Die Nachrichten: Das Manifest

Ich hatte die Güte und die Ehre zwei neue DVDs für Das Manifest zu besprechen. Darauf zu sehen waren der thailändische Agentinnenfilm Final Target (ich rate dringend ab) und die südkoreanische Romkom My Sassy Girl (ich rate halbherzig zu).

Update 12. 8. 2010

Ich pack das mal noch hier mit rein: Für The Sniper, Porno-Edes vorerst letzten Film, habe ich auch ein Gutachten geschrieben.

Eilmeldung: Koreanische TV-Serie Riesen-Hit in Japan!

Weitere Top-Nachrichten des Tages: Heute Morgen U-Bahn schon wieder voll! Schnee auf dem Fujiyamaberg gesichtet! Japaner gesteht: Ich steh auf Kirschblüten und habe Fotos davon gemacht!

Gut, es ist nicht ungewöhnlich, dass südkoreanische TV-Unterhaltung in Japan ein begeistertes Publikum findet. Etwas aber ist besonders an Iris, seit Mittwoch auf TBS. Es ist die erste koreanische Fernsehserie, die zur besten Sendezeit auf einem der großen terrestrischen Gratis-Sender läuft. Normalerweise gibt es Korea-TV nur auf Bezahlkanälen oder zu Sendezeiten, zu denen die Männer nicht mitbekommen, wofür ihre Frauen schwärmen. Iris genießt erhöhtes Interesse in Japan, da das Agenten-Drama genregerecht in aller Welt gedreht wurde, eben auch in Japan, in der Präfektur Akita. Müssen Sie jetzt nicht hin, zu viele Iris-Touristen. Die Ausstrahlungsrechte am Straßenfeger hat sich TBS einiges kosten lassen. 400 Millionen Yen sagt man, das ist umgerechnet eine Menge Geld.

Ich konnte es selbst kaum erwarten. Wenn man mehrmals am Tag am großen Iris-Poster am örtlichen Bahnhof vorbei geht, hat man keinen freien Willen mehr. Ich war bereits am Dienstag so weit, hatte mir extra ein traditionelles koreanisches Gericht zubereitet (Spaghetti mit Kimchi), und dann erst festgestellt, dass noch nicht Mittwoch ist. Wochentage bereiten einem Schwierigkeiten, wenn man keiner kontrollierten Beschäftigung nachgeht. Ich rechne momentan nicht nach Montag, Dienstag, etc., sondern dank des japanischen Müllabholungssystems nach Brennbar-Tag, Nichtbrennbar-Tag etc. Auf Werbeplakaten sollten also nicht so schwammige Formulierungen stehen wie: „Ab Mittwoch!“, sondern: „Ab PET-Flaschen-Tag!“, zum Beispiel.

Gott sei Dank hatte ich vorgekocht, es war also am Mittwochabend noch genügend Folklorefutter im Topf. Iris erzählt von zwei dick befreundeten Agenten, denen schon auf der Schulbank dieselbe Agentin gefällt. Das geht lange gut, aber nicht allzu lange. Man überwirft sich und verrät einander, vermeintlich Tote leben unbemerkt weiter, und es gibt eine Untergrundorganisation namens Iris, die die bevorstehende Wiedervereinigung der Koreas verhindern möchte.

Iris ist eine Produktion für die ganze Familie. Es gibt genug Gewalt und laute Musik, um die Kleinen wach zu halten. Papa freut sich an verwegenen Kerlen, die verwegene Sachen mit Sportwagen und Satellitentechnologie machen, und sich dabei mitunter im männerbündischen Adrenalinrausch kehlig lachend gegenseitig auf Schultern schlagen. Mama freut sich, dass ihnen kein Anlass zu fadenscheinig ist, dabei das Hemd auszuziehen. Die Szenen mit halbnackt im Matsch rangelnden Soldaten kann man auch gerne homoerotisch finden, wenn es einem danach besser geht.

Mit anderen Worten: Eine Serie für beide Fraktionen des Bourne-Publikums. Für jene, die die Jason-Bourne-Filme wegen Matt Damon gucken, und jene, die sie trotz Matt Damon schauen. Und von 24 oder Cobra 11 ist man ohnehin ganz schnell kuriert. Hoffentlich hat RTL2 oder Tele 5 noch 400 Millionen Yen über.

Liebesgrüße aus dem blauen Zimmer: Zähneputzen im Ausland, der eingebildete LAN-Sexismus und sonstiger Müll

Als ich am Sonntag in meinem Münchner Badezimmer beim Zähneputzen auf und ab ging, ertappte ich mich bei dem Gedanken: Oh je, das ist bestimmt auf Monate das letzte Mal, dass ich in einem Badezimmer auf und ab gehen kann. Denn nach dem Zähneputzen geht es ab nach Tokio, und erst ein paar Tuben später wieder zurück. Und wie die Wohnverhältnisse dort aussehen, weiß man ja.

Tatsächlich kann man in meiner Tokioter Wohnung kaum von einem Badezimmer reden, eher von einem dreiteiligen Hygiene-Wellness-Flügel mit Bad, Toilette und Waschbereich getrennt. Dazwischen kann man wunderbar auf und ab gehen, im Rest der Wohnung sowieso. Ich kann mich gar nicht entscheiden, wohin mit meinem ganzen Zeug. Ich werde mir wohl noch mehr Zeug kaufen müssen. Ich habe zwei Zimmer, eines in Blau, eines in Rosa. Das blaue habe ich zum Wohnen und Arbeiten eingerichtet, das in Rosa nutze ich als Schlaf- und Ankleidezimmer. War ja klar, sagt der, der meine farblichen Vorlieben zu kennen glaubt. Ich aber sage: War ja gar nicht klar. Schließlich verbringt man im Wohn- und Arbeitszimmer viel mehr Zeit mit offenen Augen als im Schlafzimmer. Ich hätte lieber den ganzen Tag rosa gesehen und mich blau gebettet. Es begab sich aber leider, dass die Internetsteckdose im blauen Zimmer ist.

Wenn man Gender studiert und mit rosa Schleifchen abgeschlossen hat, kann man am Herd stehen und vor Wut kochen über diesen Sexismus: Der Technikkram wie selbstverständlich im blauen Maskulisten-Zimmer. Und was sollen Mädchen den ganzen Tag tun? Ist im rosa Zimmer etwa das Bügelbrett vorinstalliert? Nein, dort ist der Telefonanschluss.

Für den Palast bezahle ich freilich ungefähr das Dreifache wie für mein vergleichbares Anwesen in Mietschnäppchen-München. Meinen Sie deswegen bitte nicht, bei mir gäbe es was zu holen. Aus genanntem Grund ist genau das Gegenteil der Fall. Sie kommen zu spät.

Mein neuer Nachbar ist ein junger Chinese, glaube ich (d. h., bei ‚junger‘ bin ich mir sicher). Ich sehe ihn nur, wenn er draußen raucht und ich gucke, was denn da draußen jetzt schon wieder los ist. Ich möchte gerne ein authentischer japanischer Nachbar werden, deshalb interessiert mich immer sehr, was denn da draußen jetzt schon wieder los ist. Man sagte mir, japanische Nachbarn überprüften gerne die hinausgestellten Müllsäcke ihrer Nächsten auf korrekte Trennung und telefonierten die Ergebnisse ggf. an den Vermieter weiter. Ich kann es gar nicht erwarten, das erste Mal ganz eigenen Müll hinausstellen zu dürfen. Ich werde mir den Wecker stellen müssen, denn der Müll darf nur zwischen 7 und 8 Uhr morgens am Tag der Abholung hinausgestellt werden. Da bin ich normalerweise nicht auf, ich hab schließlich drei Monate Feierabend. Ich habe außerdem einen coolen Apfelwecker, den Sie nicht haben:

Letztes Jahr spontan in Korea gekauft, jetzt wieder dran erinnert und ausgepackt. Wenn man ihm am Stiel zupft, sagt er mit futuristischer, also Jahr-2000-mäßiger Roboterstimme Zeit und Temperatur an und macht groovy Farben im Anzeigefeld. Für die Müllabfuhr stelle ich ihn gerne. Die japanische Mülltrennung hat einen Ruf als ähnlich kompliziert wie Kimono anziehen. In der Agentur, in der ich meinen Wohnungsschlüssel bekam, nachdem ich 10.000 Dokumente an jeweils mehreren Stellen unterschrieben, eine Schale Tee getrunken und zwei Bonbons gelutscht hatte, wurde mir ein spannendes und informatives Video über das Mülltrennungssystem vorgespielt, während meine ganz reizende Sachbearbeiterin von den unterschriebenen Dokumenten 20.000 Farbfotokopien anfertigte. Zur Sicherheit, falls einer beim Video nicht aufgepasst hat, sind an den Mülleimern in meiner Wohnung auch noch mal ausführliche Anweisungen mit Beispielen angebracht, was wo hinein gehört. Etwas bedenklich ist, dass einige der Beispiele auf den Eimern denen aus dem Video widersprechen. Unterm Strich ist das System aber nach all dem Hype relativ enttäuschend: Es wird im Wesentlichen nur nach Brennbarem und nicht Brennbarem sortiert. Lediglich was was ist, ist dann doch eine rechte Wissenschaft. Schließlich weiß jeder, der mal männliches Kind (vulgo: Junge, landsch.: Bub) war, dass so ziemlich alles brennbar ist, wenn man sich etwas Mühe gibt („und mitunter angezuendet / ganz munter anzuschaun“ – Feurio!, Einstürzende Neubauten). Ich will nicht angeben, aber in Deutschland trenne ich schärfer, wenn auch freiwillig, und meinen Nachbarn ist’s egal, solange ich dabei keine Einstürzende Neubauten Classics aus voller Brust nachsinge. Ich habe mich nämlich entschlossen Gutmensch zu sein, weil Gutmensch zwar nicht toll ist, aber viel besser als Schlechtmensch. Ich sollte mir zum Ziel meines bislang ziellosen Aufenthalts in Tokio machen, das japanische Mülltrennungssystem nötig zu verkomplizieren. Man wird mich noch mehr lieben.

Apropos Nachbarn nah und fern: Eine Japanerin steckte mir einmal, sie wolle nicht in Deutschland leben, weil sie gehört hatte, dass man dort nach 22 Uhr zuhause keinen Löffel mehr aus Versehen fallen lassen darf (okay, das war nur einer von knapp 10.000 Gründen). Im Verhaltensreglement für meine Wohnung in Japan steht aber, dass ich hier bereits ab 21 Uhr nichts mehr unangemeldet fallen lassen darf (okay, das steht da nur sinngemäß, ist auch ein bisschen Interpretationssache). Und trotzdem bin ich hier (okay, hab ich ja nicht vorher gewusst).

ICH habe kein Problem damit. Mal sehen, wie laut mein chinesischer Nachbar nach Neun so raucht. Den hab ich eh auf dem Kieker, diesen Ausländer. Wenn er integrationswillig ist, hat er von mir nichts zu befürchten, da bin ich tolerant. Morgen ist Mülltag. Bin auf Position. Over and out.

Meine süßesten Totenschädel

Huch, was sind wir in letzter Zeit monothematisch gewesen. Aber es waren ja auch tolle Tage. Die sind jetzt vorbei, wir glänzen ab sofort wieder mit eigener Leistung und widmen uns angenehmeren Themen, z. B. Totenköpfe. Als neulich im DACH-Oberschichtenfernsehen Japanwoche war (wir berichteten), sagte dort der Künstler Takashi Murakami sinngemäß so etwas wie, dass der Totenkopf in der westlichen Kultur düster besetzt sei, in Japan hingegen häufig als süßer Fratz daherkäme. Der westliche Teil des Statements stimmt nur bedingt, spätestens seit Johnny Depp ist auch bei uns der stilisierte Totenkopf zum Ironie-Glamour-Symbol für vieles vom Damenhut bis zum Beruhigungssauger geworden. Aber gegen Japan ist Deutschland tatsächlich noch Totenkopfentwicklungsland. Drüben muss man sich derzeit schwer anstrengen, irgendeinen Gebrauchs- oder Genussgegenstand zu finden, auf dem kein Schädel abgebildet ist. Ich möchte drei Beispiele vorstellen, ohne die mein Haushalt einfach nicht mehr derselbe wäre. Diese drei hegen keinerlei Anspruch darauf, die originellste Verwendung von Totenköpfen aller Zeiten zu repräsentieren. Es handelt sich lediglich um drei Exemplare, die mir ganz persönlich ans Herz gewachsen sind.

Totenkopf-Filzuntersetzer

Damit macht Trinken gleich noch mal soviel Spaß, und man hat die Konsequenzen stets vor Augen. Insbesondere für Hochprozentiges geeignet. Die Untersetzer stammen aus der Halloween-Promotion eines 100-Yen-Shops. Als dummdreister, unreflektierter Anti-Amerikanist bin ich zwar gegen die Halloweenisierung der außeramerikanischen Welt, aber hier konnte ich nicht widerstehen. Vor so niedlichen Totenköpfen muss jede Kulturkritik in die Knie gehen. Außerdem hat man, untypisch für Japan, ja nicht extra draufgeschrieben: „LET’S HAPPY HALLOWEEN, ISN’T IT!“ Obwohl das eigentlich auch ziemlich cool wäre. Totenkopfuntersetzer kann man zu jeder Jahreszeit verwenden, sie werden Bewirtungsgästen immer ein Lächeln um die Züge zaubern.

Totenkopf-Ohrhörer (Attrappe)

In einer koreanischen Geek-Mall gekauft, es handelt sich aber um ein japanisches Produkt Made in China. Man kann das große Meer, über das die Ohrhörer gekommen sind, in ihnen noch prächtig rauschen hören. Zum Musikhören sind sie dadurch völlig ungeeignet, aber Show-Hören sah nie cooler aus.

Totenkopf-Notizblock

Für besonders süße Abschiedsbriefe. Nimmt die goldige Schleife dem Schädel den Schrecken, oder ist es der modische Glitzerlook? Ebenfalls aus dem 100-Yen-Shop, war also günstiger als Vergleichbares von Damien Hirst, wo man häufig auch für den Namen mitbezahlt.

Die Nachrichten: Das Manifest

Ich habe mich mal wieder für das Online-Magazin Das Manifest als Asienexperte aufgespielt. Hier die Ergebnisse:

20th Century Boys (Japan)

King Naresuan – Der Herrscher von Siam (Thailand)

Blood & Flowers – Der Wächter des Königs (Südkorea)

Es sieht außerdem so aus, als wäre meine Berichterstattung zum Asia Filmfest 2009 jetzt fertig.

Endlich Halbzeit! (+/- p x Daumen)

Aus gegebenem Anlass: 40 Lieblingsfilme aus 40 Lieblingsjahren

1969: Ein Hauch von Zen (Taiwan)
1970: M*A*S*H (USA)
1971: Carnal Knowledge – Die Kunst zu lieben (USA)
1972: Der Pate (USA)
1973: Der Exorzist (USA)
1974: Das Kettensägenmassaker (USA)
1975: Angst über der Stadt (Frankreich, Italien)
1976: Taxi Driver (USA)
1977: Suspiria (Italien)
1978: Zombie (Italien, USA)
1979: Das Böse (USA)
1980: Wie ein wilder Stier (USA)
1981: Arthur – Kein Kind von Traurigkeit (USA)
1982: Basket Case (USA)
1983: Zelig (USA)
1984: Nightmare – Mörderische Träume (USA)
1985: Mishima – Ein Leben in vier Kapiteln (USA)
1986: Blue Velvet (USA)
1987: Near Dark (USA)
1988: Hellbound – Hellraiser II (Großbritannien)
1989: Tetsuo (Japan)
1990: M.A.R.K. 13 – Hardware (Großbritannien)
1991: Das Schweigen der Lämmer (USA)
1992: Lawinen über Tolzbad (Kanada)
1993: Manhattan Murder Mystery (USA)
1994: Mrs. Parker und ihr lasterhafter Kreis (USA)
1995: Clueless – Was sonst! (USA)
1996: Der Hexenclub (USA)
1997: L.A. Confidential (USA)
1998: Happiness (USA)
1999: eXistenZ (Kanada, Großbritannien)
2000: Cecil B. – Echte Menschen, echter Terror. (Frankreich, USA)
2001: Donnie Darko (USA)
2002: Ju-On – The Grudge (Japan)
2003: Tokyo Godfathers (Japan)
2004: Kamikaze Girls (Japan)
2005: Princess Aurora (Südkorea)
2006: Saw III (USA)
2007: La antena (Argentinien)
2008: The Shonen Merikensack (Japan)
2009: Vengeance (Hongkong, Frankreich)

Okay, sind 41, klassischer Denkfehler der mathematisch Minderbemittelten. Aber Sie wissen schon, wie es gemeint ist.

Ja, hätte man in Jahrtausenden gerechnet auch kürzer fassen können, quasi Kettensägenmassaker und Kamikaze Girls, aber heute lassen Sie Opa bitte mal ausreden und tun interessiert.

Asia Filmfest: Deleted Scenes

Der Typ von dasmanifest.com neulich so: „Ey, machste für uns wieder die Berichterstattung vom Asia Filmfest?“
Ich so: „Ja ja.“
„Hammer! Aber pass auf: Durst und The Beast Stalker musste nicht machen, da haben wir schon Texte.“
„Ja ja.“
„Hast du mir überhaupt zugehört?“
„Ja ja.“
„Was hab ich gesagt?“
Durst und The Beast Stalker. Ich hab doch keine Bohnen in den Ohren.“
„Na gut. Wie gesagt: Die beiden nicht.“
„Ja ja“.
***
Ein paar Tage später: Schreibe ich also wie ein Gehetzter meine Kritiken zu Durst und The Beast Stalker – und da stellt sich heraus, dass der Typ von dasmanifest.com die gar nicht haben wollte! Hätte er auch vorher sagen können!
Dann kommen sie halt hier. Hier fressen sie ja kein Brot.

DURST (Südkorea 2009)

Ich bin ein Vampir, aber das ist okay. Der katholische Priester Sang-hyun (Song Kang-ho) kann zunächst gut damit leben, dass er als Untoter durchs Leben geht, seit er sich in Afrika einen Blutsauger-Virus eingefangen hat. Schließlich arbeitet er in seiner südkoreanischen Heimat als Krankenhausseelsorger und kann leicht mal einem Komapatienten etwas abzapfen, wenn seine Haut zu sehr schuppt. Stärker als der Blutrausch versucht ihn die Fleischeslust, als Kindheitsfreundin Tae-ju (fantastisch anämisch: Kim Ok-vin) wieder in sein Leben tritt, inzwischen frustrierte Gattin eines lächerlichen Kindheitsfreundes und unter der Fuchtel ihrer unmöglichen Schwiegermutter. Der Ehebruch wird begangen, Mordpläne werden geschmiedet und ausgeführt, auch Tae-ju wird zum Vampir. Aber aus großer Leidenschaft wird eine eheähnliche Hassliebe, und je blutrünstiger Tae-ju wird, desto sicherer wird sich der inzwischen ehemalige Priester, dass er einen Schlussstrich ziehen muss.

Offenbar hat Regisseur Park Chan-wook lange nach dem Film gesucht, der DURST werden sollte. Die gute Nachricht: Er hat ihn gefunden. Die nicht so gute Nachricht: Er hat nicht alle Spuren seiner Suche verwischt. Immer wieder mäandert DURST zwischen Drama, Horror, Klamotte, sexy Sex, Amour fou und Film noir. Kaum etwas davon ist misslungen, aber einiges ist verzichtbar. Brauchen wir wirklich eine medizinische Erklärung für die Existenz von Vampiren? Nein, das hat ohnehin noch nie funktioniert, weil Vampire medizinisch betrachtet Quatsch sind. Geht nicht, gibt’s nicht. Ganz egal, wie viele moderne Vampir-Filme uns noch mit Mikroskopaufnahmen von wimmelnden Blutkörperchen kommen. Vampire kann man nur mythologisch, psychologisch oder am besten gar nicht erklären.

Die Szene, in der sich Sang-hyun und Tae-ju aufs Heftigste im biblischen Sinne kennenlernen, ist wunderschön und hoch erotisch, und sie wird später wunderbar kontrastiert von einer ausgesucht leidenschaftslosen Liebesszene. Aber muss sie so lang sein? Bei aller Schönheit bringt sie nicht nur die Figuren, sondern auch die Dramaturgie zum Erliegen. Auch dass Sang-hyun anfangs katholischer Priester ist, kommt einem über kurz oder lang nicht so wichtig vor, wie es Park Chan-wook zu sein scheint. Sicherlich wird hier und da ein moralischer Konflikt zwischen vampirischen Trieben, fleischlichem Verlangen und christlicher Lehre thematisiert. Aber es ist doch sehr zu hoffen, dass katholische Priester nicht die einzigen Menschen sind, die mit Ehebruch, Verstümmelung und Mord moralische Probleme haben. Überhaupt ist die Schuld-und-Sühne-Thematik in Vampir-Erzählungen (oder im Horror überhaupt) ein alter Hut, und er bekommt in DURST keine neuen Federn.

Seine wahre Größe findet der Film im Humor. In schwarzer Situationskomik, in blutigem Slapstick, im Screwball-Rapport der beiden Hauptrollen, in den bizarren, brillant gespielten Nebenfiguren. In der Komik, der leisen wie der lauten, ist DURST ganz bei sich. Und im Finale, wenn sich Sang-hyun und Tae-ju einen letzten, fast wortlosen und relativ gewaltfreien Ehekrach kurz vor Sonnenaufgang gönnen, erreicht der Film das, was er vielleicht die ganze Zeit versucht hatte: die perfekte Balance zwischen Komik und Melodramatik. Der Weg dahin war weniger perfekt. Aber dass man ihn dennoch gerne mitgegangen ist, spricht für den Film. Auch wenn man sich hier und da eine Abkürzung gewünscht hätte.

durst

THE BEAST STALKER (Hongkong 2008)

Der Polizist Tong (Nicholas Tse) ist nicht ganz unschuldig am Tod der kleinen Tochter von Staatsanwältin Gao (Zhang Jingchu). Das Mädchen kam bei einem Autounfall während eines verpatzten Polizeieinsatzes ums Leben. Ein Gangsterboss und diverse andere Finstermänner waren ebenfalls an der Karambolage beteiligt. Tong fühlt sich nun besonders verantwortlich für das Wohlergehen der Zwillingsschwester der Toten. Als sie im Auftrag des inzwischen inhaftierten Gangsterbosses entführt wird, nimmt Tong auf eigene Faust die Verfolgung des Kidnappers auf, am Polizeiapparat vorbei.

THE BEAST STALKER ist ein routinierter Polizei-Thriller nach Hongkonger Art, der so gern mehr sein möchte. In harten, glaubwürdigen Action-Szenen läuft er zu Höchstform auf, aber dazwischen läuft er oft leer. Mit Rückblenden sollen die Schicksale der Figuren noch enger verzahnt werden, als sie es ohnehin sind, aber dieser Zwang alles mit allem zu verbinden, lässt die Handlung nur unnötig konstruiert erscheinen. Zumal dabei lediglich die Ereignisse an Komplexität gewinnen, nicht aber die Figuren, was viel nötiger gewesen wäre. Insbesonders Hauptfigur Tong bleibt frustrierend blass. Ja, er trägt schwer an seiner Schuld, aber was ist er sonst für ein Typ? Seine Interaktion mit den anderen Rollen gibt darüber keinerlei Aufschluss.

Gerade der Kidnapper ist die einzige facettenreich gestaltete Figur. Sollte er das Beast in THE BEAST STALKER sein, wäre der Titel reichlich absurd gewählt, denn der Film schafft es erfolgreich, ihn gerade nicht als stereotype Bestie darzustellen, sondern als einen Mann in der Krise. Einer, der aus redlichen Gründen Unredliches tut. Einer der weiß, dass er selbst zum Scheitern verurteilt ist. Aber was er tut, ist größer als er allein. Für diese Charakterisierung Beifall. Dafür, und für die muntermachende Action. Für den Rest nur verhaltenen Höflichkeitsapplaus.

Beastie Boy

Und hier – der Rest vom Fest (in Arbeit).