Im letzten Jahr gab es einschneidende Veränderungen in meinem Leben, zum Beispiel bin ich Facebook beigetreten. Vorher hatte ich meine Verweigerung zu einer Lebenseinstellung hochgejubelt, möglicherweise war sogar einmal die Rede davon, man dürfe mir jederzeit die Kehle durchschneiden, wenn ich doch bei diesem Quatsch erwischt werden sollte. Das nehme ich hiermit zurück: bitte nicht mehr die Kehle durchschneiden. Ich bin Facebook beigetreten, weil ich gehört hatte, dass man damit explosionsartig mehr Bücher verkaufen kann. Das hat sich nicht bestätigt, dafür weiß ich jetzt viel mehr über die Trinkgewohnheiten und das Intimleben meiner Kindheitsfreunde und Arbeitskollegen. Es hat sich also trotzdem gelohnt. An meinen hauptsächlichen Facebook-Erkenntnissen möchte ich Sie an dieser Stelle teilhaben lassen.
Ich weiß nicht, wofür „Gruppen“ da sind Ich freue mich zwar, dass mir die anderen Mitglieder des Bruce-Lee-Fanclubs jeden Morgen ein paar Hundert Fotos von Bruce Lee auf die Startseite klatschen, zum Beispiel solche: Aber ich weiß nicht warum. Ich bezweifle, dass es inzwischen noch „seltene“ Fotos von Bruce Lee gibt (und falls es sie jemals gab, ist damit seit Facebook Schluss). Und bevor noch mal jemand ganz aufgeregt das Bild postet, auf dem der erwachsene Bruce Lee (gestorben 1973) und der erwachsene Michael Jackson (geboren 1958) Arm in Arm stehen: das ist ungefähr so authentisch wie das Foto, auf dem Gandhi und Justin Bieber sich in den Armen halten. Liest wahrscheinlich eh wieder keiner, und nächste Woche ist das Bild wieder mindestens fünfmal drin. Selbstverständlich werde ich aus dem Bruce-Lee-Fanclub niemals austreten, das ist eine Ehrensache. Anders sieht es bei diesen ganzen Gruppen für „Autoren“ aus. Bislang konnte mich keine halten. Es scheint zwei Arten davon zu geben: solche, die Eigenwerbung zulassen, und solche, die das nicht tun. In der ersten Kategorie gibt es nichts als Eigenwerbung, die exakt niemanden erreicht, weil in diesen Gruppen nur Mitglieder sind, die sich ausschließlich für ihre eigene Eigenwerbung interessieren. In den Gruppen, die Eigenwerbung nicht zulassen, gibt es zwei Arten von Beiträgen: Eigenwerbung und weinerliche Beschwerden über diese Eigenwerbung inklusive der Androhung, alles hinzuschmeißen, wenn die Mitglieder nicht sofort Vernunft annähmen. Freilich stellen die Beschwerdeführer selbst ebenfalls keine gehaltvolleren Beiträge ein. Ich würde gerne einer Autorengruppe beitreten, in der man ab und an gängige Recherchefragen in die Runde werfen kann und prompt eine kompetente Antwort bekommt, zum Beispiel: Weiß hier jemand, ob in den 70ern Passagierschiffe zwischen Südkorea und Hongkong verkehrten, und was eine einfache Fahrt gekostet hat? (Ernsthaft, weiß das jemand?) Falls irgendwer eine entsprechende Gruppe kennt: es wäre schön, wenn ich bei eurer Bande mitmachen dürfte. Gegen Politik lässt sich wohl nichts machen Ein bisschen angewidert bin ich davon, wie politisch es auf Facebook zugeht. Die politische Positionierung spielt für meine Anwiderung keine Rolle. Vor meiner aktiven Zeit war ich der Auffassung, Facebook sei eine Software zur Verbreitung von Katzen- und Frühstücksbildern, und das ist ganz genau das, was ich dort sehen möchte. Seien Sie unbesorgt: es gibt politische Räume in meinem Leben, ich bin weder Verweigerer noch Verdrossener. Meine Facebook-Startseite ist allerdings keiner der Orte, an denen ich die neuesten Variationen der immer gleichen Verschwörungstheorien zu Schweinesystemen und Schurkenstaaten von Antifa und Pegida lesen möchte. Kann ich aber wohl nicht ändern. Ebenso wenig kann ich daran ändern, jeden Tag ein paar Mal von immer denselben Pappenheimern zu lesen zu bekommen, wie bekloppt und inkompetent die bei Spiegel Online sind. Ja, Herrschaftszeiten, dann lest und verbreitet den Quatsch halt nicht! Mach ich doch auch nicht. Apropos „nicht lesen“: dem Aufruf von neulich, man solle alle seine Freunde rauswerfen, die Pegida und die sogenannte Bild-Zeitung „geliket“ haben, bin ich trotz grundsätzlichem Verständnis nicht nachgekommen. Ich habe nicht mal geprüft, wer das wäre, aus zweierlei Gründen. Der erste Grund ist selbstverständlich Angst. Es könnte ja jemand dabei sein, den ich wirklich kenne, nicht nur in Spaß. Da sage ich hinterher lieber, ich hätte von nichts gewusst, so deutsch bin ich. Der zweite Grund ist, dass manche Pappenheimer aus den richtigen Gründen das Falsche tun. Als ich noch im journalistischen Tagesgeschäft war, brachten nicht wenige durchaus redliche Kollegen jeden Morgen die Bild-„Zeitung“ mit ins Büro, zur Feindbeobachtung und Volksmundbelauschung. Ich fand diesen Ansatz damals schon falsch und empfinde noch heute so. Gute Journalisten müssen nicht jeden Tag lesen, was böse Journalisten schreiben. Es reicht, hin und wieder die Boulevard-Schlagzeilen am Kiosk zu überfliegen oder mal ein Exemplar aus dem Automaten zu klauen. Finanzieren sollte man den Feind nicht. Außerdem bezweifle ich, dass John le Carré jede Woche Jerry Cotton liest, um kriminalliterarisch auf dem Laufenden zu bleiben. Ich werde also dubiose „Likes“ nicht ohne Weiteres ahnden. Wer allerdings Bild und Pegida aus anderen Gründen als beruflichem Interesse oder ähnlichem folgt, darf gerne freiwillig gehen. Sehr wohl habe ich nach jüngsten Ereignissen in Paris ein paar Unholde unkommentiert rausgeworfen, die unvertretbare Sympathien oder Antipathien kundtaten, außerdem habe ich ein paar Wackelkandidaten auf die Bewährungsliste in meinem Kopf gesetzt. Undemokratisch, jemanden ohne Warnung und Begründung rauszuwerfen? Mir doch egal, auf Facebook wird gemacht, was ich sage. Ehe ich mich noch mehr aufrege, schnell noch ein Bild von Bruce Lee, das beruhigt mich immer. Auf Facebook vernachlässigt man den Rest des Internets Ich neulich so zu einem: „… und dann gab es kürzlich auch noch einen Mini-Weihnachtskrimi von mir, der als Gratis-E-Buch erschienen ist.“ Der eine so: „Ach, davon hast du aber gar nichts in deinem Blog geschrieben, oder?“ Ich: „Oh … muss ich vergessen haben. Ich habe es aber auf Facebook gepostet …“ Einer: „Du bist bei Facebook?!“ (Wetzt so das Messer, ich so voll schnell weg) Es stimmt, ich lagere vieles von dem Quatsch (und einiges an handfesten Informationen), das früher in den Blog gekommen wäre, auf Facebook aus. Nicht nur weil man dort schneller und offensichtlicher geliebt wird, sondern vor allem, weil es leichter ist. Man muss nicht ständig die spitzen Klammern für die HTML-Tags suchen und die Bilder gesondert hochladen und man kann es mal eben mit dem Handy auf dem Klo machen. Trotzdem geht es natürlich nicht an, dass ich denen, die weiterhin tapfer nicht auf Facebook sind, einfach so ein neues Büchlein verschweige. Für Büchlein bin ich schließlich da. Also: Anfang November letzten Jahres ist mein E-Büchlein Bescherung in Kabukicho erschienen, man kann es auch antizyklisch lesen, außerdem ist es auch fürs nächste Weihnachtsfest wieder gültig. Es enthält die titelgebende Kurzgeschichte, jene ist ein Prequel zur Inspector-Sato-Reihe, ein paar Worte zur selbigen und eine Leseprobe aus dem nächsten Band, Roppongi Ripper. Oh, ich glaube, den hatte ich an dieser Stelle auch noch gar nicht erwähnt. Kommen Sie doch einfach zu Facebook, so oder so.