Erdbeerpille statt Plastik

Fremde Kulturen, muss man immer vorsichtig sein. Dem Japaner seine Plastiktüte zu nehmen ist ein ähnlich heikles Thema, wie dem Amerikaner seine Mordwaffe nehmen zu wollen. Vor der geistigen Fernsehkamera steht Toshiro Mifune, gealtert aber noch lebendig, eine Plastiktüte triumphierend über den Kopf haltend und mit bedrohlichem Bass intonierend: „From my cold dead hands!“ Tosender Beifall landaus, landein.

Man bekommt bei jedem Einkauf in japanischen Supermärkten vorsichtshalber doppelt so viele Plastiktüten, wie man benötigt. Auch in anderen Geschäften ist die Tüte selbstverständlicher als der Kassenbon. Deshalb tragen Japanerinnen die Handtasche grundsätzlich in der Armbeuge. Die Hand muss frei und bereit sein für die nächste Plastiktüte, die schon hinter der nächsten Ecke lauern könnte. Meine Theorie.

Aber Umweltschutz ist in Japan genauso beliebt wie jedes andere Thema, zu dem sich niedliche Maskottchen erfinden lassen. Deshalb schleichen sich langsam aber erfolgreich Reformen ein. In der Kaufhauskette Seiyu (engl.: Wal-Mart) kann man auf das Plastik freiwillig verzichten und spart pro Einkauf 2 Yen (aufgerundet 1,6 Cents). Hammer, dachte ich zuerst, und meinte es jugendlich sarkastisch. Laut Zeitungsumfragen ist die Ersparnis aber wirklich für nicht wenige japanische Hausfrauen ein Grund, hin und wieder den eigenen Beutel mitzubringen. Das Prozedere ist landesüblich diskret, man muss mit dem niederen Bediensteten an der Kasse kein Wort wechseln. Man nimmt sich eines der bereitgehängten MyBag-Schilder (mit dem niedlichen Tütenmaskottchen drauf), legt es in den Korb zu den anderen Einkäufen, und man bekommt automatisch 2 Yen vom Endbetrag abgezogen und keine einzige Plastiktüte.

Nun habe ich gerechnet (soll nicht wieder vorkommen): In einer ereignislosen Woche ohne großen Kaufrausch bekommt man ca. 14 Plastiktüten, wenn man nicht aufpasst. Also im Schnitt zwei pro Tag. Wenn man wirklich nur das Nötigste kauft. Ja, ich habe Strichliste geführt, man kommt nicht raus aus seiner Haut. Beschränkt man sein Einkaufsverhalten auf Häuser, die der 2-Yen-MyBag-Regel folgen, spart man in der Woche also … warten Sie … 28 Yen. Als trauriger trotzig stolzer Single-Haushalt. Was bekommt man für 28 Yen? Ich dachte: Nüscht. Dachte ich aber auch nur. Ich habe mal genauer geschaut und bin fündig geworden. Man bekommt zum Beispiel diese roten Dinger:

Oder diese zwei Sachen:

Bei beiden Szenarien kriegt man sogar noch was raus.

Aber was soll das sein? Wollen wir mal schauen? Au Prima!

Die roten Dinger, die aussehen wie die Pille zum Üben, kann man erwartungsgemäß essen, schmecken entfernt nach Erdbeere, die Verpackung verspricht das auch. Für den Preis muss man sich nicht als Gastrokritiker aufspielen.

Das Längliche ist sowas:

Sieht lecker aus, aber ich hatte gerade erst den sehr sättigenden Veggie-Burger in Tokios hipster Burgerbraterei Arms (in der Nähe des Westeingangs des Yoyogi-Parks auf der anderen Straßenseite; fast genau gegenüber von dem der Nase nach [gesehen von Yoyogi-koen Haltestelle] danach folgenden Eingang, dessen Namen ich vergessen habe; halt da, wo der Parkplatz ist), jetzt kann ich nicht mehr.

Im anderen Ding auch so eine Art Biersnack. Obwohl aus dem Kinderregal, also Biersnack zum Üben:

Maske? Welche Maske?

Bitte bedenken Sie, wie viele Mäuler Sie mit Erdbeerpillen stopfen könnten, wenn Sie für einen größeren Haushalt oder über einen längeren Zeitraum einkaufen und dabei auf die Plastiktüte verzichten.

Unser Planet, ein süßes Maskottchen und ich (quasi noch ein süßes Maskottchen) sagen: Danke.