Falls es in Ihrer Fernsehzeitung nicht steht: Es ist Weihnachten! Das coolste Fest der Welt! Darum will ich heute gar nicht viele Worte machen, ich bin schon viel zu aufgeregt, es gibt Aal. Nur ein paar besinnliche saisonale Eindrücke aus Tokio, der weihnachtlichsten Stadt der Welt.
Im gediegenen Einkaufs-, Büro-, Gastronomie- und Kulturzentrum Roppongi Hills gibt es einen Weihnachtsmarkt wie bei Muttern im Garten: Hier hat es alles, was die Weisen aus dem Morgenland dem Jesukindlein an die Krippe brachten: Im noch gediegeneren Einkaufs-, Büro-, Gastronomie- und Kulturzentrum Tokyo Midtown, also zwei Ecken weiter, wird viel Licht angeknipst, wenn es dunkel ist: Die blauen Lichter fliegen bisweilen wild durch die Gegend, vielleicht wäre ein Video das bessere Medium, aber so neumodisch bin ich nicht. Ebisu ist die entspannte Flaniergegend für die Ü30-Flanierer wie Sie und ich, die zu gebrechlich sind für Shibuya und sich mit wechselndem Erfolg einreden, dass sie Shibuya sowieso total doof finden: Und als der Stern über Betlehem seine Position erreicht hatte, da sang für alle AKB48, die Guinness-geprüft meiste Band der Welt: [Ach, das Video, schon wieder wurde es entfernt. Mir fehlt die Kraft, erneut ein anderes Exemplar zu suchen, nur um es mir dann doch wieder entreißen zu lassen. Ich lasse es jetzt schwarz, als Mahnmal: Kinder, Videopiraterie lohnt sich nicht, man hat nur Ärger.] [Mich laust der Affe, jetzt sehe ich es wieder! Aber ich hab nichts gemacht, ehrlich. Bitte entscheiden Sie fortan selbst, ob das Video da ist oder nicht. Höhere Mächte scheinen im Spiel.] Und sie brachten mit sich den offiziellen AKB48-Weihnachtskuchen:Archiv für den Monat Dezember 2010
Fischstäbchen aus dem Weltall
Männer und Frauen müssen manchmal Kompromisse eingehen. Etwa im Kino, wenn sie partout nicht Paranormal Activity: Tokyo Night sehen mag, und er sich nicht für Knight and Day erwärmen kann. Dann ist beiden am besten gedient mit einem Film, der beide nicht die Bohne interessiert, zum Beispiel Space Battleship Yamato. Eine hoch emotionale Angelegenheit für Millionen von Menschen, denen die zugrundeliegende Zeichentrickserie (int.: Star Blazers) eine wohligwarme Kindheitserinnerung ist. Meine Kino- und Lebensbegleitung und ich gehören nicht zu diesen Menschen, aber die günstige Anfangszeit des Films hat uns restlos überzeugt.
Die Yamato ist ein Raumschiff im Wortsinne, soll heißen, es sieht wirklich aus wie ein Schiff, bloß dass es durchs Weltall schippert. Da ist es nur angemessen, dass der Kapitän aussieht wie ein alter Seebär, gespielt von dem lustigen Alten aus Nokan – Die Kunst des Ausklangs. Der liegt aber die meiste Zeit krank im Bett. Die Rettung der Erde vom Weltraum aus liegt in der Hand eines gut geföhnten jungen Hitzkopfes, der wie jeder Held in jedem japanischen Unterhaltungsfilm von einem Mitglied der Herrenband SMAP gespielt wird.
Jeder erlebt die Magie, die Space Battleship Yamato ist, auf seine eigene Art und Weise. Meine Begleitung berichtete hinterher, der Herr mittleren Alters links neben ihr (nicht zu verwechseln mit mir) habe über weite Strecken des Films hemmungslos geweint. Die beiden Mädchen rechts von mir hingegen mussten nur häufiger mal auf die Toilette. Oder Textnachrichten verschicken, oder was man sonst so in diesem Alter dringend zu zweit tun muss. Ich selbst blieb ungerührt an Ort und Stelle, vor allem auch, weil ich den ewigen Kampf gegen den Schlaf hier und da vorübergehend verlor. Nicht ausschließlich eine Frage des Films, auch eine des Lifestyles. Aber der Film war keine große Hilfe. Auch nicht die Blicke meiner Begleitung, die anzudeuten schienen, dass das alles meine Schuld sei. Dabei war Space Battleship Yamato ungelogen ihr Kompromissvorschlag, den ich lediglich abgenickt hatte.
Weil ich auf dem japanischen Ohr manchmal ein wenig taub bin, fragte sie nach dem Film: „Hast du denn auch alles verstanden?“
Ich sagte: „Also, diesen Film versteht nun wirklich jeder, der schon mal einen Science-Fiction-Film gesehen hat. Auch ganz ohne Ton.“
„A so. Deshalb hab ich ihn vermutlich kein Stück verstanden.“
Nach allem, was man so hört, ist Space Battleship Yamato bzw. Star Blazers vor allem wegen seiner faschistoiden männerbündischen Rituale und klaren militärischen Hierarchien so beliebt. Fans nah und fern seien beruhigt, all das hat den Real-Relaunch überlebt. Auch im modernen Kinofilm gibt es sie, die zackigen Begrüßungen, die schnieken Uniformen und den ekligen Gruppenmief herrlichen Teamgeist. Geändert hat sich allenfalls, dass inzwischen auch die Mädchen richtig mitmachen dürfen, wenn Außerirdische abgeknallt werden. Wenn es um das finale Opfer zum Wohle von Mutter Erde geht, ist das aber doch alleine Männersache, denn die Frauen werden noch zum Gebären gebraucht, sie müssen vor der Selbstmordmission also schnell in Sicherheit gebracht werden.
Wer bei so viel Romantik zum Schluss noch immer keinen Kloß oder sonstwas im Hals hat, der bekommt noch eine heisere Power-Ballade um die Ohren gedonnert, die den Rest erledigt. Ich dachte gleich: Oh je, wieder so eine schäbige J-Rock-Band, die mit abgedroschenen Phrasen in schlecht gereimtem Englisch versucht, wie Aerosmith zu klingen. Hatte ich mich aber geirrt, und ich entschuldige mich in aller Form bei allen schäbigen J-Rock-Bands. Der Song im Film stellte sich als written and performed by Steven Tyler heraus.
Noch besser:
Tokio Dekadenz Dry
Sagt die Frau so: „Möchtest du etwas Bestimmtes sehen, wenn du in Tokio bist?“
Sagt Mann: „Ich habe den Sky Tree noch nie gesehen, das schon jetzt höchste Gebäude der Stadt, obwohl es noch gar nicht fertig ist.“ „Kannst du von meinem Fenster aus sehen. Sonst noch Wünsche?“ „Etwas Weihnachtsbeleuchtung wäre nett. Tokyo Tower soll schön sein.“ „Kannst du auch von meinem Fenster aus sehen.“ Das haben wir jetzt davon: Ich leg mich wieder hin.