Wenn man bei einem Wohnungsumzug lange genug die Ruhe selbst gewesen ist, kommt zwischen Kistenpacken und Telekommunikationskundendiensthotlineheckmeck doch irgendwann der Zeitpunkt, an dem man merkt: Oh je, ich werde gerade ein kleines bisschen wahnsinnig. Dann ist es gut, wenn man schöne Musik hören kann, die einen daran erinnert, dass außerhalb brauner Kisten das Leben weitergeht und man wieder daran teilhaben wird, über kurz oder lang. Solch schöne Musik ist auf dem Album Marvelous Clouds von Aaron Freeman, das überraschend dieser Tage in mein Postfach flatterte. Ich hatte es zwar selbst aus einer Laune heraus importieren lassen. Da Import aber manchmal etwas dauert, hatte ich es zwischenzeitlich vergessen.
Aaron Freeman ist jemand aus einer wohl coolen Independent-Band von früher, ich komme jetzt nicht drauf welche, es war keine von meinen. Ist auch egal, denn ich wurde durch Rod McKuen auf dieses Album aufmerksam. Von dem kommen die Lieder, die darauf gesungen werden. Auf Rod McKuen wurde ich aufmerksam durch das von ihm verantwortete Sinatra-Album A Man Alone, das ich fand, als ich gerade in der Manneslebensphase war, in der man sich einbildet, unbedingt Frank Sinatra gut finden zu müssen. McKuen ist in gewissen Kreisen als Kitschdichter verschrien, doch wir Menschen eines gewissen Bildungsniveaus wissen, dass ‚kitschig‘ nur ein anderes Wort für ‚schön‘ ist. Mehr Worte dazu an dieser Stelle nicht. Nicht, weil ich nicht könnte. Ich könnte wohl, doch möchte ich nicht. Ich möchte lieber weiter Musik hören und Kisten auspacken. Was ich hingegen nie wieder hören möchte, ist der dumme Spruch, dass über Musik zu schreiben so wäre, wie über Architektur zu tanzen. Ich behaupte: Das sind völlig unterschiedliche Dinge. Die einzige Gemeinsamkeit ist, dass beides sehr gut geht. Ein Choreograf, der sein Geld wert ist, sollte ohne weiteres in der Lage sein, eine Wahnsinnschoreografie zu architektonischen Themen buchstäblich auf die Beine zu stellen. Genauso ist jemand, der schreiben, hören und denken kann, befähigt, etwas Vernünftiges über Musik zu schreiben. Wer anderes behauptet, ist bloß zu faul. Wie ich gerade, nur gebe ich es wenigstens zu. Weniger gute Umzugsmusik als das Album von Aaron Freeman ist das neue Album von Adam Ant, Adam Ant is the Blueblack Hussar in Marrying the Gunner’s Daughter, was selbstverständlich keine Herabsetzung ist. Nicht jedes gute Album muss gute Umzugsmusik sein. Man kann von Glück sagen, dass mein erster Importversuch dieser CD fehlgeschlagen ist und sie nicht rechtzeitig zur heißen Phase des Umzugs eingeflattert war. Da meine Mutter im Auftrag meiner abwesenden Verlobten ein strenges weibliches Auge auf die ästhetische Qualität der Aus- und Einräumungsaktivitäten hatte, hätte sich vermutlich folgender Dialog ergeben: Mutter: „Was ist das denn schon wieder für beknackte Musik?!“ Ich: „Ach Mama, das ist Adam Ant!“ Und dann wäre uns beiden schlagartig klar geworden, dass wir wieder genau da sind, wo wir vor 30 Jahren schon mal waren. Adam Ant is the Blueblack Hussar in Marrying the Gunner’s Daughter wird in Antkreisen kontrovers diskutiert. Viele sind der Ansicht, es hätte vor der Veröffentlichung produziert werden müssen. Andere, Klügere, finden diese Ansicht spießig. Mir fällt die angebliche Unterproduktion kaum auf. Wie jeder, der seine Jugend vorbildlich genutzt hat, höre ich eh kaum noch was. Verkürzt und völlig gerecht kann man sagen: An der Akzeptanz dieses Albums lassen sich die coolen Antfans von den uncoolen unterscheiden. Sollen letztere doch weiter motzen und Strip auf SACD hören. Wir hören ihnen gar nicht zu und können auch ohne sie glücklich sein. Bitte entschuldigen Sie mich jetzt, ich habe noch Kisten auszuräumen.