Bei lokalen shintoistischen Straßenfesten ist es Brauchtum, mit großem Hallo und vereinten Kräften Schreine durch die Straßen zu tragen. In Nachbarschaften, in denen Ausländer oder ausländerfreundliche Organisationen beheimatet sind, dürfen auch Ausländer mittragen, was diese offenbar gerne tun. Als ich zum ersten Mal davon hörte, dachte ich spontan: Wow – das interessiert mich null. Zuschauen ja, wenn ich in der Gegend bin und es Getränkeverkauf gibt, aber bestimmt nicht aktiv mitschleppen.
Als aber unlängst die Agentur, die mir meine Tokioter Wohnung vermietet, rumfragte, wer denn gerne den Agenturschrein beim Misaki-Festival im Stadtteil Jimbocho mittragen möchte, reckte ich sofort den Arm in die Höhe und rief: „ICH, ICH, ICH!“ Dabei hatte sich meine Einstellung gar nicht großartig geändert. Aber da war der nuttige Gedanke: Ich mach das, damit meineSchlagwort-Archive: Japan
Eine von 127 Millionen (und noch eine)
Ramen Square NY. Warum wirbt ein japanisches Gastronomie-Erlebniszentrum, das sich auf chinesische Nudelsuppen spezialisiert, mit New York im Namen? Das einzige, was mich daran wundert, ist, dass es mich gar nicht mehr wundert. Alles, was ich weiß und wissen muss: Befindet sich in Tachikawa, westlich der Stadt Tokio, innerhalb der Präfektur Tokio, erreichbar über einen Laufsteg direkt vom örtlichen Bahnhof. Etliche Ramen-Blogger haben schon darüber gebloggt.
Bin ich hier etwa auch wegen der Nudeln rausgefahren? Nein, Nudeln gibt’s auch in Tokio, ich bin hier wegen der Musik. (Die Nudeln sind allerdings auch ganz gut, nur als Pescetarier muss man ausnahmsweise mal ein Auge zudrücken, und als noch schlimmerer Tarier alle beide, oder eben Magen knurrt während des Konzerts.) Zweimal die Woche singt hier Megumi Sakurai zur Begleitung ihrer bis zu vierköpfigen Jazzband. Megumi, wir sind per Vornamen, unterscheidet sich von den meisten Japanern. Die meisten Japaner sagen: „Was auch immer Sie tun – schreiben Sie bloß nichts über mich!“ Megumi hingegen sagt: „Schreib doch mal was über mich!“ Das lass ich mir nicht zweimal sagen. Megumis vorauseilende Bereitwilligkeit zur Berichterstattung begründet sie übrigens haargenau so wie all die anderen Japaner ihre Zurückhaltung in dieser Angelegenheit: „Ich bin doch nicht berühmt!“ Im Gegensatz zu den meisten anderen Japanern hätte Megumi es aber sein können. Das Vorsingen war bestanden, das Bett in der offiziellen Starwohnung frisch bezogen, die Verträge lagen bereit. Aber Megumi kam gerade noch rechtzeitig auf den Trichter, dass frei sein wichtiger ist als berühmt sein, und so reiste sie lieber in der Welt herum, studierte unter anderem in Stuttgart Anthroposophie, die Fantastischen Vier und die deutsche Sprache. Heute schreibt sie Lyrik und Journalismus, legt Karten und malt mit behinderten Kindern. Das muss Ayumi Hamasaki ihr erstmal nachmachen. Und montags und dienstags singt sie im Ramen Square NY den Bossa Nova (der war aber nicht allein schuld) für alle, die es hören wollen. Das sind gar nicht wenige. Die umliegenden Lokale sind beliebt in der Ramen-Szene, ein paar Obdachlose sagen auch nicht nein zu überdachten Gratissitzgelegenheiten mit Musik. Wenn einer zu deutlich schnarcht, muss Trommler Alex halt mal etwas lauter trommeln. Ich lernte Megumi in der Kleinstadt Kunitachi kennen, mit der unverzichtbaren Chuo-Eisenbahnlinie gar nicht so weit von Tokio. Kunitachi zeichnet sich in erster Linie durch einen Bahnhofsvorplatz aus, der in der Saison ganz besonders eindrucksvoll von Kirschblüten umringt ist. Ich habe leider kein Foto gemacht, weil ich dachte: Kann ich später immer noch machen. Konnte ich aber doch nicht mehr. In zweiter Linie zeichnet sich Kunitachi dadurch aus, dass jeder entlegene Trampelpfad von einer trägen Fußgängerampel reglementiert wird, nur auf der mehrspurigen und pausenlos befahrenen Hauptstraße ist man ampellos dem Schicksal ausgeliefert. Zebrastreifen, das sollte der Reisende wissen, sind in Japan nicht Signal für Autofahrer, dass sie auf Fußgänger achten sollen, sondern umgekehrt. Und es gibt das Jaran-jaran-goya, ein improvisiertes Mini-Café einer örtlich bekannten Biobauerin. Hier gibt es gesunden Kuchen und starken Kaffee, und wenn einer Kopfschmerzen hat, wird eine Stimmgabel auf einen Bergkristall geschlagen. Man sollte solchen Kreisen nicht verfallen, aber ein unverbindlicher Besuch alle paar Jahre ist gestattet. Schlechten Menschen begegnet man anderswo. Megumi (unten rechts im Bild) hatte hier im April das Erdgeschoss für eine Ausstellung ihrer Bilder und Gedichte (gratis) und eine Demonstration ihrer Kartenkünste (300 Yen, Schnäppchen). Einige ihrer Gedichte sind in deutscher Sprache verfasst, bzw. in einem Remake der deutschen Sprache, das viel besser ist als das Original. Megumi hat eine tolle Stimme, eine einnehmende und felsenhaft gefestigte Persönlichkeit, sie pflegt einen furchtlosen, beneidenswert poetischen Umgang mit mehreren Sprachen, und sie hat gerade soviel Macke, wie jeder angenehme Mensch braucht, auch wenn man die spezielle Macke nicht teilt. Vielleicht überlegt sie es sich ja noch mal und wird doch noch berühmt. Der Welt würde es bestimmt nicht schaden. Und Sie erinnern sich in diesem Falle bitte daran, wo sie es Sie es zuerst gelesen haben. Ta-daaa: Noch eine gute Japanerin Zwei weitere Künstlerinnen stellten ihre Werke im Jaran-jaran-goya aus, als mich Megumi unlängst hinein gelockt hatte. Eine traf ich an, als ich schauen wollte, was sich oberhalb dieser schmalen Treppe befindet (mit im Bild: Megumi droht mit Tee und Karten): Satoko Kakimoto hat zwar nicht ausdrücklich gesagt, ich solle über sie schreiben, es aber auch nicht ausdrücklich untersagt. Hier ist sie mit ihren beiden Ballons: Es handelt sich um Luftballons, umgestaltet zu Figuren, die Daruma ähneln, japanischen Glücksbringern, einem wiederkehrenden Motiv in Kakimotos Werk. Aber es gibt auch Ensembles von gefundenen und geschaffenen Objekten, die mich verwirren und mir daher gut gefallen:Eilmeldung: Koreanische TV-Serie Riesen-Hit in Japan!
Saori, ihm schmeckt’s nicht
Erdbeerpille statt Plastik
Fremde Kulturen, muss man immer vorsichtig sein. Dem Japaner seine Plastiktüte zu nehmen ist ein ähnlich heikles Thema, wie dem Amerikaner seine Mordwaffe nehmen zu wollen. Vor der geistigen Fernsehkamera steht Toshiro Mifune, gealtert aber noch lebendig, eine Plastiktüte triumphierend über den Kopf haltend und mit bedrohlichem Bass intonierend: „From my cold dead hands!“ Tosender Beifall landaus, landein.
Man bekommt bei jedem Einkauf in japanischen Supermärkten vorsichtshalber doppelt so viele Plastiktüten, wie man benötigt. Auch in anderen Geschäften ist die Tüte selbstverständlicher als der Kassenbon. Deshalb tragen Japanerinnen die Handtasche grundsätzlich in der Armbeuge. Die Hand muss frei und bereit sein für die nächste Plastiktüte, die schon hinter der nächsten Ecke lauern könnte. Meine Theorie. Aber Umweltschutz ist in Japan genauso beliebt wie jedes andere Thema, zu dem sich niedliche Maskottchen erfinden lassen. Deshalb schleichen sich langsam aber erfolgreich Reformen ein. In der Kaufhauskette Seiyu (engl.: Wal-Mart) kann man auf das Plastik freiwillig verzichten und spart pro Einkauf 2 Yen (aufgerundet 1,6 Cents). Hammer, dachte ich zuerst, und meinte es jugendlich sarkastisch. Laut Zeitungsumfragen ist die Ersparnis aber wirklich für nicht wenige japanische Hausfrauen ein Grund, hin und wieder den eigenen Beutel mitzubringen. Das Prozedere ist landesüblich diskret, man muss mit dem niederen Bediensteten an der Kasse kein Wort wechseln. Man nimmt sich eines der bereitgehängten MyBag-Schilder (mit dem niedlichen Tütenmaskottchen drauf), legt es in den Korb zu den anderen Einkäufen, und man bekommt automatisch 2 Yen vom Endbetrag abgezogen und keine einzige Plastiktüte. Nun habe ich gerechnet (soll nicht wieder vorkommen): In einer ereignislosen Woche ohne großen Kaufrausch bekommt man ca. 14 Plastiktüten, wenn man nicht aufpasst. Also im Schnitt zwei pro Tag. Wenn man wirklich nur das Nötigste kauft. Ja, ich habe Strichliste geführt, man kommt nicht raus aus seiner Haut. Beschränkt man sein Einkaufsverhalten auf Häuser, die der 2-Yen-MyBag-Regel folgen, spart man in der Woche also … warten Sie … 28 Yen. AlsMan kann weglaufen, aber nicht entkommen
Es ist gerade mal 10 Uhr durch, im Radio läuft zum dritten Mal Nena, um die Häuser ziehen freundliche Damen mit mehrsprachigen Broschüren, die sich über Gott unterhalten wollen. Fürs erste soll das die Frage beantworten, ob ich denn schon Heimweh habe.
Mein erstes Mal in Japan (4): Yasukuni-Schrein
(Arbeitstitel verworfen: Shakira Kurosawa und der Tempel des Bösen)
(Ist nämlich gar kein Tempel, ist ein Schrein.)
Ich wünscht ich wär Ayako Imoto
Nachher:
Die unter japanischen und japanophilen Teenagern heiß diskutierte Kontroverse ums zweite Video ist freilich: Läuft da was zwischen Ayako Imoto und Boyband-Boy Yuya Tegoshi (gelbes Hemd, scheußliche Frisur)? Ist mir egal! Ich will ja nicht Ayako Imotos Boyfriend sein, ich will Ayako Imoto sein! Schon jetzt rufe ich mir jedesmal beim Traben ihr Gesicht vors geistige Auge, wenn es nicht mehr recht läuft, und es geht weiter. Sie ist mein Idol. Obwohl mir eine japanische Bekannte sagte, ich solle mir Imoto nicht zum Vorbild nehmen, denn sie habe „eine raue Zunge“. Weiß der Teufel, woher meine Bekannte das weiß. Mir egal! Wenn ich Ayako Imoto wäre, könnte ich endlich mit Tieren arbeiten, schon immer mein großer Traum (fragen Sie nicht, ich wache jedesmal schweißgebadet auf). Außerdem hätte ich mein eigenes Nintendo-DS-Spiel: Mit spektakulären Boss Fights: Und weiteres hochwertiges Merchandising: Leider bin ich nicht Ayako Imoto. Aber ich bin fest entschlossen, meinen Traum zu leben.
Die Band, die ich ab jetzt stalken werde
Warum man zu Verfolgung jetzt Stalking sagt, weiß ich auch nicht, aber ich werde das jedenfalls machen. Die Band weiß noch nichts davon, aber sie wird es schon noch merken. Sie heißt moja, ich habe sie vergangenen Freitag als eine von drei Vorgruppen bei der Albumveröffentlichungsfeier der Band Molice (sprich: Morris) gesehen. Die kennen Sie ja, ist schließlich Tokios Gitarren-Hüpf-Band der Stunde. Die hier:
Molice selbst haben das auch ganz, ganz toll gemacht an diesem Abend, aber die zu stalken wäre mir schon jetzt zu mainstream. Gegen die anderen beiden Vorgruppen kann man auch wenig einwenden. Hekireki, die gegen halb sieben undankbar früh (aber in Japan normal) den Abend für eine Handvoll Pünktlicher eröffneten, haben einen jungen Frontmann mit einem derart einschüchternden Charisma, dass man tut, was er sagt. Wenn der sagt mitklatschen, dann klatscht man mit, auch wenn man vereidigter Mitklatschgegner ist. Man fürchtet, er käme sonst nachher noch vorbei und haue einem eine runter. Solch eine Ausstrahlung ist selten geworden. Meistens hat man bestenfalls das Gefühl, dass ein Musiker hinterher was Gemeines über einen twittert, wenn man nicht mitklatscht. Hier könnte ein Star flügge werden, oder ein Fall für die Klapse, aber das muss sich ja nicht ausschließen. Vielleicht studiert er auch zu Ende und wird Buchhalter bei Softbank, kann man nicht wissen. Sister Paul stellten sich heraus als ein herzlich hart rockendes Duo, das sich optisch irgendwo zwischen Lou Reed und David Bowie in ihrer Transenphase und Robert Smith jahraus, jahrein eingerichtet hat. Rechnet man das mathematisch durch, würde man wohl Visual Kei rauskriegen, kommt aber doch nicht ganz hin. Beim Drummer bin ich mir nach wie vor nicht sicher, ob unter dem Smith-Mopp ein Trommler oder eine Trommlerin steckt. Dass der Mensch mitunter mitgesungen hat, konnte die Entscheidungsfindung erstaunlich wenig beeinflussen. Beim Hauptsänger und Bassisten immerhin bin ich mir trotz zu viel Make-up und Stöckelschuhen sicher, dass es sich um einen Mann handelt. Schließlich trug er obenrum nichts als Hosenträger. Das war also auch geschmacklich einwandfrei, aber die Band, die ich zum Stalken auserkoren habe, ist moja. Ebenfalls ein Bass/Schlagzeug-Duo, allerdings weitgehend ungeschminkt, deshalb zu erkennen als Mann (Bass und, nun ja, Gesang) und Frau (Schlagzeug). Als moja loslegten, dachte ich spontan: Gähn. Wüstes Gebolze mit Breaks, in denen geschrien wird. Tausendmal gehört, in tausend Jahren. Je nachdem, ob Musiker und Zuhörer dabei Brillen trugen oder nicht, nannte man es mal Jazz, mal Hardcore, heute aber auf jeden Fall: Gähn. Aber was soll ich sagen? Man darf Lärm nicht nach den ersten Tönen be- bzw. verurteilen. Je wüster gebolzt wurde, desto deutlicher schälte sich ein punktgenauer, kathartischer Krach heraus, den man sich durchaus ein paar Stunden lang dümmlich-selig lächelnd anhören kann. So lang war der Auftritt leider nicht, andere wollten ja auch noch drankommen. Aber das macht nichts, denn in dem Aktenkoffer voller Handzettel, der einem bei jedem Konzert am Empfang übergeben wird, hatte ich schon den gefunden, der mojas kommende Live-Auftritte vorskizzierte. Tokio ist groß und mit Großraum noch größer, sie werden in den kommenden Wochen noch öfter in anderen Umfeldern hier auftreten, und ich werde ihnen an den Fersen heften. Im Mai spielen sie sogar gleich bei mir um die Ecke. Dann hab ich sie da, wo ich sie haben will. Ab und an verlassen sie die Stadt auch, aber das muss für mich kein Problem darstellen. Okinawa steht zum Beispiel auf ihrem Spielplan. Ich hatte eh vorgehabt, früher oder später eine Auszeit von meiner Auszeit zu nehmen und entweder den Berg Fuji hinaufzuwatscheln oder auf Okinawa die Füße still zu halten. Fuji hat sich schon erledigt, denn von meiner dicken Jacke ist ein Knopf abgegangen, musste ich wegschmeißen. Die moja-CD habe ich mir am Freitag nicht gleich gekauft. Zum einen aus Rücksicht auf meine Finanzen, ich war am Vorabend kostspielig mit einem Rapper und zwei Komikerinnen versumpft (gute Geschichte, bekomme ich aber nicht mehr zusammen). Zum anderen kann ich mir die CD ja noch auf Okinawa kaufen. Außerdem ist CDs abspielen gerade so eine Sache. Als einzige Möglichkeit hätte ich einen portablen DVD-Player vom Grabbeltisch, aus dem jede CD wie ein Bootleg klingt. Er geht weder bis 11, noch hat er Dobly. Sabbatical-Monate sind keine Herrenjahre. Moja machen ohnehin nicht unbedingt Musik für Zimmerlautstärke. Obwohl meine Wohnung landesuntypisch großzügig geschnitten ist, so wird doch beim Umfang der Wände das japanische Klischee voll bedient. Wenn draußen einer mit der Plastiktüte raschelt, ist es mit der Mittagsruhe vorbei. Da will ich meiner Nachbarschaft nicht mit sowas kommen: Bonus Track: I know the way to the Rock Joint GB Ich habe mir ganz doll auf die Finger gebissen, um nicht noch eine lustige Glosse darüber zu schreiben, wie ich mich in Tokio auf der Suche nach einem Konzertspielort verlaufe. Bei genauerer Überlegung könnte es aber doch hilfreich für die Nutzer dieses Infodienstes sein, wenn ich die Hand wieder aus dem Mund nehme und noch mal in das Thema einsteige. Diesmal geht es in den Rock Joint GB in Kichijoji, einen aufgrund guter Plattenläden, günstiger sonstiger Läden und einer unaufdringlichen Ausländerfreundlichkeit zurecht beliebten Vorort Tokios entlang der ebenfalls zurecht beliebten Chuo-Eisenbahnlinie. Ob das GB im Namen des Rock Joint auf England oder auf die großen vier Buchstaben in der New Yorker Ausgehhistorie anspielt, weiß ich nicht. Auf Grundlage des Veranstaltungsprogramms vermute ich aber Letzteres. Mehr interessierte mich im Vorfeld, wie ich hinkomme. Leider musste es schnell gehen, deshalb habe ich etwas getan, was man keinem erzählen kann, deshalb schreibe ich es im Internet, denn das versendet sich: Ich habe nicht brav die japanische Wegbeschreibung auf der offiziellen Website im Original studiert, sondern sie in den Google-Übersetzer geworfen, um sie ratzfatz in korrektem Deutsch zu haben, damit ich schnell los kann. Dabei kam natürlich ungefähr das heraus: Sie Bahnhof! Nord linksrechts der Parco rechtslinks ein KUHHORN! Keller 2 Stockwerkchinaküche bitte sehr! Ich übertreibe natürlich maßlos, um Ihnen ein Lächeln abzuringen. Ganz eindeutig war das reale Ergebnis aber wirklich nicht, und ich habe mich wieder sehr verlaufen. Diesmal allerdings im Gegensatz zum letzten Mal nicht, weil ich zu einfach gedacht hatte, sondern zu kompliziert. Es ist nämlich ganz einfach. Deshalb hier für Ihre Reiseplanung die einzige Wegbeschreibung zum RJGB, die Sie jemals brauchen werden: Verlassen Sie den Bahnhof Kichijoji durch den Center Exit (auch ‚Nordausgang‘, wenn man Kanji kann und sich profilieren möchte). Gehen Sie LINKS in Richtung, wo es nach teuren Geschäften aussieht. Machen Sie einen langen Hals, bis Sie das Kaufhaus Parco (PARCO PARCO PARCO) sehen. Es wird sich im Blickfeld rechts befinden, aber wahrscheinlich noch nicht unmittelbar nach Verlassen des Bahnhofs (es sei denn, Sie haben einen längeren Hals als ich). Gehen Sie der Nase nach daran vorbei und recken Sie den Hals nach dem Kaufhaus Tokyu, schräg rechts hinter Parco. Wenn Sie vor Tokyu stehen: Umkreisen Sie das Gebäude in beliebiger Richtung, bis Sie auf der empfundenen RÜCKSEITE des Hauses sind. Dort ist gleich gegenüber von Tokyu der Rock Joint GB. Schild ist so groß, dass ein Blinder mit Krückstock voll dagegen knallen würde. Treppe runter und rock’n’roll. Gern geschehen.Kirschblütenblühen 2010: Die Preshow
Damit konnte keiner rechnen: Die erste geöffnete Kirschblüte im Großraum Tokio wurde erst für morgen offiziell vorausgesagt, aber es blüht jetzt schon ganz ordentlich. Leider hat man davon noch nicht viel, denn das Wetter ist heute schlecht, morgen soll es schlechter werden und übermorgen endlich richtig grausig. Ich kann es aber gar nicht erwarten, der Kirschblüte zu huldigen, deshalb trinke ich heute nur offizielle Kirschblüten-2010-Vermarktungsgetränke. Zum Beispiel dieses Schaumweinlimonadenmischgetränk aus dem Hause Suntory:
Riecht wie Kaugummi. Das ist als kulinarische Faustregel kein gutes Zeichen, wenn etwas kein Kaugummi ist. Ist im Glas sehr sprudelig und einen Hauch rosa, aber in erster Linie klar. Schmeckt spritzig und nur leicht süßlich, keinesfalls penetrant. Beim ersten Schluck ist man positiv überrascht, der zweite bestätigt die Trinkbarkeit, aber beim dritten fragt man sich doch: Muss ich das wirklich austrinken? Allerdings eher aus Langeweile denn aus Ekel, das ist immerhin etwas. Klar muss ich das austrinken. Solange ich die Füße unter meinen Tisch stelle, trinke ich, was auf den Tisch kommt. Zum Beispiel: Kirschblüten-Wein. Japan und Wein, immer ein ganz schwieriges Thema. Fast wie Japan und China. Andererseits: Japan und Kirschblüte, immer super Thema. Diese Halbliterflasche hat tatsächlich Kirschblüten unten drin: Die ersten, die ich dieses Jahr sehe, ohne selbst nass zu werden. Wo haben sie die wohl jetzt schon her? Im letzten Jahr eingefroren? Genetisch herbeigeforscht? Oder einfach aus dem Süden, da war dieses Jahr schon. Oder sie sind gar nicht echt. Aber das in Japan? Sieht im Glas aus wie der Drink von vorhin, bloß ohne Blasen. Wichtigtuerisch dran geschnuppert: Pflaumiges Aroma. Davon gekostet: Schmeckt auch nach Pflaume, aber trotzdem nicht schlecht. Weniger zum Davonlaufen als die üblichen asiatischen Pflaumengetränke. Allerdings kein bisschen nach Wein. Das Kleingedruckte gelesen: 6% arukoro. Kein Wein, den ich kenne, hat 6%. Schmeckt wie sehr, sehr, sehr stark verdünnter Pflaumenschnaps für den Kindergeburtstag (oder was gab’s auf Ihren Kindergeburtstagen?). Gut, dann kann man ohne schlechtes Gewissen gleich das Bier hinterherkippen: Wieso habe ich denn gleich einen Sechserträger davon gekauft? Fällt mir jetzt erst auf. Bescheuert. Wehe, das schmeckt nicht. Sieht im Glas jedenfalls aus wie Bier: (Mit im Bild: Total süße Bärenfigur, dem Latexkiller aus dem Gewaltkrimi Black Kiss nachempfunden. Hab ich neu.) Schmeckt genauso wie Suntory Premium Malt’s, wahrscheinlich hat man nur die Packung saisonal redesignt. Gott sei Dank, ist ohnehin mein Lieblingsbier. Dann wird es ja doch noch ein ganz schöner Abend. Nichts sagt ‚Kirschblüte‘ besser als ein Sixpack Suntory Premium Malt‘s. Liebe Entscheiderinnen und Entscheider der ehrenwerten Suntory-Marketing-Abteilung: Falls Sie mal ein neues Testimonial brauchen – ich würde das auch in eine Kamera sagen, mit einer Dose in der Hand, einem Schaumbärtchen im Gesicht und einer Kirschblüte im Haar (Perücke).