Heute machte ich mit der Arbeit früher Schluss und fing mit der Abendschule gar nicht erst an. Stattdessen ging ich in den Biergarten, schaute Fußball und aß in der Halbzeitpause ein Steak (engl., aus dem Altnordischen, steik -> braten). Und natürlich dachte ich: Huch, wie konnte das passieren? Wo ich doch sonst gerne pro Tier (lebend) und gegen Sport (hauptsächlich Fußball) töne. Der Steak-Aspekt bedarf zu ausschweifender Erläuterung und zu händeringender Rechtfertigung für dieses Umfeld, aber Fußball ist schnell erklärt, denn ich habe ja nicht irgendwelchen Fußball geschaut, sondern Frauenfußball. Da ist die Formel leicht: Fußball eigentlich nicht interessant, Frauen schon irgendwo interessant, ergo Frauenfußball nicht ganz uninteressant. Dann spielt noch ein gewisser Fußfetisch mit rein und die Tatsache, dass ich nicht irgendein Spiel gesehen habe, sondern Japan gegen England. Japan erst recht nicht uninteressant. England auch nicht zu verachten, aber wenn ich wählen müsste, Sie wissen schon. Von daher war das Ergebnis heute nicht so erfreulich, aber der Stachel sitzt nach zwei Stunden Biergarten auch nicht sonderlich tief. Außerdem ist Japan ja ohnehin im Viertelfinale. (Oder? Ich habe das doch richtig verstanden?!)
Gesellschaftlich war ich schon immer ein Wanderer zwischen den Welten, und beide Welten (also alle außer der dritten) haben schon versucht mich von meiner Fußball-Lethargie zu kurieren. So unterschiedlich die Welten auch scheinen mögen, sie sind sich in einem einig: Du musst mal mit ins Stadion, Alter! Meine stolzen, tapferen proletarischen Freunde sagten stets: „Alter, du musst mal mit in die Fankurve, da willste gar nicht mehr weg!“ Meine Etepetete-Bekannten aus der Etepetete-Society sagten: „Alter, du musst mal mit in die VIP-Lounge, wo unkomplizierte junge Dinger dir und Kai Pflaume Schnittchen auf die Zungenspitze legen!“ Ich habe beides ausprobiert. Die Fankurve war mir zu proletarisch, die Schnittchen zu etepetete, das Spiel in beiden Fällen egal.
Dann geschah letzten Freitag das: Durch Zufall erfuhr ich, dass Japan am Nachmittag in der Fußball-WM der Frauen gegen Mexiko spielen würde. Trotz der Teilnahme Japans hatte ich die Veranstaltung bis dahin nicht großartig verfolgt. Ich war ein wenig enttäuscht gewesen, dass die Japan Football Association nicht auf meinen Vorschlag eingegangen war, AKB48 zur Fußballnationalmannschaft zu erklären, sondern irgendwelche Frauen geschickt hatte, die ich gar nicht kannte. Aus einer Laune heraus jedoch verfolgte ich das Spiel gegen Mexiko per Textticker im Internet (yeah, Silver Surfers go, schreibt uns noch nicht ab, Kids!), und das stellte sich im Nullkommanichts als das Spannendste heraus, was ich jemals aufrecht sitzend gelesen hatte. Das war aber auch ein Spiel! Die überraschende Ono! Die emsige Kinga! Und die vom Himmel herab gestapfte Sawa! Die kannte ich alle gar nicht!
Aufgeregt rief ich in Japan an, um meiner persönlichen Weltmeisterin zum Sieg zu gratulieren, aber da kam nur: „Fußball? A[ch] so. Aber nur Frauen, oder? Haben wir gewonnen? Ich hab gerade CSI gesehen.“
4:0 würde ich nun nicht als ‚gewonnen‘ bezeichnen, sondern eher als Volksfest mit Bauchtanz, aber gut. Bin ich mit meiner Begeisterung eben allein. Auch wenn meine persönliche interdisziplinäre Weltmeisterin den Großteil meines Herzens zur freien Verfügung hat, weiß sie, dass da ein kleiner, abgelegener aber warmer Platz ist, der theoretischen Traumfrauen zur Eroberung durch sportliche Leistungen zur Verfügung steht. Sie hält sich da raus, und ich sag nichts gegen Matt Damon, so sind die Regeln. In der besagten Herzkammer könnte es ein wenig enger werden, denn die eine, die da jetzt schon wohnt, könnte bald Gesellschaft bekommen.
Ich weiß nicht viel über Homare Sawa, und heute war sie ein wenig schüchtern, aber das wird schon. Ich habe ein paar Bilder von ihr gegoogelt (das ist nichts Unanständiges, sondern ein menschlicher Urinstinkt), und sie wirkt auf mich wie jemand, der seine Passion sehr ernst nimmt. Das gefällt mir an Menschen. Ob ich die Passion teile oder nicht. Ich hoffe, sie macht noch ein paar Dinger rein, wenn es drauf ankommt. Und selbst wenn nicht, wohnt sie auf ewig in der Ruhmeshalle meines Herzes, wegen des sehr euphorisierenden Nachmittags am Ticker.
Bitte nicht verwechseln:
Fußballnationalmannschaft der Frauen
„Endlich Wochenende /
Jetzt wird nur noch gezockt“
– Friedrich Schiller, Ode „An die Freude“ – Tony D, Jackpot
Sie haben sicherlich aus den Nachrichten davon erfahren, am vorvergangenen Freitag ist das Telespiel Duke Nukem Forever erschienen. Von der ersten Ankündigung bis zum Erstverkaufstag hat es rund 14 Jahre gebraucht, was als ziemlich lang gilt. Mit der Zeit hatte sich in der Gemeinde der Computer- und Videospieler der Glaube durchgesetzt, dass der Untergang oder Fortbestand der westlichen Zivilisation von der Qualität dieses Spieles abhinge, denn viele hatten sentimentale Erinnerungen an den Vorgänger, Duke Nukem 3D. Ich auch. Duke Nukem 3D überzeugte mich 1996 davon, dass Computerspiele doch kein langweiliger Kinderkram sind, sondern ganz schön aufregender Kinderkram.
Vorher hatte ich keinen nennenswerten Kontakt zu Computerspielen. Ich war schon immer liebenswert fortschrittsfeindlich und bin es noch heute. Mein erster Walkman war ein iPod, und auch den habe ich nur widerwillig und gebraucht gekauft. Er wird frühestens ausgetauscht, wenn die Akkuleistung unter drei Minuten fällt (was vermutlich bald der Fall ist, Apple halt). Erst kürzlich bin ich wg. Materialermüdung von einem Schwarz/grau-Mobiltelefon mit Knöpfen auf ein Farbmodell mit berührungssensitivem Bildschirm umgestiegen, mein drittes Handy in 13 Jahren. Ich sehe aber ein, dass es Vorteile hat. Man kann darauf seine fettigen Ohrabdrücke viel besser sehen. Das Faxgerät blieb der Welt nicht lange genug erhalten, als dass wir uns richtig hätten kennenlernen können. Die Faxe, die ich in meinem Leben gefaxt habe, lassen sich vermutlich an den Fingern einer Hand abzählen, und mindestens einen Finger hätte ich noch frei um Haselnussbrotaufstrich zu naschen. Nie habe ich eingesehen, einen Automobilführerschein zu machen. Meinen ersten Heimcomputer kaufte ich mir sauertöpfisch mit Mitte 20, weil meine Nachbarn fanden, dass meine Schreibmaschine zu laut sei, um nachts darauf zu schreiben.
(Mit 20 meint man, inspirierte Schreibarbeiten müssen unbedingt nachts erledigt werden, dabei geht das auch vor 22 Uhr.) Ich hatte mir vorgenommen, mein Computer-Dings lediglich als leisere Schreibmaschine zu verwenden und es keinesfalls mit Spielen zu besudeln. Mein Installateur hatte mir zwar ungefragt und zu meiner großen Freude Sam & Max draufgepackt, aber das ging in Ordnung, fand ich, das war immerhin was zum Nachdenken, adorno-mäßig gerade noch okay.
Vielfach wird meine Technikfeindlichkeit und damit einhergehende Ahnungslosigkeit bei entsprechenden Themen für Koketterie gehalten. Immer wieder bringen mir ganz aufgelöste Menschen kaputte Handys an die Tür und schluchzen: „Es klingelt seit heute Morgen nicht mehr! Ich flehe Sie an – tun Sie etwas!“ Das Missverständnis, dass mich so etwas interessieren könnte oder ich gar eine Lösung wüsste, kam vermutlich dadurch in die Welt, dass ich beruflich einmal ein paar Jahre lang auf die schiefe Bahn geraten war. Dabei habe ich mich in meiner Zeit als technischer Journalist (oder „schreibender Schraubenzieher“, wie die anderen Journalisten sagen, wenn man gerade nicht hinhört) bloß durchgeschummelt, großes Ehrenwort. Es gehört ja auch wirklich nicht viel dazu, Sony-Pressemitteilungen umzuformulieren.
Entschuldigen Sie, wenn ich abschweife. Ich war heute Vormittag bei einer ärztlichen Untersuchung und habe noch Kontrastmittel im Körper, was immer das sein mag.
Jedenfalls ging ich eines Tages im letzten Jahrzehnt des vorigen Jahrtausends einen Freund besuchen, ihn abzuholen, um irgendetwas viel Wichtigeres als das Spielen von Computerspielen zu unternehmen (vermutlich saufen). Mein Freund hatte sich zu meinem Unmut noch nicht mal fertiggemacht, als ich ihn in seinem WG-Zimmer fand. Stattdessen machte er an seinem PC Außerirdische fertig, die die Erde unterjochen wollten. Er spielte Duke Nukem 3D, einen Ego-Shooter (vulg.: Killerspiel) über einen heterosexuellen Kriegshelden mit dummen Sprüchen und dicken Knarren. Mein Freund fragte mich, ob ich auch mal ran wolle. In der Hoffnung, unsere Abreise dadurch zu beschleunigen, willigte ich ein. Wir verließen das Haus an diesem Abend nicht mehr. Als die Lebensgefährtin des Freundes auftauchte, die mich als Kriegsdienstverweigerer und Studenten der Geisteswissenschaften kannte und schätzte, sagte sie triumphierend: „Andreas, sag ihm, was du davon hältst!“
Ich nahm die Hände keinen Moment von der Tastatur und den Blick nicht vom Bildschirm und ächzte: „Ich würde es besser finden, wenn man es mit Joystick spielen könnte!“
Ich bildete mir ein, die Zukunft der Unterhaltung gesehen, nein, erlebt zu haben. Wenn Spiele so wären, dann wären Action-Filme fortan überflüssig, weil man bei diesem Spielprinzip und dieser atemberaubenden Grafikqualität das Gefühl hatte, selbst in einem Action-Film mitzuspielen, was viel aufregender war als bloß zuzuschauen. Die technische Revolution hatte stattgefunden. Das Ende der Fahnenstange war erreicht. (Mir wurde erst später bewusst, dass Spiele niemals Konkurrenz für Unterhaltungsfilme werden können, weil man sich beidem aus völlig unterschiedlichen Gründen zuwendet. So ein Spiel wird man nie zur Entspannung spielen, denn ein Spiel ist alles andere als entspannend.)
Auf Duke Nukem Forever, die Fortsetzung, freute ich mich. Aber eines verwirrte mich: Immer wieder las und hörte man unmittelbar vor der Veröffentlichung die Behauptung, man habe 14 Jahre darauf gewartet.
Also, ich nicht. Im betreffenden Zeitraum habe ich unter anderem mein Studium erfolgreich abgebrochen, meinen ersten Erwachsenen-Job angenommen und dreimal gewechselt, mit dem Rauchen aufgehört und mit dem Laufen angefangen, meinen Wohnort von Norden nach Süden gewuchtet, aus langen Haaren und Vollbart das Gegenteil gemacht, rund 30 Fernreisen unternommen, wichtige und weniger wichtige Beziehungen beendet und begonnen, mehrere unveröffentlichte Bücher und ein veröffentlichtes geschrieben, drei oder vier Blogs aufgegeben, unzählige Bücher gelesen und Filme gesehen, mit dem Comiclesen mehrfach aufgehört und wieder angefangen, viele Kochrezepte gelernt, in Konzerthallen gestanden und auf Bierbänken gesessen, zweimal genullt, und sogar ein paar Video- und Computerspiele ohne Duke Nukem gespielt (ging auch). Der Planet drehte sich unermüdlich um die Achse und kreiste um die Sonne, Babys wurden schreiend aus der molligen Dunkelheit in das harsche Licht der Welt gezerrt, Erde kehrte wieder zur Erde zurück, große Kunstwerke wurden geschaffen und vernichtet, Regime wurden gestürzt und errichtet. Mit all dem hatte ich direkt nichts zu tun, aber es kann einen trotzdem ablenken.
Ich habe also nicht viel Zeit damit verbracht, mit Fingernägeln zwischen den Zähnen auf den Kalender zu starren und mich zu fragen, wo denn Duke Nukem Forever bliebe. Will nicht sagen „gar keine“ Zeit, aber doch „kaum“. Wenn man alles zusammenrechnet, vielleicht so eine Stunde. Das war auszuhalten. In einer Stunde über 14 Jahre verteilt übersteigert man nicht seine Erwartungshaltung, weder in Sachen technischer und spielerischer Brillanz, noch in Sachen schrulliger Retrocharme, oder des Ausmaßes der Katastrophe, die viele vorgebliche Anhänger niederträchtig und masochistisch herbeisehnten.
Ein bisschen banges Kalenderstarren und Nägelkauen ließ sich am letzten Samstag nicht vermeiden, weil ich aus Gründen der Knauserigkeit das Spiel im Billigland England bestellt hatte und es nicht feststand, dass es rechtzeitig zum langen Wochenende rübermachen würde. Hat es aber, und ich muss sagen: Die eine Stunde Wartezeit habe ich keine Sekunde bereut. Ich habe gelesen, dass die Grafik des Spiels unter aller Sau ist. Für diese Info möchte ich mich bedanken, denn es wäre mir sonst nicht aufgefallen bei dem ganzen Spaß, den ich mit Duke Nukem Forever habe. Wie die Musik ist, kann ich nicht beurteilen, da Musik in Videospielen nichts verloren hat, weshalb ich sie immer gleich nach Erhalt abstelle. Wenn sie so ist, wie der überdrehte Gitarrenquatsch im Intro, war das die richtige Entscheidung. Das Geknatter meiner Schusswaffen und das Todesquieken meiner Gegner ist genügend Musik in meinen Ohren.
An den Humor hatte ich keine großen Erwartungen. Den Humor von Duke Nukem 3D seinerzeit hatte ich mir als linksdrehender Frauenversteher damit schöngeredet, dass der ja gar nicht sexistisch und gewaltverherrlichend wäre, sondern eine Parodie auf Sexismus und Gewaltverherrlichung. Dass Parodie niemals Anklage, sondern immer nur Schmeichelei und Bekräftigung ist, verdrängte ich damals. Das tue ich nun nicht mehr, bilde ich mir ein. Deshalb kann ich über den Bier-und-Babes-Humor von Duke Nukem heute gar nicht mehr lachen.
Hm, kann ich offenbar doch noch. Duke Nukem Forever ist schon ziemlich lustig. Es sind ja nicht nur die Macho-Sprüche und Fellatio-Witze (obwohl viele von denen auch recht ulkig sind). Es gibt außerdem vereinzelte Anspielungen auf relativ aktuelle Auswüchse der amerikanischen Gegenwartskultur, etwa Seitenhiebe auf den Krieg der Late-Night-Talkshows und den Krieg gegen den Terror sowie blutige Fausthiebe auf einen cholerischen Schauspieler-Lackaffen, der wahrscheinlich Christian Bale ist.
Aber die wenigen Konzessionen an die Gegenwart sind nicht das Entscheidende. Vor allem gilt: Nicht obwohl Duke Nukem Forever mindestens zehn Jahre zu spät erscheint, ist es ein gutes Spiel, sondern weil es mindestens zehn Jahre zu spät erscheint. Ein oder zwei Jahre nach Duke Nukem 3D wäre es nur eine solide Fortsetzung gewesen. Heute ist es eine veritable Zeitreise. In eine Zeit, in der Spiele noch etwas Spielerisches hatten und nicht mit buchhalterischem Mikromanagement-Irrsinn allen Spaß an der Freud verdarben. Man fühlt sich wieder wie Mitte 20, nur nicht so behaart. Sollte es eine weitere Fortsetzung geben, ich warte gerne. Selbst wenn es wieder eine Stunde dauert.
Dieses Wochenende bin ich wegen schlimmen Fußes an den Schreibtisch gefesselt.
Aber letztes Wochenende war ich gut unterwegs in Düsseldorf, wohin mich das germanistische Studierendenprojekt „Reiseliteratur“ der Heine-Universität zu einer Lesung in gediegenem Ambiente eingeladen hatte.
Der Düsseldorfer Hauptbahnhof war voller Cosplayer (ich war ein wenig enttäuscht zu erfahren, dass sie nicht wegen der Lesung gekommen waren, sondern immer dort rumlungern), mein Hotel war voller holländischer Hell’s Angels (ich war nicht enttäuscht, dass sie nicht wegen der Lesung gekommen waren, sie entpuppten sich aber beim Frühstück als sehr umgängliche Gesellen). Mehr Worte möchte ich gar nicht verlieren, denn die Zeitung war da und der Literatur-Blog Legimus sowieso. Legimus-Chefin Vanessa Lellig war nicht nur die treibende Kraft hinter der Organisation der Veranstaltung, sondern auch so nett mich zu interviewen. Ihr und der fleißig fotografierenden Aljona Merk und allen anderen Beteiligten von Uni und reinraum e. V. und natürlich den freiwilligen Gästen unten und oben sei mindestens tausend Dank für den schönen Abend, Onigiri, Alt und Pils.
Erschütternde Bilder erreichen mich aus Sydney. Okay, nur eines, aber das ist erschütternd genug.
Wie lange wird die internationale Gemeinschaft noch tatenlos zusehen? Ich jedenfalls werde handeln und ziehe mit sofortiger Wirkung meine japanische Botschafterin aus Australien ab.
Hey, Kids – ich sag euch, was abgeht! Zieht euch das rein: In diesem Jahr hätte Marshall McLuhan 100. Geburtstag, würde er noch leben! Nein, nicht der Regisseur von Strictly Ballroom, sondern der mit „Das Medium ist die Botschaft“ und der mechanischen Braut und so, heißer Scheiß, krasse Sachen. Der crazy Alte aus dem Movie von Woody Allen, dem Regisseur von Scarlett Johansson.
Der Typ, der schon im Internet war, als Internet noch Fernsehen hieß.
Was soll man über den noch schreiben, es ist doch alles schon geschrieben? Bleibt nur zu sagen: Happy B-day, McLulli, alte Socke!
Während meines jüngsten begleiteten Paris-Aufenthalts wurde mir unter Androhung von Liebesentzug verboten, weitere Hello-Kitty-Produkte zu kaufen. Es war aber in der Stadt der Lichter nicht weiter schwierig, das Feuer einer neuen Sammelleidenschaft zu entfachen. Gerade war die limitierte Kollektion von Cola-Light-Flaschen erschienen, die Karl Lagerfeld gestaltet hatte, und die es nur in ein paar Läden in Paris zu kaufen gibt.
Der Unterschied zwischen Hello Kitty und Karl Lagerfeld ist, dass Hello Kitty keinen Mund hat. Ansonsten sind die beiden kaum voneinander zu unterscheiden: Sie sind Stilikonen, und man muss sie einfach liebhaben.
Zwei der drei Flaschen waren leicht zu bekommen, die mit den Punkten und die mit den Streifen:
Aber die mit den Sternen war nirgends aufzutreiben! Quel dommage!
Bitte schauen Sie kurz hier: Haben Sie diese Flasche schon einmal gesehen? (Rechts im Bild, Attrappe)
Wenn sich diese Flasche bei Ihnen zu Hause befindet, oder falls Sie sie beschaffen können – ich hätte großes Interesse! Es soll Ihr Schaden auch nicht sein. Ich biete im Tausch diesen praktischen und formschönen Hello-Kitty-Handventilator, den ich aus einem französischen Kaufhaus schmuggeln konnte, als meine Begleitung durch die riesige Auswahl an Käsepieksern abgelenkt war:
Laut meinen Recherchen ist dieses Gerät in Deutschland nicht offiziell im Handel! Und der Kaufpreis lag deutlich über dem der Lagerfeld-Flasche. Sie machen ein Hammergeschäft. Bitte schreiben Sie an [veraltete E-Mail-Adresse entfernt]. Nur ernst gemeinte Zuschriften mit Bild.
Update 23. Juni (Fronleichnam)
Mit großem Erschrecken stelle ich fest, dass es die Flaschen inzwischen auch in Deutschland zu kaufen gibt. Et tu, Karl. Der Deal ist geplatzt, das ganze Ding ist abgeblasen, ich behalte den Ventilator selbst, er soll mir ein Fächer sein. Kann ich in dieser drückenden Sommerhitze dringend brauchen.
Durchgabetermin für Aktualisierungen war Montag, der 7. März. Ich hielt das Gemauschel im Sumo und das Gezanke mit China um eine kleine Insel für die allerwichtigsten Japan-Nachrichten, die unbedingt noch rein mussten.
Das sah Ende der Woche ganz anders aus. Aber da war es zu spät.
Sei es drum: Ein Buch ist kein Nachrichtenmedium. Nach wie vor gilt: Japan ist viel mehr als bloß Katastrophe.
Sie können sich demnächst auch wieder aus dem Buch vorlesen lassen, es gibt zwei neue Termine auf der Termine-Seite meiner Website. Bei beiden Veranstaltungen ist der Eintritt frei, Sie können dort aber hemmungslos für die Japan-Hilfe spenden. Beim Bremer Termin werde ich selbst nicht anwesend sein, dafür liest mit Christine Bongartz jemand, der das tatsächlich kann. Ich freue mich sehr, dass am Klavier dann wieder die bezaubernde und begabte Naoko Marutani sitzt.
Selbst lesen können Sie ein paar neue Film- und Buchbesprechungen andernorts im Internet:
FilmAnd Soon The DarknessThe InformersUncle Boonmee erinnert sich an seine früheren LebenBuchPaolo Bacigalupi: BiokriegMichel Houellebecq: Karte und Gebiet
Soeben stelle ich fest, dass mein Buch Gebrauchsanweisung für Japan klammheimlich auch für den Kindle erschienen ist, das beste und nützlichste Gerät der Welt, neben dem Hello-Kitty-Luftbefeuchter.
Und ich möchte jetzt nicht wieder dieses kunstfeindliche und kleinkrämerische Gejammer hören, dass es unfair sei, dass digitale Bücher genauso teuer sind wie gedruckte (okay, in meinem Falle sogar etwas teurer), obwohl man viel weniger in der Hand hat. Ja, wo leben wir denn eigentlich?! Wird Literatur und Lesevergnügen jetzt nach Pfund bemessen?!
Falls ich Sie mit wüsten Beschimpfungen nicht überzeugen kann, kaufen Sie bitte die gedruckte Ausgabe, das stört mich nicht.
Sollten Sie den Kindle zu grau finden, können Sie ihn übrigens mit wenigen Handgriffen individuell verschönern, so wie dieser wunderliche alte Kauz sympathische junge Herr:
Ach, so Sie es nicht bemerkt haben (oder es bemerkt haben und sich nun doch sehr wundern): Ich habe jüngst ohne großes Trara die Partnershops auf dieser und verwandten Seiten geschlossen, weil die Almosensammelei gegen meine Menschenwürde ging. Es ist ja nicht wie bei armen Leuten. Geben Sie aber bitte weiterhin viel Geld aus, irgendwer wird es schon zu schätzen wissen.
Ich nutze Flugreisen vor allem dazu, mir auf Flughäfen stapelweise Zeitschriften zu kaufen, die ich dann doch nicht lese. Aber bei dieser wusste ich sofort, dass ich eine Ausnahme machen würde:
Adam Ant auf dem Cover einer Musikzeitschrift? Eigentlich eine Selbstverständlichkeit! Zirka 1981.
Die Älteren hier kennen Adam Ant als „den ersten coolen Typen in der Popmusik, der Make-up trug.“ Das sagte einmal sinngemäß irgendeine behauptete Autorität. Und das stimmt natürlich, solange man David Bowie, Marc Bolan und knapp 10.000 andere mal außer Acht lässt. Die Jüngeren kennen Adam Ant, wenn überhaupt, als den Charlie Sheen der britischen Popmusik: Kein Job, aber große Klappe, gut dokumentierte Krankheitsgeschichte und gelegentliche Live-Auftritte in Begleitung zweier Göttinnen. Seit längerem ist die Rede von einem neuen Album mit dem unverrückten Titel Adam Ant Is the Blueblack Hussar in Marrying the Gunner’s Daughter, was nun fertig ist und bald (ca. 2012) erscheinen soll, nach der aktuellen World Tour of London.
Adam Ant ist wie Star Wars: Man tut so, als wäre es einem inzwischen piepegal, aber liest heimlich doch jede Meldung. Es ist verständlich: Als ich zum ersten Mal „Stand and Deliver“ hörte, hatte es mein Leben verändert. Ich wusste, dass ich fortan meine eigenen Platten kaufen würde (müssen). Noch heute werde ich ganz aufgeregt, wenn morgens das Posthorn geht. Es wurmt mich nachwievor, dass ich den Adam-Ant-Bravo-Starschnitt zwar fast komplett, den linken Bauch aber verpasst hatte.
Mit gereiften Ohren und weitergedrehtem Erdenrund hört man, dass im Ant-Oeuvre viel Unsinn ist, aber überraschend vieles hat weiterhin einen Reiz, der über niedere Nostalgie hinausgeht, ist so originell, energetisch und relevant wie eh und je. Manches versteht man als schuldiger Erwachsener sogar besser denn als unschuldiger Hosenmatz.
Im vorliegenden Interview gibt Adam Ant sich so, wie wir ihn in letzter Zeit kennen und zu nehmen gelernt haben. Er flucht und raucht viel, spricht von fast fertigen neuen Großtaten, kündigt neben dem Album eine Ants-Reunion mit Terry Lee Miall und Kevin Mooney fürs kommende Jahr an und behauptet vieles, weil das Interview lang ist. Zum Beispiel, dass er die Ants nur aus väterlichem Instinkt aufgelöst habe, um die Mitglieder vor sich selbst zu schützen, und dass er den Cooler-Pirat-Look erfunden hätte, den Johnny Depp geklaut hat. Nein, Adam, den haben Piraten-Filme erfunden. Und Johnny Depp läuft nur in einem solchen so rum. Außerdem sagt Ant: „Die Definition von Bipolarer Störung ist promiskuitiven Geschlechtsverkehr zu haben, sich ungewöhnlich anzuziehen und zu verhalten.“ Nein, Adam. Ich bin zwar kein Mediziner, aber ich glaube nicht, dass das die Definition ist. Aber was weiß ich. Ich bin nur ich, und Adam ist ein „Warrior“ (Unterschied zum Warlock: Kann schwere Waffen und Rüstungen tragen, hat aber keine magischen Fertigkeiten).
Recht hat Ant freilich, wenn er behauptet, der einzige lebende authentische Punk-Rocker zu sein. Dafür stehen schon die Aussagen, mit denen er unrecht hat. Das Interview macht Lust auf mehr authentischen Punk-Rock for Antpeople, und ich hoffe aufrichtig, dass Adam Ant Is the Blueblack Hussar in Marrying the Gunner’s Daughter ein großer Wurf wird. Wenn nicht: Auch nicht schlimm, das Leben ist weitergegangen.
Dass das Magazin Vive Le Rock so heißt wie das (bislang) beste Album Adam Ants, ist erklärtermaßen kein Zufall. Dass also auf das Ant-Interview ein Artikel über The Wolfmen folgt, das neue Projekt der ehemaligen Ant-Wegbegleiter Chris Constantinou und Marco Pirroni, ist nicht weiter verdächtig. Aber je weiter ich blätterte, desto mulmiger wurde es mir. Da kam ein (aktuelles) Interview mit New Model Army, die Kritik eines (kürzlichen) Konzerts von Spear of Destiny, und im Anzeigenteil wurden (anstehende) Auftritte von The Levellers und Sigue Sigue Sputnik annonciert. Panisch schlug ich das Heft zu und lebte wieder in der richtigen Gegenwart. Aber jetzt weiß ich: Paralleluniversen sind kein Science-Fiction-Schnickschnack. Was ist wohl in der Dimension von Vive Le Rock geschehen, das den Lauf der Geschichte dort derartig verändert hat?
Es ist schon eine Weile her, dass ich zum letzten Mal bei einem Konzert war, bei dem vorne Teenager kreischen und Ärmchen in die Luft recken, während hinten der erziehungsberechtigte Fahrdienst wartet und milde lächelt. Über eine Woche ist das schon her. Da war nämlich das Konzert von Miyavi, einem jungen japanischen Gitarrengott, wenn auch kein Songwritergott, der in Japan in erster Linie dafür bekannt ist, dass er im Ausland bekannt ist.
So fürchterlich bekannt scheint er im Ausland auch nicht zu sein, der mittelkleine Münchner Austragungsort war mit etwas gutem Willen gerade mal zu einem Drittel gefüllt. Rein akustisch war davon aber nichts zu merken, der harte Kern machte einen Krach wie ausverkauft und überbucht. Miyavi selbst war auch nicht leise, aber es war doch das Gekreisch der Anerkennung und Wertschätzung, das noch außerhalb der Halle in einigen hundert Metern Entfernung gut zu hören war, und mich nach langem Herumirren aufgrund altersbedingter Orientierungslosigkeit doch noch mit leichter Verspätung zum Konzert finden ließ, das offenbar mit löblicher japanischer Pünktlichkeit begonnen hatte.
Dass man mich hier als zahlenden Konzertbesucher aus freien Stücken und ohne minderjährige Begleitung nicht für voll nahm, machte man mir bereits beim Einlass unmissverständlich klar. Niemand wollte meine Karte sehen. Aber ich bestand erstens auf Kontrolle der Eintrittskarte, zweitens auf Durchsuchung meiner Herrenhandtasche. Auch alte Menschen haben ein Recht auf Schikane! Nur weil wir nicht mehr so glänzendes Haupthaar haben wie Miyavi gehören wir längst nicht aufs gesellschaftliche Abstellgleis!
Billige Spötter könnten anmerken, dass das Konzert nicht nur wegen der hysterischen Stimmung voller als tatsächlich wirkte, sondern dass die Größe von Miyavis Ego ebenfalls nicht wenig Raum einnahm. Dazu sage ich in spöttischem Tonfall: „Was?! Ein Rockstar mit einem gesunden Selbstbewusstsein?! Was fällt dem ein! Der bringt noch die ganze Rockmusik in Verruf!“
Miyavi beherrscht die einstudierte Mischung aus großen Gesten und Tuchfühlung, die ich von einem Rockstar erwarte. Rockmusik ist in erster Linie Unterhaltungs- und Dienstleistungsgewerbe, die Revolution ist spätestens seit Elvis‘ erster Goldenen Schallplatte vorbei (1956, für 1.000.000 mal ‚Don’t Be Cruel‘, heute braucht’s weniger), allerspätestens seit ‚Muss i denn zum Städele hinaus‘ (1960). Nichts ist furchtbarer als sauertöpfische Authentizitätsrocker, die meinen, sie müssen so vor ihr Publikum treten, wie sie sich gerade fühlen, in der Annahme, sie spielten die Musik für sich und nicht für die zahlenden Gäste. Nein, sie müssen sich gefälligst zusammenreißen und ihre Arbeit machen, und zwar mitreißend und gut, sonst gehe ich das nächste Mal zu jemand anders. Ein Anlageberater sagt sich ja hoffentlich auch nicht: „So, heute ist mir eine Laus über die Leber gelaufen, da gebe ich aus Authentizitätsgründen mal eine schlechte Anlageberatung. Rock’n’Roll!“
Miyavi liebt sein Publikum aufrichtig. In dem Sinne, dass er es aufrichtig liebt, Publikum zu haben. So muss das sein, da erwidere ich die Liebe gerne. Natürlich nicht in erster Reihe, sondern hinten mit den Eltern. Also, nicht mit meinen Eltern. Aber ich denke sogleich an sie, denn sie standen auf ganz ähnlichen Plätzen vor vielen Jahren, während ich vorne zu Nena oder Extrabreit voll abmoshte. Drolliges Detail am Rande des Geschehens: Heute werden der ehrenwerte Extrabreit-Sänger Kai Havaii und ich in literarischen Belangen von derselben Agentur vertreten. Das hätte ich mir damals, als kleines Mädchen aus der Vorstadt mit einem Nasenring aus Phosphor, auch nicht träumen lassen.
Ich erinnere mich gerne an die Konzerte von vor 20 Jahren und an das von letzter Woche (an letzteres etwas besser, noch). Andere haben auch schöne Erinnerungen. Mein liebster Youtube-Kommentar zum Miyavi-Konzert:
…. außerdem hab ich seine spucke in den mund bekommen^^….
Da zeigt sich, dass junge Menschen gar nicht so verzogen sind, wie vielfach angenommen wird. Auch mit kleinen Dingen kann man ihnen eine Freude machen.
Zwischen meiner eigenen Ärmchen-reck-Phase und dem Miyavi-Konzert war wohl das einzige ähnliche Ereignis, dem ich beiwohnte, ein Blümchen-Konzert in den Neunziger Jahren, das ich mit journalistischem Auftrag besuchte. Ich kam als blasierter Gästelistenschnorrer, ich ging als stolzer und glücklicher Besitzer einer selbst bezahlten ‚Blümchen‘-Wollmütze. Auftritt und Privataudienz hatten mich restlos von Fräulein Blümchens Qualitäten als Mensch und Entertainer überzeugt. Ich hoffe dennoch, dass Blümchen, die heute unter dem Pseudonym Jasmin Wagner schauspielert, mit einem Comeback noch mindestens bis 40 wartet, um es für alle interessanter zu machen. Ich würde jedenfalls kommen, mit meiner Mütze. Ich habe sie noch irgendwo, finde sie aber gerade nicht, weil ich kürzlich aufgeräumt habe. Dies hingegen habe ich natürlich immer griffbereit:
(Warum dort „Für Blohm & Voss“ steht, ist eine lange Geschichte, deren Erzählung auf unbestimmte Zeit verschoben werden muss.)
Eines verbindet Blümchen und Miyavi über die unübersehbare äußerliche Ähnlichkeit hinaus: Es macht Spaß ihnen dabei zuzusehen und zuzuhören, wie sie auf der Bühne das tun, was sie am besten können. Bei Miyavi ist das Gitarrespielen, bei Blümchen habe ich vergessen, aber da war etwas. Miyavi ist ein so exzellenter Gitarrist, dass es nicht weiter stört, dass seine Songs kompositorisch und lyrisch Quatsch sind. Entscheidend ist, wie es hinten rauskommt. Der Ton macht die Musik. Ich würde jederzeit wieder zu einem seiner Konzerte gehen. Ob ich mir je wieder eines seiner Alben besorgen würde, würde ich mir zweimal überlegen, und es dann wahrscheinlich doch tun, wie ich mich kenne.
Eine Mütze habe ich mir diesmal nicht gekauft, aber ein T-Shirt. Freilich trage ich es nur beim Sport, also fast nie. Mein gespanntes Verhältnis zu beschrifteter Bekleidung thematisierte ich bereits in meinem Aufsatz Judas rennt über meine spät erblühte Liebe zum Dauerlauf. Weil zitieren einfacher ist als neu formulieren:
Für obenrum habe ich beschlossen, meine alten Bandshirts aufzutragen. Obwohl das eigentlich hochgradig inkonsequent ist. Ich habe mir im Alltag nicht viele modische Regeln auferlegt, ganz bestimmt nicht. Vielleicht im mittleren zweistelligen Bereich, würde ich sagen, konservativ geschätzt, um mal eine Hausnummer zu nennen. Und bei den meisten lasse ich auch mal Fünfe gerade sein, wenn gerade keiner guckt. Aber bei allem Laissez-faire, zwei Bekleidungsregeln erlauben keinen Interpretationsspielraum und müssen unbedingt in jeder Situation befolgt werden, auch beim Sport und auf dem Sterbebett:
1. Männer über 12 tragen keine kurzen Hosen.
2. Männer über 22 gehen nicht beschriftet aus dem Haus.
Für den Sterbebettfall muss man zwar nicht zwangsläufig aus dem Haus gehen, aber Sie wissen schon, wie es gemeint ist. Wie ein Cowboy bevorzugt in seinen Stiefeln stirbt, möchte ich gerne in langer Hose entschlummern, sobald es an der Zeit ist. Und nach Möglichkeit nicht in einem T-Shirt, auf dem steht: New Model Army 51st State Tour 1987.
(Zitat Ende. Zitiert nach mir selbst, da kann mir keiner was.)
***
Erstaunlich, wie schnell man Kreisch-Konzert-Verhältnisse trotz langer Abstinenz wieder als Normalzustand wahrnimmt. Anfangs dachte ich noch mit leicht distanzierter Elternmeinung: Wenn dieser Miyavi zwischen den Songs auf die Gitarre boxt, kreischen dann alle, weil sie daran wirklich erkennen, welches das nächste Lied ist, oder kreischen die bloß, weil er auf die Gitarre geboxt hat? Aber bald war mir wieder eingefallen, dass das egal ist.
Ein paar Tage später besuchte ich das Münchner Konzert von Anna Calvi, bei dem Anna Calvi erwartungsgemäß die Jüngste war. Es ist nicht bedeutungslos, dass mir das Calvi-Album als große, schwarze Kunststoffschallplatte vorliegt, das von Miyavi als ungreifbarer Download. Das Konzert war gut, die Stimmung auch, dann geschah das Unfassbare: Frau Calvi trank einen Schluck Wasser (direkt aus der Flasche, so sind die jungen wilden Dinger), und irgendwas fehlte. Da fiel es mir ein: Wieso kreischt denn keiner?! Sie hat doch einen Schluck Wasser getrunken! Und da wiederum fiel mir ein: Ach ja, ich bin hier ja der einzige Teenie.
Meiner strikten Ablehnung der Hobbyfilmerei bei Konzerten habe ich gut versteckt in einem überlangen früheren Beitrag Luft gemacht. Weil wir Menschen vom Planeten Erde aber so wunderbar widersprüchliche Naturen sind, habe ich kein Problem damit, hier die Hobbyfilmerei eines anderen zu klauen:
P.S.: Ich wollte es eigentlich geschmeidig in den Text einfließen lassen, aber man wird vergesslich mit dem Alter: Ich danke sehr herzlich der Leserin, die mich auf die Miyavi-Tour überhaupt erst aufmerksam gemacht hat. Sie weiß, wer sie ist, wenn sie noch nicht so vergesslich ist, wie ich es bin. Und ich wünsche weiterhin alles erdenkliche Gute.