Eilmeldung: Koreanische TV-Serie Riesen-Hit in Japan!

Weitere Top-Nachrichten des Tages: Heute Morgen U-Bahn schon wieder voll! Schnee auf dem Fujiyamaberg gesichtet! Japaner gesteht: Ich steh auf Kirschblüten und habe Fotos davon gemacht!

Gut, es ist nicht ungewöhnlich, dass südkoreanische TV-Unterhaltung in Japan ein begeistertes Publikum findet. Etwas aber ist besonders an Iris, seit Mittwoch auf TBS. Es ist die erste koreanische Fernsehserie, die zur besten Sendezeit auf einem der großen terrestrischen Gratis-Sender läuft. Normalerweise gibt es Korea-TV nur auf Bezahlkanälen oder zu Sendezeiten, zu denen die Männer nicht mitbekommen, wofür ihre Frauen schwärmen. Iris genießt erhöhtes Interesse in Japan, da das Agenten-Drama genregerecht in aller Welt gedreht wurde, eben auch in Japan, in der Präfektur Akita. Müssen Sie jetzt nicht hin, zu viele Iris-Touristen. Die Ausstrahlungsrechte am Straßenfeger hat sich TBS einiges kosten lassen. 400 Millionen Yen sagt man, das ist umgerechnet eine Menge Geld.

Ich konnte es selbst kaum erwarten. Wenn man mehrmals am Tag am großen Iris-Poster am örtlichen Bahnhof vorbei geht, hat man keinen freien Willen mehr. Ich war bereits am Dienstag so weit, hatte mir extra ein traditionelles koreanisches Gericht zubereitet (Spaghetti mit Kimchi), und dann erst festgestellt, dass noch nicht Mittwoch ist. Wochentage bereiten einem Schwierigkeiten, wenn man keiner kontrollierten Beschäftigung nachgeht. Ich rechne momentan nicht nach Montag, Dienstag, etc., sondern dank des japanischen Müllabholungssystems nach Brennbar-Tag, Nichtbrennbar-Tag etc. Auf Werbeplakaten sollten also nicht so schwammige Formulierungen stehen wie: „Ab Mittwoch!“, sondern: „Ab PET-Flaschen-Tag!“, zum Beispiel.

Gott sei Dank hatte ich vorgekocht, es war also am Mittwochabend noch genügend Folklorefutter im Topf. Iris erzählt von zwei dick befreundeten Agenten, denen schon auf der Schulbank dieselbe Agentin gefällt. Das geht lange gut, aber nicht allzu lange. Man überwirft sich und verrät einander, vermeintlich Tote leben unbemerkt weiter, und es gibt eine Untergrundorganisation namens Iris, die die bevorstehende Wiedervereinigung der Koreas verhindern möchte.

Iris ist eine Produktion für die ganze Familie. Es gibt genug Gewalt und laute Musik, um die Kleinen wach zu halten. Papa freut sich an verwegenen Kerlen, die verwegene Sachen mit Sportwagen und Satellitentechnologie machen, und sich dabei mitunter im männerbündischen Adrenalinrausch kehlig lachend gegenseitig auf Schultern schlagen. Mama freut sich, dass ihnen kein Anlass zu fadenscheinig ist, dabei das Hemd auszuziehen. Die Szenen mit halbnackt im Matsch rangelnden Soldaten kann man auch gerne homoerotisch finden, wenn es einem danach besser geht.

Mit anderen Worten: Eine Serie für beide Fraktionen des Bourne-Publikums. Für jene, die die Jason-Bourne-Filme wegen Matt Damon gucken, und jene, die sie trotz Matt Damon schauen. Und von 24 oder Cobra 11 ist man ohnehin ganz schnell kuriert. Hoffentlich hat RTL2 oder Tele 5 noch 400 Millionen Yen über.

Saori, ihm schmeckt’s nicht

Eigentlich sollte das der fünfte Teil der beliebten Sendereihe ‚Mein erstes Mal in Japan‘ werden, weil ich tatsächlich erst jetzt zum ersten Mal dazu gekommen bin, ein japanisches Kino von innen zu sehen. Vor ein paar Jahren hatte das Tokyo International Film Festival (TIFF) mein Akkreditierungsgesuch abgelehnt, danach habe ich lange geschmollt und komplettverweigert. Aber inzwischen sehe ich die Sache als verjährt an.

Es stellt sich heraus, dass Kino auch in Japan wie Kino ist. Ist dunkel, und vorne läuft ein Film. Hin und wieder kommen Leute rein und meinen, sie müssen trotz immenser Verspätung in einem dreiviertelleeren Saal auf genau die Plätze bestehen, die auf ihren Eintrittskarten angegeben sind, und allen die Sicht auf den Hauptfilm versperren, solange diese Plätze nicht gefunden sind. Manche Leute lachen an den falschen Stellen. Andere benutzen die dunkle Intimität des Kinosaals um mal wieder richtig miteinander zu reden. Mehrfach werden Dinge gegessen und getrunken, von denen mir schon meine Nase sagt, dass ich sie nie im Mund haben möchte. Die Magie namens Kino, sie ist international. Einziger Unterschied, der mir auffällt: Vor dem Film läuft keine Werbung für kinofremde Produkte. Liegt aber vielleicht daran, dass es sich um eine untertitelte Vorstellung für Ausländer handelt. Dachte man sich vielleicht, die verstehen unsere Bier- und Bindenwerbung eh nicht. Dabei braucht man nur zwei Worte um japanische Werbespots zu verstehen: atarashii (neu) und oishii (köstlich). Leider lernt man vom Schauen japanischer Werbung auch nicht viel mehr als diese beiden Wörter.

Interessanteres Thema als der Kinogang als solcher ist vielleicht das, was ich mir angesehen habe. Daarin wa gaikokujin – My Darling is a Foreigner ist gerade die Nummer 3 der japanischen Kinocharts, also im Grunde die Nummer 1 der japanischen Filme, denn wie alle Menschen außerhalb der USA schauen auch die Japaner am liebsten ausländische Filme, und so ist es für eine einheimische Produktion gerade schwierig gegen Leo in der Klapse und Aliens in Südafrika anzukämpfen. Der Film basiert auf einem autobiografischen Manga der Künstlerin Saori Oguri. Kannte ich vorher auch nicht, ist aber ein riesen Ding in Japan, wie ich jetzt an jeder Ecke feststelle. Schon im Kino lassen sich Mousepads, Kaffeetassen, Mobiltelefonschmuck und sonstige Gebrauchsgegenstände mit dem karikierten Konterfei der Hauptfiguren erstehen.

Als ich den Titel hörte, wusste ich: Dieser Film soll mein erstes Mal werden. Ich hätte ihn mir freilich auch ohne Untertitel angeschaut, aber meine Begleitung bestand darauf, dass ich welche brauche. Grund meines sofortigen Interesses an dem Stoff war, dass ich nach dem Trailer meinte, dies sei einer dieser Verkehrsunfallfilme: Es ist ganz schrecklich, aber man muss einfach hingucken. Dann las ich die erste wohlwollende Kritik. Bald die zweite. Es ging weiter in diesem Tenor, und schließlich kaufte ich den ersten Manga-Band. Es gibt inzwischen eine zweisprachige Ausgabe für Japaner, die Englisch lernen wollen. Im Buchladen findet man sie in der Abteilung für Ausländer, die Japanisch lernen möchten. Die Verwirrung ist perfekt. Der Manga setzt nicht auf langen erzählerischen Atem, sondern präsentiert monologische Kabinettstückchen aus dem Leben der Autorin mit ihrem Tony, einem perfekt japanisch sprechenden Amerikaner ungarisch-italienischer Abstammung. Inzwischen sind die beiden verheiratet, und die Comicserie geht auch munter weiter (wir gratulieren, ein Band heißt: My Darling is a Foreigner with BABY).

Ganz unumstritten ist Daarin wa gaikokujin unter in Japan lebenden Ausländern nicht, auch wenn im Titel das korrekte gaikokujin und nicht das böse gaijin verwendet wird. Dabei findet sich wenig Beklagenswertes im kuschelweichen Humor von Comic und Film. Tony ist ein knuddeliger Superheld, der besser japanisch spricht als die meisten Japaner und mehr auf Traditionen pocht als seine japanische Freundin/Ehefrau. Kritische Zungen fragen aber: Warum dieser Titel? Warum nicht: Mein Liebling trägt Bart. Oder: Mein Liebling heißt Tony. Tatsächlich basieren die meisten der kleinen Saori-Tony-Schnurren mehr auf den sehr spezifischen Eigenheiten der beiden Persönlichkeiten, weniger auf herkömmlichem Culture Clash. Trotzdem sage ich: Was soll’s. Ich mag den Titel. ‚Mein Liebling ist Ausländer‘ ist ein schönes Bekenntnis, gerade weil doch viele Einheimische mit einer derartigen Aussage nachwievor Probleme haben. Dass weder Film noch Manga in irgendeiner Weise aufmüpfig oder nassforsch daherkommen, sondern wirklich niemandem wehtun mögen, macht das ganze noch schöner. Der Film ist sehr cooler uncooler Mainstream. Es gibt zu viele Montagen zu Popmusik (u. a. von der deutschen Band Wagner Love, die man nur in Japan kennt), Hauptdarstellerin Mao Inoue ist etwas zu quirlig, und es wurden ein paar allzu filmische Dramaturgiekniffe herbeifantasiert, die in der Vorlage nicht vorkommen (der Vater ist im Film gegen die Beziehung, im Comic nicht; eine Beziehungskrise kurz vor Akt 3 findet in der Vorlage ebenfalls nicht statt). Und obwohl man das durchschaut, kämpft man gegen die aufrichtigen Tränen. Verdammt.

Bonus-Information

Weil es Sie brennend interessiert und total beeindruckend ist: Der Tony-Darsteller Jonathan Sherr ist ein Freund des Englischlehrers einer Freundin von mir. Er soll ganz nett sein.

Erdbeerpille statt Plastik

Fremde Kulturen, muss man immer vorsichtig sein. Dem Japaner seine Plastiktüte zu nehmen ist ein ähnlich heikles Thema, wie dem Amerikaner seine Mordwaffe nehmen zu wollen. Vor der geistigen Fernsehkamera steht Toshiro Mifune, gealtert aber noch lebendig, eine Plastiktüte triumphierend über den Kopf haltend und mit bedrohlichem Bass intonierend: „From my cold dead hands!“ Tosender Beifall landaus, landein.

Man bekommt bei jedem Einkauf in japanischen Supermärkten vorsichtshalber doppelt so viele Plastiktüten, wie man benötigt. Auch in anderen Geschäften ist die Tüte selbstverständlicher als der Kassenbon. Deshalb tragen Japanerinnen die Handtasche grundsätzlich in der Armbeuge. Die Hand muss frei und bereit sein für die nächste Plastiktüte, die schon hinter der nächsten Ecke lauern könnte. Meine Theorie.

Aber Umweltschutz ist in Japan genauso beliebt wie jedes andere Thema, zu dem sich niedliche Maskottchen erfinden lassen. Deshalb schleichen sich langsam aber erfolgreich Reformen ein. In der Kaufhauskette Seiyu (engl.: Wal-Mart) kann man auf das Plastik freiwillig verzichten und spart pro Einkauf 2 Yen (aufgerundet 1,6 Cents). Hammer, dachte ich zuerst, und meinte es jugendlich sarkastisch. Laut Zeitungsumfragen ist die Ersparnis aber wirklich für nicht wenige japanische Hausfrauen ein Grund, hin und wieder den eigenen Beutel mitzubringen. Das Prozedere ist landesüblich diskret, man muss mit dem niederen Bediensteten an der Kasse kein Wort wechseln. Man nimmt sich eines der bereitgehängten MyBag-Schilder (mit dem niedlichen Tütenmaskottchen drauf), legt es in den Korb zu den anderen Einkäufen, und man bekommt automatisch 2 Yen vom Endbetrag abgezogen und keine einzige Plastiktüte.

Nun habe ich gerechnet (soll nicht wieder vorkommen): In einer ereignislosen Woche ohne großen Kaufrausch bekommt man ca. 14 Plastiktüten, wenn man nicht aufpasst. Also im Schnitt zwei pro Tag. Wenn man wirklich nur das Nötigste kauft. Ja, ich habe Strichliste geführt, man kommt nicht raus aus seiner Haut. Beschränkt man sein Einkaufsverhalten auf Häuser, die der 2-Yen-MyBag-Regel folgen, spart man in der Woche also … warten Sie … 28 Yen. Als trauriger trotzig stolzer Single-Haushalt. Was bekommt man für 28 Yen? Ich dachte: Nüscht. Dachte ich aber auch nur. Ich habe mal genauer geschaut und bin fündig geworden. Man bekommt zum Beispiel diese roten Dinger:

Oder diese zwei Sachen:

Bei beiden Szenarien kriegt man sogar noch was raus.

Aber was soll das sein? Wollen wir mal schauen? Au Prima!

Die roten Dinger, die aussehen wie die Pille zum Üben, kann man erwartungsgemäß essen, schmecken entfernt nach Erdbeere, die Verpackung verspricht das auch. Für den Preis muss man sich nicht als Gastrokritiker aufspielen.

Das Längliche ist sowas:

Sieht lecker aus, aber ich hatte gerade erst den sehr sättigenden Veggie-Burger in Tokios hipster Burgerbraterei Arms (in der Nähe des Westeingangs des Yoyogi-Parks auf der anderen Straßenseite; fast genau gegenüber von dem der Nase nach [gesehen von Yoyogi-koen Haltestelle] danach folgenden Eingang, dessen Namen ich vergessen habe; halt da, wo der Parkplatz ist), jetzt kann ich nicht mehr.

Im anderen Ding auch so eine Art Biersnack. Obwohl aus dem Kinderregal, also Biersnack zum Üben:

Maske? Welche Maske?

Bitte bedenken Sie, wie viele Mäuler Sie mit Erdbeerpillen stopfen könnten, wenn Sie für einen größeren Haushalt oder über einen längeren Zeitraum einkaufen und dabei auf die Plastiktüte verzichten.

Unser Planet, ein süßes Maskottchen und ich (quasi noch ein süßes Maskottchen) sagen: Danke.

Mein erstes Mal in Japan (4): Yasukuni-Schrein

(Arbeitstitel verworfen: Shakira Kurosawa und der Tempel des Bösen)
(Ist nämlich gar kein Tempel, ist ein Schrein.)

Um den Yasukuni-Schrein hatte ich bislang einen großen Bogen gemacht, damit mich kein Paparazzo erwischt. Die Presse beobachtet sehr genau, wer sich dem Schrein wann wie weit nähert, und was er da macht. Zumindest die japanischen Politiker, und mit solchen werde ich wegen meiner herzlichen Art ständig verwechselt. Das Interesse ist so groß, weil der Schrein nicht nur offizieller Gedenkort für unschuldige Kriegsopfer ist, sondern auch für einige verurteilte Kriegsverbrecher des Zweiten Weltkriegs. Der Politiker, der sich hier sehen lässt, gilt redlichen Menschen also als zumindest fragwürdig. Muss ich nicht hin, hab ich immer gedacht, gibt genug Schreine für Vernunftmenschen.

Aber kennt man ja. Da gurrt plötzlich so ein junges Ding: „Wollen wir morgen Kirschblüten gucken gehen nach der Arbeit? Ich weiß einen guten Ort …“ Und schwupps ist man beim Yasukuni-Schrein. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Weltpresse: Ich schaue mir hier nur die Kirschblüten an, denn die Zeit rennt mir davon. Kirschblüten blühen nicht lange. Das Wetter ist immer schlecht, wenn ich frei habe, und immer toll, wenn ich den ganzen Tag Indoor-Termine habe. Jetzt musste so langsam was passieren, also hab ich mich bei Nieselregen und Dämmerung zum Yasukuni-Schrein abschleppen lassen.

Ist halb so wild. Die meisten Tage des Jahres ist der Schrein nur eine mittelprächtige Sehenswürdigkeit mit nur einem sichtbaren Wachtposten. Zum umkämpften Politikum wird er nur an staatstragenden Feiertagen.

Hier steht er, als könnte er kein Wässerchen trüben:

Hier mit Kirschblüten und Regenschirmen bei unvorteilhaften Lichtbedingungen:

Und es stimmt schon: Die Gegend um ihn herum, also grob zwischen und um den Bahnhöfen Ichigaya und Iidabashi, gehört zu den besten, um außerhalb von ausgewiesenen Parkanlagen Kirschblüten zu gucken. Wenn Kirschblüten, städtische Kanäle und Skyline optisch aufeinandertreffen, ist das reizvoller, als Kirschblüte in reiner Natur. Finde ich.

Aber ich bin kein Fotograf. Bitte schauen Sie selbst. Sie haben noch ein paar Tage, und morgen soll schön werden. Warten Sie nicht zu lange, denn zum Schluss der Saison fallen nicht nur Blütenblätter von den Bäumen, sondern auch Würmer. Und wer hat schon gerne Würmer in der Bierdose.