde. Das Publikum war teils so, teils aber auch so. Der etwas anstrengende junge Herr neben mir schien wirklich zu glauben, die Spielerinnen auf dem Feld könnten seine sehr detaillierten Spielanalysen und Taktiktipps tatsächlich hören und sofort umsetzen. Die goldige ältere Dame neben meiner Frau hingegen gratulierte ihr zweimal persönlich und tätschelte viermal tröstend ihren Oberarm.

Letzte Erkenntnis: Wir sind immer noch Weltmeisterinnen, und ihr nicht.

Unchained & Reloaded: Katastrophen und andere Kleinigkeiten

Ehe der Monat ganz ohne Wortmeldung verstreicht, schnell der Hinweis, dass ich jüngst noch ein Buch besprochen habe, und zwar Schöne Ruinen von Jess Walter.

Von den beiden Büchern, die ich selbst gerade schreibe, erscheint eines im rührigen Conbook Verlag. Dort war man so gut, mir schon jetzt eine kleine Seite einzurichten.

Ach, wo ich schon mal hier bin, muss ich doch noch etwas loswerden. Neulich wollte ich fernsehen und habe mir für diese herrliche Retro-Beschäftigung herrlich retro eine Programmillustrierte gekauft (ja, gibt es noch, hat mich auch gewundert). Ich schlug sie an einer zufälligen Stelle auf und ließ meine Augen an einen zufälligen Punkt wandern. Ich stellte fest, dass ich die Wahl hatte zwischen etwas namens Beziehungen und andere Katastrophen und Männer und andere Katastrophen.

Ich weiß, dass ich nicht in der Position bin, Forderungen zu stellen, aber das hindert mich genauso wenig wie alle anderen Menschen vom Planeten Erde daran trotzdem welche zu stellen, wenn mir eine Laus über die Leber gelaufen ist: Ich fordere hiermit, dass keine Filme, TV-, Theater- und Audioproduktionen, Romane, Essays,  Softwareapplikationen u. ä. mehr veröffentlicht werden, deren Titel ironisch auf „und andere Katastrophen“ oder – wo wir schon dabei sind – „und andere Kleinigkeiten“ enden. Es gibt bereits genug davon und es hat spätestens nach dem ersten Mal aufgehört, witzig zu sein. Diese niemals aussterbende Marotte erinnert unangenehm an den noch immer grassierenden Reloaded-Unfug, der vor Jahren durch einen Film in die Welt kam, den noch nicht mal irgendjemand mochte, wenn ich mich recht erinnere. Der Kleinigkeiten-Unfug kommt vielleicht von Verbrechen und andere Kleinigkeiten, einer von Woody Allens sechs besten Filmen (fragen sie nicht nach den anderen fünf, ich habe zufällig eine Zahl gewählt), der für seinen deutschen Titel nichts kann.

Auf dem Buchmarkt scheint der Katastrophen-Kleinigkeiten-Unfug noch verbreiteter als auf dem Filmmarkt. Ganz besonders schlimm trifft es die Vampire: Es gibt sowohl Vampire und andere Katastrophen wie auch Vampire und andere Kleinigkeiten. Lesen möchte ich keins von beiden, der Titel versaut es mir, schönen Dank auch.

Als ich übrigens in meiner Programmillustrierten den Titel Männer und andere Katastrophen sah, dachte ich spontan: Würg, könnte direkt ein Kerstin-Gier-Titel sein. Jetzt stelle ich bei meiner Recherche fest: Ist tatsächlich ein Kerstin-Gier-Titel (allerdings AUCH einer von einer gewissen Franziska Becker, während eine andere Autorin auf Mütter, Männer und andere Katastrophen erhöht).

Rechtlicher Hinweis

Ich gehe davon, dass Kerstin Gier ein tadelloser Mensch ist. Ich habe keines ihrer bestimmt zu Recht sehr populären Bücher gelesen, weshalb ich mir über deren Inhalte kein Urteil anmaßen möchte. Als objektive Tatsache kann ich nur feststellen, dass die Titel bekloppt sind.

Männertag im Puppenmuseum

Was macht der frisch verheiratete Mann, wenn die Frau auf dem Trimm-dich-Pfad ist und er endlich mal Zeit hat für Dinge, für die sie kein Verständnis hätte? Er geht selbstverständlich in die Puppenausstellung. Den unlängst eröffneten Shibuya Pop-Culture Market in der mehrteiligen Shibuya-Filiale der Kaufhauskette Parco darf man als enttäuschenden Ramschladen gerne meiden (aber bitte nicht, weil er Popkultur kommerzialisiere – Popkultur ist zur Kommerzialisierung gedacht). Wenn man jedoch schon mal da ist, kann man sich im hauseigenen Museum die hinreißende Ausstellung koreanischer Pullip-Puppen und ihrer japanischen Kleider ansehen.

Da findet sich die Generation Umhängetasche genauso wieder wie die Generation Angeketteter Teddy:

Natürlich sind die großen Lolita-Schneidereien wie BABY, THE STARS SHINE BRIGHT vertreten:

Allerdings scheint es mir, als ob sich BABY in den letzten Kollektionen nur noch auf den großen Verdiensten der Vergangenheit und dem großen Namen ausruht. Ich bin mir zunehmend unsicherer, ob ich überhaupt noch ein BABY-Mann sein möchte. Besser gefallen mir da die gedeckteren und doch vielfarbigeren Designs von Juliette et Justine:

Niemals aus der Mode kommt wohl der Steampunk-Look:

Mir persönlich gefällt er besser mit etwas mehr Gesicht, diese Puppen haben schließlich jede Menge davon:

Wer authentischen Punk ohne Steam sucht, in authentischer Besoffen-auf-dem-Boden-Pose inklusive Flachmann, wird ebenfalls bedient:

Ach ja: Falls meine Frau Sie fragt, wo ich gewesen bin: Ich war im Kino und habe irgendwas mit Fast und Furious geguckt und hinterher ein Steak gegrillt.

Bitte versuchen Sie nicht, mir nachzulaufen, die Ausstellung ist längst vorbei. Suchen Sie sich Ihre eigene Puppenausstellung. Ich blogge aus gegebenen Anlässen (siehe Seitenanfang) mit großer Zeitverschiebung.

Wo ich schon mal da bin: Diese Bücher habe ich zuletzt anderswo besprochen:

Keigo Higashino: Verdächtige Geliebte

Nora Luttmer: Schwarze Schiffe

Chris Pavone: Die Frau, die niemand kannte

Mo Yan: Frösche

Fotoroman zum Schwärmen: Meine fette japanische Traumhochzeit

Am 18. 2. wollten wir noch am 19. 2. heiraten, aber am 19. 2. fanden wir, dass man sich 20. 2. leichter merken kann. Gab uns außerdem mehr Zeit, die Ja-Dokumente auszufüllen und meinen coolen neuen offiziellen japanischen Namensstempel (im Bild) drunterzusetzen.

Damit gingen wir zum traumhaften Bunkyo Civic Center, Schalter 13.

Es gab lediglich kleinere Irritationen, weil wir den Namen meines Vaters zweimal unterschiedlich japanisiert hatten, und weil wir auf den deutschen Teil der Papiere nur ‚Übersetzung‘ und nicht ‚Offizielle Übersetzung‘ geschrieben hatten. Beides ließ sich aber schnell handschriftlich korrigieren und kurz nach dem Mittagessen waren wir Mann und Frau und konnten weiter zur Kostümprobe für die offiziellen Fotos.

Wie anders soll man den wichtigsten und schönsten Tag seines Lebens abschließen, als mit einem romantischen Kinoabend?

Eine Woche später wurden die Beweisfotos in voller Montur geschossen.

Selbstverständlich kann ich hier die eigentlichen Bilder nicht zeigen, die gingen exklusiv an die Super Illu. Stattdessen diese Nachstellung aus den Flitterwochen im Sanrio Puroland:

Nach den Fotos gab es ein wunderbares Mal mit dem japanischen Teil der Familie und allerlei Speisen, von denen jede einzelne Glück und langes Leben symbolisierte (Mann bzw. Kranich: 1.000 Jahre, Frau bzw. Schildkröte: 10.000 Jahre) (nein, es gab nicht Kranich und Schildkröte zu essen, glaube ich, aber die Servietten waren entsprechend gefaltet).