Shinjuku, Wimmelzentrum im westlichen Tokio und Heimat des geschäftigsten Bahnhofs der Welt, stellt zwei Schauplätze in meinem Kriminalroman Yoyogi Park.
Westlich von Shinjuku Station gibt es zunächst die bahnhofsgegendübliche Mischung aus Kauf-, Ess- und Trinkgeschäften (siehe oben), nach etwas längerem Fußmarsch findet man unter anderem das Stadtregierungsviertel und den Tokyo Opera City Tower mit Theater, ein paar Cafés und etlichen Büros. Dort habe ich die Studios und Büros des fiktiven Fernsehsenders hineinfantasiert, bei dem der fiktive Fernsehproduzent Kaito Matsuyama arbeitet. Als ich selbst dort war, wusste ich das leider noch nicht, deshalb habe ich nur ein einziges Foto dort geschossen beziehungsweise schießen lassen, das zu diesem Buch in keinerlei Beziehung steht: Es wurde aufgenommen in einem Café in einem der oberen Stockwerke. Von dort hat man mit der richtigen Brille eine Aussicht über Shinjuku (und einiges mehr), die dieser sehr ähnlich ist: So in etwa dürfte Kaito das aus seinem Büro sehen (die Brille ist jedoch nicht seine). Möglicherweise hat er von dort sogar Blick auf den Yoyogi Park, sehr verdächtig: Östlich des Bahnhofs ist das Vergnügungsviertel Kabukicho, östlich von dem wiederum das Kneipenviertel Golden Gai. Das lässt sich verschiedentlich übersetzen, ich habe mich im Roman für die Variante ‚Goldene Straße‘ entschieden, aus poetischen Gründen. Dabei handelt es sich eigentlich nicht um eine, sondern um mehrere enge und kurze Straßen, in denen eine Mini-Kneipe an der anderen steht: Keine von denen heißt ShiroX. Außer der in meinem Roman, die ich erfunden habe, und in der sich gewisse Ereignisse dramatisch zuspitzen. Wegen ihrer geringen Größe sind die Kneipen in der Goldenen Straße vor allem Orte für Stammkunden. Einige lassen gegen Aufpreis aber auch Fremde, manchmal sogar Ausländer, rein, wenn gerade Platz ist. Ich verbrachte einmal einen recht vergnüglichen Abend im Cremaster, benannt nach Matthew Barneys gleichnamigen Kunstfilmzyklus. Die Bedienung des Abends briet mir fette Fleischbrocken als Zugabe zum Bier, und ich brachte es nicht übers Herz ihr zu sagen, dass ich zu jenem Zeitpunkt fast sowas wie ein richtiger Vegetarier war. Es schmeckte sehr gut. Im Gegenzug rückte ich ihr Deutschlandbild ein wenig zurecht. Sie wusste nämlich vorher nur zwei Dinge darüber: dass es dort jeden Tag schneit, und dass die Landessprache Englisch ist (stimmt ja auch bald). Wir wollen die Mücke nicht elefantisieren, in Deutschland herrschen sicherlich kuriosere Ansichten über Japan. Selbstverständlich ist die Goldene Straße ein Ort großer philosophischer Erkenntnisse: Auf dieser lebensbejahenden Note wollen wir heute enden und sehen uns nächstes Mal an, wo die Polizei ihre Leichen aufschneiden lässt.