Jetzt mal im Ernst: Richard McGraw

Eigentlich hatte ich mir zur Regel gemacht, diesen Blog ausschließlich für Quatsch zu verwenden. Nicht für so etwas Ernsthaftes wie beispielsweise Produktempfehlungen. Weil ich aber seit neuestem ein Business Punk bin (ich breche Regeln), breche ich diese Regel heute und möchte drei Produkte ans Herz legen, und zwar das erste, zweite und dritte Album von Richard McGraw.

Einst war ich wie Sie: Jung, zornig, verwirrt, hatte noch nie etwas von Richard McGraw gehört. Bis mir ein Gentleman mit Stil und Geschmack McGraws zweites Album, Song & Void Vol. 1, überreichte. Ich war auf Anhieb angetan von den gottesfürchtigen und fleischeslustigen Folksongs und besorgte mir proaktiv auch das erste Album, Her Sacred Status, My Militant Needs, und da war es endgültig um mich geschehen. Musikalisch noch ein bisschen ökonomischer und lyrisch noch untröstlicher, gefiel mir das Debüt sogar noch ein wenig besser als der kaum zu übertreffende Nachfolger. Eine Einsame-Insel-Platte, falls mal jemand fragt.

Richard McGraw schreibt Lieder, die einen an der Gurgel auf die Knie zwingen, und dort ist es bekanntlich am Schönsten. Wem jemals irgendwas weh getan hat, der darf sich bei McGraw bedanken, dass er die Wunde wieder aufreißt, weil er seine eigenen niemals schließt, sondern sie gut in Schuss hält, indem er sie regelmäßig und sorgfältig besingt. Gerade habe ich das dritte Album, Burying the Dead, reinbekommen. Auch da sind mit ‚Hurting Heart‘, ‚Balmville Motel‘, ‚Your Lover‘ und ‚Her Town‘ mindestens vier Songs drauf, die kaum auszuhalten sind. Die anderen kann ich momentan noch hören ohne in die Knie zu gehen, aber es dauert bestimmt nicht mehr lange, ich freue mich jetzt schon drauf. Richard McGraw tut auch anderen Liedermachern gut: Billy Joels My Life reduziert er auf die nackige Essenz und zeigt uns, wie schön dieser Song als Skelett ist. Wir wollen dennoch hoffen, dass das mit den Covern nicht überhand nimmt. Mit The Faith ist noch ein Leonard-Cohen-Cover auf dem aktuellen Werk, was schon passt, aber auf einem McGraw-Album nur halbe Höhe sein kann. Oh je, habe ich gerade hintenrum behauptet, dass Billy Joel viel besser ist als Leonard Cohen? Aus der Nummer komme ich ja nie wieder raus. Wie ging noch mal Löschen? Vielleicht sollten wir mal wieder unser Credo ausrufen, hatten wir auch lange nicht mehr: Ist doch nur Internet!

Und nein, es geht mir nicht um die paar Kröten Provision. Meinetwegen kaufen Sie die heißen Scheiben bei CD Baby und genießen Sie das Rundum-Indie-Gefühl. Ohne CD Baby an unserer Seite wäre der Kampf gegen das Böse um einiges aussichtloser, das sollte man honorieren. Kaufen Sie letztendlich, wo Sie wollen, aber kaufen Sie. Denn sowas wollen wir in Zukunft nicht mehr sehen müssen:

Lady Gaga und die vorauseilende Binnenmajuskel

Man weiß gar nicht, womit die bedingungslose AmourFou der Deutschen mit der Binnenmajuskel angefangen hat. War es das Frauen-I („StripperInnen“), das die taz eine verrückte Zeit lang praktizierte? Oder war es der iPod und sein dickes P? Fest steht: Die Binnenmajuskel hat im Gegensatz zu anderen Marotten der Jahrtausendwendezeit jede Rechtschreibkrise überlebt, während rechts und links von ihr die Moden so schnell fielen, wie sie gekommen waren. Kaum ein modern gemeintes Schlagwort wird heute noch mit einem vorgesetzten „e-“ versehen. Auch das kleine Anfangs-i, einen Sommer lang Pflicht bei jeder Produkteinführung, wird heute nur noch von Dings praktiziert. Niemand ersetzt mehr das „a“ im Firmennamen durchs Klammeräffchen oder hängt ein Domänenkürzel hinten an. All das ist vorbei, seit das Internet kaputt ist. Nur die Binnenmajuskel ist nicht totzukriegen. Ganz besonders beliebt ist sie in Deutschland, wo sogar vorsichtshalber Begriffe mit Binnenmajuskel geschrieben werden, deren Wortschöpfer das gar nicht vorgesehen hatte. Jüngstes und häufigstes Opfer: Lady Gaga. Ehe Sie komisch von mir denken: An Lady Gaga interessiert mich einzig und allein, wie man sie schreibt. Man schreibt sie ganz normal, so gaga ist die Dame nämlich gar nicht: vorne jeweils groß, dann durchgehend klein weiter. Wie deine Mudder. Nicht: GaGa. Bitte merken Sie sich das, liebe KollegInnen von der bunten Presse. Die Befolgung der korrekten Schreibweise eines Namens, der aus vier Buchstaben (und nur zwei unterschiedlichen) besteht, sollte auch von Ihnen nicht zu viel verlangt sein. In diesem speziellen Falle sollte es sogar zu Ihren Kernkompetenzen gehören.

Fischwoche vs. Japanwoche

Zum Anfang der Woche eine Zusammenfassung der letzten Woche, das waren nämlich zwei Wochen auf einmal: Auf 3sat war Japanwoche, in der Kantine meiner Firma war Fischwoche. Jemand da oben meinte es gut mit mir. Hier das vergleichende Protokoll.

Montag

Fischwoche: Frische Forelle. Ich erwarte selbstverständlich ein großes Becken auf dem Firmenparkplatz und den Chefkoch mit einer Angel zu sehen. Sehe ich aber nicht. Nur Fisch, der aussieht wie freitags, also stark paniert. Da ist noch Luft nach oben.

Japanwoche: Die Dokumentation über das Weltkulturerbe verpasse ich, ich bin noch zu beschäftigt mit Mass Effect, meinem Lieblingsspiel. Voll da bin ich erst zur Reportage über den Schienenverkehr. Es stellt sich heraus, dass japanische Bahnunternehmen bei der Planung von Abläufen, Bahnhöfen und Fahrzeugen offenbar ein Hauptaugenmerk auf die Zufriedenheit des Fahrgastes legen. Davon ist man in Deutschland noch weit entfernt, das hiesige Bahnunternehmen schert sich nicht mal um das Überleben seiner Fahrgäste.

Danach österreichische Nachrichten (man ist national besoffen vom Golden-Globes-Doppelsieg, den auch Deutschland gerne für sich beansprucht), schließlich eine Dokumentation über Ryuichi Sakamoto. Die wollte ich mir eigentlich sparen, aber es ist noch Wein in der Flasche. Ohne dass es Beef gäbe, bin ich kein ausdrücklicher Sakamoto-Anhänger. Seine Filmmusiken haben mich nie groß interessiert, weil mich die dazugehörigen Filme nicht groß interessieren. Seine frühen Popplatten finde ich offen gestanden sogar ziemlich furchtbar, aber das ist nicht schlimm sondern normal. Viele Japaner meines Alters geraten in Verzückung, wenn etwas von Yellow Magic Orchestra gespielt wird, während ich, der ich diese Musik nur retrospektiv kennen gelernt habe, sie bloß unvorteilhaft aus der Zeit gefallen finde. So ist das mit den Soundtracks der Kindheit und Jugend: Man muss wohl dabei gewesen sein. Die Kinder bei uns im Haus schauen auch nur ratlos und besorgt, wenn ich mit meinen Plastikpistolen hinter der Ecke hervorspringe und „Stand and deliver!“ kreische.

Im Filmportrait erweist sich Sakamoto als ein angenehmer Mensch und Gesprächspartner, der sich stets bemüht, auch auf doofe Fragen originell zu antworten. Das ist zwar mitunter etwas krampfig, aber höflich. Gleich anfangs mag Fragesteller Gero von Boehm nicht auf die abgedroschene Frage nach dem Klang der Stadt New York verzichten (findet er so toll, dass er später in anderem Zusammenhang noch mal danach fragt). Wahl-New-Yorker Sakamoto strengt sich sehr an, um schließlich mit einer Antwort über Klimaanlagen zu kommen. Drollig: Japaner finden die USA häufig überklimatisiert, während viele Amerikaner dasselbe über Japan denken. Beide Seiten haben recht.

Ich werde beizeiten noch mal in Sakamoto reinhören. Voreilig gefasste Meinungen zu revidieren ist mein neuestes Hobby.

Fazit: Fernsehen war besser als Essen, eine Seltenheit. Fischwoche vs. Japanwoche Zwischenstand: 0:1.

Dienstag

Fischwoche: Frisches Lachsfilet. Wieder wird die Frische angepriesen, wieder sehe ich nirgendwo einen Angler. Überhaupt sieht das Lachsfilet aus wie die Forelle von gestern, schmeckt auch sehr ähnlich. Erste Kollegen werden unruhig und behaupten, es handele sich in Wirklichkeit in beiden Fällen um Scholle. Man könnte bei den Verantwortlichen nachfragen, aber das könnte ja jeder.

Japanwoche: Vom heutigen Programm bekomme ich nicht viel mit, weil ich am Dienstagabend immer in meinen Debattierklub muss. Als ich nach Hause komme, läuft nur noch Der Wald der Trauer, ein stiller Film über traurige Leute im Wald, der mir spontan gut gefällt, auf den ich mich nach einem einigermaßen schlauchenden Tag aber nicht mehr recht einlassen mag. Stattdessen schaue ich C.H.U.D. (Cannibalistic Humanoid Underground Dwellers) Panik in Manhattan!, damit ich besser schlafen kann.

Fazit: Für heute liegen zu wenige Informationen für eine Beurteilung vor. Ergebnis bleibt unverändert.

Mittwoch

Fischwoche: Es herrscht Einigkeit unter den Mitessern, dass bislang die Japanwoche besser war als die Fischwoche, das könnte sich aber heute ändern, die Fischwoche trumpft auf mit zarter Fischroulade und einem überraschendem Coup: lila Kartoffeln (die müssen so).

Japanwoche: Eine Reportage über russische Fischer auf den Kurilen, eine Inselgruppe, um die sich Japan und Russland gerne streiten. Der Streit ist eigentlich interessanter als die Fischerei, aber das ist nur meine Meinung, und auf die würde ich mich nicht mal selbst verlassen. Ich kann dies und alles Nachfolgende nur mit höchstens einem Auge sehen, weil Wasch- und Schreibarbeiten parallel erledigt werden müssen, und dass der Mensch nicht multitaskingfähig ist, ist wissenschaftlich erwiesen. Lassen Sie sich von Vorgesetzten, Personalern oder Motivationsheinis nichts einreden. Ich sehe noch ein paar Bilder von der Tokioter Spaßinsel Odaiba, auf der ich mal über eine Woche allein gefangen war (für einen Tagesausflug zu zweit ist sie ganz lustig), dann läuft der Horrorfilm Ring – Das Original. Das ist löblich, aber den kann ich schon zweisprachig mitsprechen, deshalb schaue ich Sword of the Stranger. Ist super, läuft aber außer Konkurrenz.

Fazit: Diese Runde geht an die lila Kartoffeln, auch wenn es ein wenig daran liegt, dass der Schiri abends nicht richtig geguckt hat. 1:1.

Jetzt kommt ein Bild aus Ring, weil so langsam mal ein Bild kommen muss:

Donnerstag

Fischwoche: Die Belegschaft ist außer Rand und Band, es gibt Spaghetti mit Garnelen. Meine Freude hält sich in Grenzen, denn das ist genau das, was ich immer zuhause mache, wenn mir nichts Besseres einfällt.

Japanwoche: Ärgerlich: Die Dokumentation Von Geishas und Gameboys ist 16 Jahre alt. Dafür kann sie nichts, aber durch die ungenügende Erwähnung dieses Umstands wird dem unbeleckten Zuschauer der Eindruck vermittelt, all die gezeigten kulturellen Trends und gesellschaftlichen Umwälzungen seien brandneu. Noch ärgerlicher ist der bevormundende Ton, den man häufig in solchen Reportagen hören muss. Westliche Beobachter wissen ja immer viel besser als echte Japaner, was echte japanische Kultur ist. Alles, was modern ist, wird hier ohne Fachkenntnis und ohne jede Bereitschaft zum genaueren Hinsehen als eklig amerikanisiert abgetan, nur Geisha, Samurai & Co. gelten als authentisch japanisch. Dass die traditionelle japanische Kultur stark von China, Portugal und sonstwo beeinflusst ist, wird nicht erwähnt. Ist wohl nicht so schlimm wie amerikanische Beeinflussung. Die Tonlage ist die, in der es im Nachkriegsfernsehen häufig besorgt hieß: „Diese jungen Leute und ihre ‚Beat‘-Musik …“

Bei scobel hat Scobel drei Gäste. Einer erzählt hanebüchenen Unsinn, einer drückt sich etwas umständlich aus, einer wird immer abgewürgt, wenn er ansetzt was Vernünftiges zu sagen, und überhaupt hört Scobel am liebsten Scobel scobeln. Okay, diese Urteile sind extrem unfair (außer das zu Scobel, das trifft den Nagel auf den Kopf), da sie sich nur auf die knapp zwei Minuten beziehen, die meine ungeteilte Aufmerksamkeit haben. Ansonsten bin ich stark abgelenkt durch äußere Einflüsse wie Telefon und Internet.

Als Film gibt es Das verborgene Schwert. Ein hervorragender Film, den ich aber kürzlich erst aus freien Stücken gesehen habe, da muss ich ihn mir nicht heute schon wieder vom Fernsehen aufzwingen lassen. Stattdessen gönne ich mir Ichi – Die blinde Schwertkämpferin. Ganz okay, aber ein bisschen wenig Ichi für einen Film namens Ichi – Die blinde Schwertkämpferin. Manchmal kommt mir die dauerhaft Flunsch ziehende Protagonistin auch vor wie Ichi – Die stumme Schwertkämpferin. Dabei schaue ich doch solche Filme teils auch aus spracherzieherischen Gründen. Falls es eine Fortsetzung gibt, heißt die dann eigentlich Ichi Ni? Entschuldigung, kleiner Linguistenscherz.

Fazit: Spaghetti mit Garnelen, Klassiker. Die Fischwoche geht 2:1 in Führung.

Freitag

Fischwoche: Irgendein Fisch in sehr viel Tomatensauce, die sehr gut ist.

Japanwoche: Am Freitagabend kommen selbstverständlich die leichten Themen. Zuerst: Kamikaze. Kann ich nicht gucken, wg. Terminkonflikt. Gegen Jauch kann keine Kamikaze was ausrichten. Danach Börse. Für eine Börsensendung relativ unterhaltsam, auch wenn man sich nicht die Bohne für den Quatsch interessiert. Etwas unseriös: Ein Filmbericht erweckt den Eindruck, als habe der neueste Premierminister Yukio Hatoyama seine berüchtigte Schlagerplatte aktuell zur Aufrüttelung seines Volkes aufgenommen, dabei handelt es sich um eine 20 Jahre alte Fortysomething-Sünde.

Fazit: Die Tomatensauce war schon sehr gut. 3:1 für Fischwoche. Das ist eine ziemliche Überraschung.

Sagte vorhin jemand Kamikaze? Dann kommt jetzt der Trailer für den Spielfilm Kamikaze Girls:

Samstag

Fischwoche: Mit der Arbeitswoche ist freilich auch die Fischwoche offiziell um, aber ich bin findig und mache mir zum Frühstück ein Garnelenbrot mit Meerrettich unten und Jalapenos oben. Herrlich.

Japanwoche: Magere Ausbeute: eine Dokumentation über eine Feuerwerkerin. Interessiert mich nur oberflächlich, schaue ich nur punktuell.

Fazit: Das Brot war besser, erstaunliche 4:1 für die Fischwoche.

Sonntag

Fischwoche: Dachte nie, dass ich das mal sagen würde: Ich kann nicht mehr. Heute gibt es Spaghetti ohne Garnelen, was Besseres fällt mir nicht ein.

Japanwoche: Auf die letzten Meter will es die Japanwoche noch mal so richtig wissen. Es geht schon morgens los, aber da habe ich noch keine Zeit, denn weil die Minusgrade jetzt nur noch einstellig sind, hat die Dauerlaufsaison wieder begonnen. Am Nachmittag bin ich folglich zu kaputt zum Fernsehen. Am frühen Abend bereite ich die Spaghetti zu und kann mich leider nicht auf die Dokumentation über Ringerinnen konzentrieren. Ich werde hellhörig, als „Kaoru, die Spanplatten-Schlampe“ erwähnt wird. Ich hätte gern mehr davon gesehen.

Dann endlich: Takashi Murakami, der kommerziellste Künstler der Welt. Ich liebe Murakami. Er kritisiert das Niedliche durch das Niedliche, das Oberflächliche durch Oberfläche und macht damit einen riesen Reibach von Insassen der „superflachen“ (Murakami) Gesellschaft, die er kritisiert. So verlogen mindestens sollte gute Kunst schon sein. Selbstverständlich besitze auch ich ein paar Murakamis, soll ich mal zeigen?

Hier, meine Murakami-Mappen:

Und meine Buttons:

Es ist Kunst für das tägliche Leben. In einer Mappe transportiere ich die aktuellen Arbeitsbögen meines Japanischkurses, in einer sammle ich auf Reisen lose Blätter, eine hat ihren Zweck noch nicht gefunden, bis dahin bleibt sie originalverpackt und mint. Murakami hat jeden Yen redlich verdient, den ich dafür bezahlt habe.

Danach eine Doku über Essen in Japan, wurde ja Zeit. Gut und umfangreich, nur der Peter-Lustig-Bob-Ross-Erzählton nervt ein wenig. Anstatt genau zu analysieren, zeige ich ein Foto, auf dem ich Okonomiyaki mache:

Und dann badende Affen und Schluss, jetzt gucke ich noch irgendeinen bekloppten Tomie-Film, dann muss ich ins Bett, und nächste Woche will ich von Fisch und Japan nichts hören.

Fazit: Niemand schlägt Kaoru, die Spanplatten-Schlampe. Heute drei Punkte für Japan. Insgesamt: ein harmonischer 4:4-Gleichstand.

Mea Culpa Effect (Collector’s Edition)

Tut mir leid, was ich vorhin über das Telespiel Mass Effect geschrieben habe, ich hatte wohl was Falsches gegessen, vielleicht war mir sogar eine Laus über die Leber gelaufen. Das Spiel ist doch ganz gut. Bitte schreiben Sie keine bösen Leserbriefe mehr.

Es ist nicht so gut, wie alle sagen, aber es ist trotzdem ganz gut. Einige Aspekte sind katastrophal schlecht (Inventarsystem, Fertigkeitensystem, Kampfsystem), aber es ist trotzdem ganz gut. Es hat nicht so viele Bikini-Samurai wie Bikini Samurai Squad, aber es ist trotzdem ganz gut. Eigentlich ist so gut wie gar nichts gut an Mass Effect, aber es ist trotzdem ganz gut. Es ist diese Sache mit der Summe und den Einzelteilen.

Die Pauschalkritik an der Rassenlehre in der Science Fiction bleibt bestehen, auch die Detailkritik am Textinformationsoverload des Spiels, aber wenn man mal mit beiden Augen darüber hinwegsehen kann, ist das Ganze im Rahmen seiner Möglichkeiten eine feine, komplexe Weltraumabenteuerschnurre, in der man sich bestens verlieren kann. Wenn das so weitergeht, spiele ich womöglich auch noch Teil 2.

Woher der plötzliche Sinneswandel? Trunken von meinem Furor wollte ich gestern nach dem Bloggen sofort das Spiel von meiner Xbox löschen, damit ich es nie wieder sehen müsse. Ich habe aber nicht herausgefunden, wie oder ob überhaupt das geht. Und da dachte ich mir: So. Wenn ich das Mistding nicht löschen kann, dann spiele ich es einfach weiter, wo ich schon mal davor sitze, das hat es jetzt davon, haha!

Aber das Spiel hat zuletzt gelacht. Ist halt ein Spiel, das erst nach sieben Stunden so richtig gut wird.

Jetzt einen Trailer von Mass Effect oder Mass Effect 2 zu zeigen, wäre total langweilig. Deshalb lieber einer von Bikini Samurai Squad:

Aber langhaarige Profikiller sind trotzdem affig.

Next-Gen Romcom: Xbox und ich

Plötzlich der Gedanke: Mensch, ich würde auch gerne mal eines von diesen modernen Telespielen spielen, von denen alle immer sprechen. Leider läuft auf meinem Computer nur Monkey Island 2 einigermaßen ruckelfrei. Ich sehe das aber gar nicht ein, dass ich mir nach kaum 20 Jahren schon wieder einen neuen Computer kaufen soll, also habe ich mich für eine Xbox 360 entschieden. Sony ist mir als Konzern emotional unsympathisch.

Beim Auspacken war ich erstmal enttäuscht. Die neue Xbox ist ein bisschen das Gegenteil der alten. Die alte sah auf Fotos aus wie etwas, was nur ein Automechaniker lieben kann, aber in natura … okay, auch nicht viel besser, aber halb so wild wie befürchtet. Die neue hingegen wirkt in der Werbung sehr elegant, sieht aber zuhause aus wie Heizkörper. Macht ja nichts, man guckt ihr schließlich auf die Spiele, nicht aufs Gehäuse. Fünf Spiele habe ich mir auch gleich zugelegt, zwei aus Überzeugung, drei weil sie günstig waren und ich doof bin. Das eine Günstige heißt Fable II, es scheint irgendein Fantasy-Quatsch mit einem Hund zu sein. Ich habe das Handbuch angelesen und war nicht überzeugt. Wahrscheinlich werde ich es nie spielen. Ein Spiel von Software-Legende Peter Dingsbums, Sie wissen schon, der, der im vorindustriellen Zeitalter mal einen Hit hatte und seitdem teure Flops produziert. Eigentlich also ganz sympathisch. Aber trotzdem. Scheinbar anscheinend eines dieser Spiele, die sind, wie das echte Leben ist: Wenn man viel isst, wird man fett. Wenn man was Anständiges lernt, bekommt man einen langweiligen Beruf. Erinnert mich an den historischen 2-Minuten-Hype Shenmue, der vorbei war, als man merkte, dass Milchkaufen im Videospiel genauso aufregend ist wie Milchkaufen im wirklichen Leben. Das ist das Kreuz mit diesen übereifrigen Streber-Spieledesignern. Sie begreifen nicht, dass ein Spiel ein Spiel ist, wenn es etwas Spielerisches hat. Man beschäftigt sich mit etwas, was fern des eigenen Alltags ist. Ich brauche kein zweites Leben, vielen Dank, das erste geht noch. Nicht umsonst wird viel lieber Cowboy & Indianer gespielt als Content Manager & Pediküre. Was kommt als nächstes, Steuererklärung of Duty 5: The Reckoning of Oblivion of Redemption?

Das zweite Spiel, bei dem ich skeptisch war, heißt (und jetzt kommt die Originalität ganz dicke): The Darkness. Es basiert auf einem Comic, der mich seinerzeit extrem gelangweilt hatte, und den ich deshalb nicht mehr zusammenbekomme. Gedanke: Ist als Spiel vielleicht besser. Erkenntnis: Nö, eher im Gegenteil. Wenn ich auf Memmen-Schwierigkeitsgrad schon während des Vorspanns deutlich öfter als fünfmal sterbe, dann spricht das nicht für ein Spielerlebnis, auf das ich mich so richtig freue. Dabei spiele ich Shooter generell so vorsichtig, wie es geht. Permanent geduckt, also wie im richtigen Leben. Früh im Spiel möchte man Erfolgserlebnisse statt Ladezeiten. Sterben kann man später immer noch.

Stellt sich heraus, dass The Darkness von einem langhaarigen Profikiller handelt. Das ist zusätzlich schlecht. Wenn es eine Berufsgattung gibt, die mir total über ist, dann ist das die des Profikillers. Im Erzähluniversum der Unterhaltungsindustrie ungefähr sowas wie der Einzelhandelskaufmann im realen Leben. Man begegnet ihnen an jeder Ecke, und irgendwann ist man es über. Und mit langhaarigen Männern ist das so eine Sache. Ich möchte nicht sagen, was für eine Sache, denn das würde redlichen und klugen langhaarigen Männern, die es durchaus gibt und die mir bekannt sind, vor den Kopf stoßen. Ich lasse also lieber die bewundernswerte Modejournalistin Hadley Freeman sprechen, zitiert aus ihrem Buch Meaning of Sunglasses:

”Name me a single time when long hair has improved a man’s look and I will personally come around to your house and tap-dance naked on your coffee table.”

Ich schließe mich gerne an, falls jemand das eine gute Idee findet (aber nur, wenn Frau Freeman auch wirklich mitmacht). Jedenfalls illustriert dieses Zitat, warum ich den Protagonisten von Darkness abgesehen von seinem unoriginellen Beruf auch optisch nicht recht ernst nehmen kann. Ein weiteres No-Go sind die drittklassigen Scorsese-Dialoge (also quasi Tarantino-Dialoge).

Eines der Spiele, die ich mir aus Überzeugung gekauft habe, ist Dead Space. Man spielt einen Weltraummechaniker, der auf einer Weltraumstation gegen Weltraummonster kämpft. Der Weltraummechaniker heißt Isaac Clarke, was bestimmt der nerdigste Weltraumname aller Zeiten ist (was man aber freilich nur als Riesennerd bemerkt). Man hat Spiele, in denen man durch dunkle Gänge schlurft und in regelmäßigen Abständen von fauchenden Monstern angesprungen wird, schon etwas zu oft gespielt um davon noch feuchte Fingerchen zu bekommen, aber der Spaß ist hier auch ohne die Furcht noch da.

Bis diese blöden Meteoriten kommen.

Ich pack das ni-hi-hi-hicht! Kann das mal jemand für mich machen? Die alle abschießen? Danach kann ich bestimmt wieder alleine. Ich hab längst jeden Stolz verloren, ich würde auch einen Cheatcode nehmen, um die Stelle zu überspringen. Scheint es aber nicht zu geben. Falls doch, bitte schicken Sie. Aber wirklich nur Cheatcode. Keine warmen Worte, Durchhalteparolen oder taktische Verhaltensregeln. Hab ich alles recherchiert, hab ich alles versucht, hat alles nicht gefruchtet. Mal halte ich länger, mal kürzer durch, aber es endet immer damit, dass ich explodiere.

Es ist sehr frustrierend und überhaupt nicht zu tolerieren, wenn ein eigentlich anständiges Spiel durch eine konzeptionell völlig aus dem Rahmen fallende Passage mittendrin aus heiterem Himmel unspielbar wird. Was Spielprinzipien angeht, bin ich puristisch. Ich mag es nicht, wenn ein Egoshooter plötzlich von mir verlangt Auto oder Boot zu fahren, dafür bin ich nicht gekommen. Und ich mag es erst recht nicht, wenn ich mich in einem Nullerjahre-Action-Adventure durch Achtzigerjahre-Spielhallen-Gedrücke daddeln muss. Schade, Dead Space, ich hatte wirklich das Gefühl, dass das mit uns was Ernstes hätte werden können. Aber so nicht.

Im Weltraum hört dich niemand gähnen: Eine noch größere Enttäuschung ist das zweite Überzeugungsspiel, Mass Effect, aber das wenigstens von Anfang an. Immerhin macht das Spiel einem nichts vor. Mein Denkansatz im Vorfeld war: Juhu, ein Science-Fiction(!)-Rollenspiel mit einem eigens dafür (!) kreierten Handlungshintergrund. Kein Elfendrachenzwerge-Mumpitz, keine Übernahme aus Film und Fernsehen, alles neu. Pustekuchen, gar nichts neu. Es ist der übliche Sternenallianzenunsinn, der einem seit den Sechzigern aus den Ohren rauskommt, und der aus unerfindlichen Gründen als humanistisch vorbildlich gilt, obwohl er bloß dumpfste Kolonialherrenmenschenmentalität ausdünstet: Außerirdische sind zwar ganz okay, aber so richtige Menschen sind eben doch nur die Menschen. In der Science Fiction funktioniert die Rassenlehre noch ganz fantastisch: Die von diesem Planeten sind alle gefühlskalte Logiker, die von jenem allesamt gierige Geizhälse. Nur die guten alten Menschen von der guten alten Erde können alle immer alles sein.

Selbst wenn man gewohnheitsmäßig jede Form von Vernunft als „politische Korrektheit“ verunglimpft und sich am Muff von tausend Jahren nicht stört, wird man in Mass Effect wenig Freude haben. Man kann keine zwei Meter laufen, ohne dass einem seitenweise neue, endlos öde Textinformationen zu Politik und Gesellschaft, Flora und Fauna ins virtuelle Logbuch gespeist werden. Die meiste Zeit des Spiels verbringt man mit Lesen. Endlich ein Textadventure, dass die Möglichkeiten der Next-Gen-Konsolen voll ausnutzt.

Ewige sechs Stunden habe ich mich mit Mass Effect rumgeärgert, ehe ich einsah und aufgab. Ich möchte jetzt nicht das bedenkliche Hardcore-Argument hören, dass das Spiel erst „nach 20 Stunden so richtig gut“ wird. Ich glaube, mein Schwein pfeift! So lange kann ich nicht warten, ich bin doch kein Zen-Buddhist. Sechs Stunden sollten reichen um beurteilen zu können, ob etwas Spaß macht oder nicht. Und Spaß finde ich bei Spielen enorm wichtig.

Apropos Spaß: Es gab dann doch noch ein Happy End: Eternal Sonata.

Eternal Sonata ist ein japanisches Fantasy-Rollenspiel, das im Fiebertraum des sterbenden Frédéric Chopin spielt, und das ist genau so gut, wie es sich anhört. Man kann Monster verkloppen und lernen. Nach jedem abgeschlossenen Kapitel kommt ein ziemlich langes Lehrvideo über das Leben von Chopin. Alle Helden und Schurken haben musikalische Namen wie Beat, Jazz, Allegretto. Man kann Partituren sammeln und mit Nichtspielerfiguren jammen. Die Hauptheldin Polka ist aufgerüscht angetan, kämpft mit ihrem tragbaren Sonnenschirm und entschuldigt sich höflich, wenn sie jemandem eine runtergehauen hat. Frédéric kämpft freilich mit dem Taktstock.

Ich möchte nicht behaupten, dass es eine komplett unkomplizierte Beziehung wäre. Manche Abschnitte von Eternal Sonata sind schlicht zickig, bilden sich Gott weiß was ein auf ihre Unübersichtlichkeit. Aber es sind die schönen Momente, die im Gedächtnis bleiben. I like Chopin.

Die Kundendurchleuchtungsmaschinerie eines beliebten Internetversandhändlers hat übrigens festgestellt, dass verdächtig viele Kunden, die mein Buch gekauft haben, auch Eternal Sonata gekauft haben. Das freut mich aufrichtig. Ich wünschen Ihnen viel Vergnügen mit Ihren Einkäufen.

Die Nachrichten: Das Manifest

Ich habe mich mal wieder für das Online-Magazin Das Manifest als Asienexperte aufgespielt. Hier die Ergebnisse:

20th Century Boys (Japan)

King Naresuan – Der Herrscher von Siam (Thailand)

Blood & Flowers – Der Wächter des Königs (Südkorea)

Es sieht außerdem so aus, als wäre meine Berichterstattung zum Asia Filmfest 2009 jetzt fertig.

Die Nachrichten: Jetzt Hamsterkäufe – morgen ist Sonntag!

Diese Nachricht ist veraltet, der Laden wurde geschlossen.

Und wenn Sie schon einen Hamster haben, finden Sie vielleicht etwas Anderes auf der Shopseite meiner Homepage, die mit sofortiger Wirkung die Nachrichtenseite ersetzt. Es ist ein SHOP! Im INTERNET! Sollte das noch nicht Innovation genug sein: Es ist der erste SHOP im INTERNET, in dem es ausschließlich gute Produkte aus den besten Ländern der Welt gibt. Bitte kaufen Sie mindestens ein Exemplar von jedem Artikel, nehmen Sie notfalls einen Kredit auf. Bedenken Sie auch, dass Weihnachten vor der Tür steht. Oder gehören Sie etwa zu den gottlosen Hektikern, die erst im August anfangen Weihnachtsgeschenke zu kaufen?