Huch, was sind wir in letzter Zeit monothematisch gewesen. Aber es waren ja auch tolle Tage. Die sind jetzt vorbei, wir glänzen ab sofort wieder mit eigener Leistung und widmen uns angenehmeren Themen, z. B. Totenköpfe. Als neulich im DACH-Oberschichtenfernsehen Japanwoche war (wir berichteten), sagte dort der Künstler Takashi Murakami sinngemäß so etwas wie, dass der Totenkopf in der westlichen Kultur düster besetzt sei, in Japan hingegen häufig als süßer Fratz daherkäme. Der westliche Teil des Statements stimmt nur bedingt, spätestens seit Johnny Depp ist auch bei uns der stilisierte Totenkopf zum Ironie-Glamour-Symbol für vieles vom Damenhut bis zum Beruhigungssauger geworden. Aber gegen Japan ist Deutschland tatsächlich noch Totenkopfentwicklungsland. Drüben muss man sich derzeit schwer anstrengen, irgendeinen Gebrauchs- oder Genussgegenstand zu finden, auf dem kein Schädel abgebildet ist. Ich möchte drei Beispiele vorstellen, ohne die mein Haushalt einfach nicht mehr derselbe wäre. Diese drei hegen keinerlei Anspruch darauf, die originellste Verwendung von Totenköpfen aller Zeiten zu repräsentieren. Es handelt sich lediglich um drei Exemplare, die mir ganz persönlich ans Herz gewachsen sind.
Totenkopf-Filzuntersetzer
Damit macht Trinken gleich noch mal soviel Spaß, und man hat die Konsequenzen stets vor Augen. Insbesondere für Hochprozentiges geeignet. Die Untersetzer stammen aus der Halloween-Promotion eines 100-Yen-Shops. Als dummdreister, unreflektierter Anti-Amerikanist bin ich zwar gegen die Halloweenisierung der außeramerikanischen Welt, aber hier konnte ich nicht widerstehen. Vor so niedlichen Totenköpfen muss jede Kulturkritik in die Knie gehen. Außerdem hat man, untypisch für Japan, ja nicht extra draufgeschrieben: „LET’S HAPPY HALLOWEEN, ISN’T IT!“ Obwohl das eigentlich auch ziemlich cool wäre. Totenkopfuntersetzer kann man zu jeder Jahreszeit verwenden, sie werden Bewirtungsgästen immer ein Lächeln um die Züge zaubern.
Totenkopf-Ohrhörer (Attrappe)
In einer koreanischen Geek-Mall gekauft, es handelt sich aber um ein japanisches Produkt Made in China. Man kann das große Meer, über das die Ohrhörer gekommen sind, in ihnen noch prächtig rauschen hören. Zum Musikhören sind sie dadurch völlig ungeeignet, aber Show-Hören sah nie cooler aus.
Totenkopf-Notizblock
Für besonders süße Abschiedsbriefe. Nimmt die goldige Schleife dem Schädel den Schrecken, oder ist es der modische Glitzerlook? Ebenfalls aus dem 100-Yen-Shop, war also günstiger als Vergleichbares von Damien Hirst, wo man häufig auch für den Namen mitbezahlt.
Zum Anfang der Woche eine Zusammenfassung der letzten Woche, das waren nämlich zwei Wochen auf einmal: Auf 3sat war Japanwoche, in der Kantine meiner Firma war Fischwoche. Jemand da oben meinte es gut mit mir. Hier das vergleichende Protokoll.
MontagFischwoche: Frische Forelle. Ich erwarte selbstverständlich ein großes Becken auf dem Firmenparkplatz und den Chefkoch mit einer Angel zu sehen. Sehe ich aber nicht. Nur Fisch, der aussieht wie freitags, also stark paniert. Da ist noch Luft nach oben.
Japanwoche: Die Dokumentation über das Weltkulturerbe verpasse ich, ich bin noch zu beschäftigt mit Mass Effect, meinem Lieblingsspiel. Voll da bin ich erst zur Reportage über den Schienenverkehr. Es stellt sich heraus, dass japanische Bahnunternehmen bei der Planung von Abläufen, Bahnhöfen und Fahrzeugen offenbar ein Hauptaugenmerk auf die Zufriedenheit des Fahrgastes legen. Davon ist man in Deutschland noch weit entfernt, das hiesige Bahnunternehmen schert sich nicht mal um das Überleben seiner Fahrgäste.
Danach österreichische Nachrichten (man ist national besoffen vom Golden-Globes-Doppelsieg, den auch Deutschland gerne für sich beansprucht), schließlich eine Dokumentation über Ryuichi Sakamoto. Die wollte ich mir eigentlich sparen, aber es ist noch Wein in der Flasche. Ohne dass es Beef gäbe, bin ich kein ausdrücklicher Sakamoto-Anhänger. Seine Filmmusiken haben mich nie groß interessiert, weil mich die dazugehörigen Filme nicht groß interessieren. Seine frühen Popplatten finde ich offen gestanden sogar ziemlich furchtbar, aber das ist nicht schlimm sondern normal. Viele Japaner meines Alters geraten in Verzückung, wenn etwas von Yellow Magic Orchestra gespielt wird, während ich, der ich diese Musik nur retrospektiv kennen gelernt habe, sie bloß unvorteilhaft aus der Zeit gefallen finde. So ist das mit den Soundtracks der Kindheit und Jugend: Man muss wohl dabei gewesen sein. Die Kinder bei uns im Haus schauen auch nur ratlos und besorgt, wenn ich mit meinen Plastikpistolen hinter der Ecke hervorspringe und „Stand and deliver!“ kreische.
Im Filmportrait erweist sich Sakamoto als ein angenehmer Mensch und Gesprächspartner, der sich stets bemüht, auch auf doofe Fragen originell zu antworten. Das ist zwar mitunter etwas krampfig, aber höflich. Gleich anfangs mag Fragesteller Gero von Boehm nicht auf die abgedroschene Frage nach dem Klang der Stadt New York verzichten (findet er so toll, dass er später in anderem Zusammenhang noch mal danach fragt). Wahl-New-Yorker Sakamoto strengt sich sehr an, um schließlich mit einer Antwort über Klimaanlagen zu kommen. Drollig: Japaner finden die USA häufig überklimatisiert, während viele Amerikaner dasselbe über Japan denken. Beide Seiten haben recht.
Ich werde beizeiten noch mal in Sakamoto reinhören. Voreilig gefasste Meinungen zu revidieren ist mein neuestes Hobby.
Fazit: Fernsehen war besser als Essen, eine Seltenheit. Fischwoche vs. Japanwoche Zwischenstand: 0:1.
DienstagFischwoche: Frisches Lachsfilet. Wieder wird die Frische angepriesen, wieder sehe ich nirgendwo einen Angler. Überhaupt sieht das Lachsfilet aus wie die Forelle von gestern, schmeckt auch sehr ähnlich. Erste Kollegen werden unruhig und behaupten, es handele sich in Wirklichkeit in beiden Fällen um Scholle. Man könnte bei den Verantwortlichen nachfragen, aber das könnte ja jeder.
Japanwoche: Vom heutigen Programm bekomme ich nicht viel mit, weil ich am Dienstagabend immer in meinen Debattierklub muss. Als ich nach Hause komme, läuft nur noch Der Wald der Trauer, ein stiller Film über traurige Leute im Wald, der mir spontan gut gefällt, auf den ich mich nach einem einigermaßen schlauchenden Tag aber nicht mehr recht einlassen mag. Stattdessen schaue ich C.H.U.D. (Cannibalistic Humanoid Underground Dwellers) Panik in Manhattan!, damit ich besser schlafen kann.
Fazit: Für heute liegen zu wenige Informationen für eine Beurteilung vor. Ergebnis bleibt unverändert.
MittwochFischwoche: Es herrscht Einigkeit unter den Mitessern, dass bislang die Japanwoche besser war als die Fischwoche, das könnte sich aber heute ändern, die Fischwoche trumpft auf mit zarter Fischroulade und einem überraschendem Coup: lila Kartoffeln (die müssen so).
Japanwoche: Eine Reportage über russische Fischer auf den Kurilen, eine Inselgruppe, um die sich Japan und Russland gerne streiten. Der Streit ist eigentlich interessanter als die Fischerei, aber das ist nur meine Meinung, und auf die würde ich mich nicht mal selbst verlassen. Ich kann dies und alles Nachfolgende nur mit höchstens einem Auge sehen, weil Wasch- und Schreibarbeiten parallel erledigt werden müssen, und dass der Mensch nicht multitaskingfähig ist, ist wissenschaftlich erwiesen. Lassen Sie sich von Vorgesetzten, Personalern oder Motivationsheinis nichts einreden. Ich sehe noch ein paar Bilder von der Tokioter Spaßinsel Odaiba, auf der ich mal über eine Woche allein gefangen war (für einen Tagesausflug zu zweit ist sie ganz lustig), dann läuft der Horrorfilm Ring – Das Original. Das ist löblich, aber den kann ich schon zweisprachig mitsprechen, deshalb schaue ich Sword of the Stranger. Ist super, läuft aber außer Konkurrenz.
Fazit: Diese Runde geht an die lila Kartoffeln, auch wenn es ein wenig daran liegt, dass der Schiri abends nicht richtig geguckt hat. 1:1.
Jetzt kommt ein Bild aus Ring, weil so langsam mal ein Bild kommen muss:
Donnerstag
Fischwoche: Die Belegschaft ist außer Rand und Band, es gibt Spaghetti mit Garnelen. Meine Freude hält sich in Grenzen, denn das ist genau das, was ich immer zuhause mache, wenn mir nichts Besseres einfällt.
Japanwoche: Ärgerlich: Die Dokumentation Von Geishas und Gameboys ist 16 Jahre alt. Dafür kann sie nichts, aber durch die ungenügende Erwähnung dieses Umstands wird dem unbeleckten Zuschauer der Eindruck vermittelt, all die gezeigten kulturellen Trends und gesellschaftlichen Umwälzungen seien brandneu. Noch ärgerlicher ist der bevormundende Ton, den man häufig in solchen Reportagen hören muss. Westliche Beobachter wissen ja immer viel besser als echte Japaner, was echte japanische Kultur ist. Alles, was modern ist, wird hier ohne Fachkenntnis und ohne jede Bereitschaft zum genaueren Hinsehen als eklig amerikanisiert abgetan, nur Geisha, Samurai & Co. gelten als authentisch japanisch. Dass die traditionelle japanische Kultur stark von China, Portugal und sonstwo beeinflusst ist, wird nicht erwähnt. Ist wohl nicht so schlimm wie amerikanische Beeinflussung. Die Tonlage ist die, in der es im Nachkriegsfernsehen häufig besorgt hieß: „Diese jungen Leute und ihre ‚Beat‘-Musik …“
Bei scobel hat Scobel drei Gäste. Einer erzählt hanebüchenen Unsinn, einer drückt sich etwas umständlich aus, einer wird immer abgewürgt, wenn er ansetzt was Vernünftiges zu sagen, und überhaupt hört Scobel am liebsten Scobel scobeln. Okay, diese Urteile sind extrem unfair (außer das zu Scobel, das trifft den Nagel auf den Kopf), da sie sich nur auf die knapp zwei Minuten beziehen, die meine ungeteilte Aufmerksamkeit haben. Ansonsten bin ich stark abgelenkt durch äußere Einflüsse wie Telefon und Internet.
Als Film gibt es Das verborgene Schwert. Ein hervorragender Film, den ich aber kürzlich erst aus freien Stücken gesehen habe, da muss ich ihn mir nicht heute schon wieder vom Fernsehen aufzwingen lassen. Stattdessen gönne ich mir Ichi – Die blinde Schwertkämpferin. Ganz okay, aber ein bisschen wenig Ichi für einen Film namens Ichi – Die blinde Schwertkämpferin. Manchmal kommt mir die dauerhaft Flunsch ziehende Protagonistin auch vor wie Ichi – Die stumme Schwertkämpferin. Dabei schaue ich doch solche Filme teils auch aus spracherzieherischen Gründen. Falls es eine Fortsetzung gibt, heißt die dann eigentlich Ichi Ni? Entschuldigung, kleiner Linguistenscherz.
Fazit: Spaghetti mit Garnelen, Klassiker. Die Fischwoche geht 2:1 in Führung.
FreitagFischwoche: Irgendein Fisch in sehr viel Tomatensauce, die sehr gut ist.
Japanwoche: Am Freitagabend kommen selbstverständlich die leichten Themen. Zuerst: Kamikaze. Kann ich nicht gucken, wg. Terminkonflikt. Gegen Jauch kann keine Kamikaze was ausrichten. Danach Börse. Für eine Börsensendung relativ unterhaltsam, auch wenn man sich nicht die Bohne für den Quatsch interessiert. Etwas unseriös: Ein Filmbericht erweckt den Eindruck, als habe der neueste Premierminister Yukio Hatoyama seine berüchtigte Schlagerplatte aktuell zur Aufrüttelung seines Volkes aufgenommen, dabei handelt es sich um eine 20 Jahre alte Fortysomething-Sünde.
Fazit: Die Tomatensauce war schon sehr gut. 3:1 für Fischwoche. Das ist eine ziemliche Überraschung.
Sagte vorhin jemand Kamikaze? Dann kommt jetzt der Trailer für den Spielfilm Kamikaze Girls:
SamstagFischwoche: Mit der Arbeitswoche ist freilich auch die Fischwoche offiziell um, aber ich bin findig und mache mir zum Frühstück ein Garnelenbrot mit Meerrettich unten und Jalapenos oben. Herrlich.
Japanwoche: Magere Ausbeute: eine Dokumentation über eine Feuerwerkerin. Interessiert mich nur oberflächlich, schaue ich nur punktuell.
Fazit: Das Brot war besser, erstaunliche 4:1 für die Fischwoche.
SonntagFischwoche: Dachte nie, dass ich das mal sagen würde: Ich kann nicht mehr. Heute gibt es Spaghetti ohne Garnelen, was Besseres fällt mir nicht ein.
Japanwoche: Auf die letzten Meter will es die Japanwoche noch mal so richtig wissen. Es geht schon morgens los, aber da habe ich noch keine Zeit, denn weil die Minusgrade jetzt nur noch einstellig sind, hat die Dauerlaufsaison wieder begonnen. Am Nachmittag bin ich folglich zu kaputt zum Fernsehen. Am frühen Abend bereite ich die Spaghetti zu und kann mich leider nicht auf die Dokumentation über Ringerinnen konzentrieren. Ich werde hellhörig, als „Kaoru, die Spanplatten-Schlampe“ erwähnt wird. Ich hätte gern mehr davon gesehen.
Dann endlich: Takashi Murakami, der kommerziellste Künstler der Welt. Ich liebe Murakami. Er kritisiert das Niedliche durch das Niedliche, das Oberflächliche durch Oberfläche und macht damit einen riesen Reibach von Insassen der „superflachen“ (Murakami) Gesellschaft, die er kritisiert. So verlogen mindestens sollte gute Kunst schon sein. Selbstverständlich besitze auch ich ein paar Murakamis, soll ich mal zeigen?
Hier, meine Murakami-Mappen:
Und meine Buttons:
Es ist Kunst für das tägliche Leben. In einer Mappe transportiere ich die aktuellen Arbeitsbögen meines Japanischkurses, in einer sammle ich auf Reisen lose Blätter, eine hat ihren Zweck noch nicht gefunden, bis dahin bleibt sie originalverpackt und mint. Murakami hat jeden Yen redlich verdient, den ich dafür bezahlt habe.
Danach eine Doku über Essen in Japan, wurde ja Zeit. Gut und umfangreich, nur der Peter-Lustig-Bob-Ross-Erzählton nervt ein wenig. Anstatt genau zu analysieren, zeige ich ein Foto, auf dem ich Okonomiyaki mache:
Und dann badende Affen und Schluss, jetzt gucke ich noch irgendeinen bekloppten Tomie-Film, dann muss ich ins Bett, und nächste Woche will ich von Fisch und Japan nichts hören.
Fazit: Niemand schlägt Kaoru, die Spanplatten-Schlampe. Heute drei Punkte für Japan. Insgesamt: ein harmonischer 4:4-Gleichstand.
Tut mir leid, was ich vorhin über das Telespiel Mass Effect geschrieben habe, ich hatte wohl was Falsches gegessen, vielleicht war mir sogar eine Laus über die Leber gelaufen. Das Spiel ist doch ganz gut. Bitte schreiben Sie keine bösen Leserbriefe mehr.
Es ist nicht so gut, wie alle sagen, aber es ist trotzdem ganz gut. Einige Aspekte sind katastrophal schlecht (Inventarsystem, Fertigkeitensystem, Kampfsystem), aber es ist trotzdem ganz gut. Es hat nicht so viele Bikini-Samurai wie Bikini Samurai Squad, aber es ist trotzdem ganz gut. Eigentlich ist so gut wie gar nichts gut an Mass Effect, aber es ist trotzdem ganz gut. Es ist diese Sache mit der Summe und den Einzelteilen.
Die Pauschalkritik an der Rassenlehre in der Science Fiction bleibt bestehen, auch die Detailkritik am Textinformationsoverload des Spiels, aber wenn man mal mit beiden Augen darüber hinwegsehen kann, ist das Ganze im Rahmen seiner Möglichkeiten eine feine, komplexe Weltraumabenteuerschnurre, in der man sich bestens verlieren kann. Wenn das so weitergeht, spiele ich womöglich auch noch Teil 2.
Woher der plötzliche Sinneswandel? Trunken von meinem Furor wollte ich gestern nach dem Bloggen sofort das Spiel von meiner Xbox löschen, damit ich es nie wieder sehen müsse. Ich habe aber nicht herausgefunden, wie oder ob überhaupt das geht. Und da dachte ich mir: So. Wenn ich das Mistding nicht löschen kann, dann spiele ich es einfach weiter, wo ich schon mal davor sitze, das hat es jetzt davon, haha!
Aber das Spiel hat zuletzt gelacht. Ist halt ein Spiel, das erst nach sieben Stunden so richtig gut wird.
Jetzt einen Trailer von Mass Effect oder Mass Effect 2 zu zeigen, wäre total langweilig. Deshalb lieber einer von Bikini Samurai Squad:
Aber langhaarige Profikiller sind trotzdem affig.
Plötzlich der Gedanke: Mensch, ich würde auch gerne mal eines von diesen modernen Telespielen spielen, von denen alle immer sprechen. Leider läuft auf meinem Computer nur Monkey Island 2 einigermaßen ruckelfrei. Ich sehe das aber gar nicht ein, dass ich mir nach kaum 20 Jahren schon wieder einen neuen Computer kaufen soll, also habe ich mich für eine Xbox 360 entschieden. Sony ist mir als Konzern emotional unsympathisch.
Beim Auspacken war ich erstmal enttäuscht. Die neue Xbox ist ein bisschen das Gegenteil der alten. Die alte sah auf Fotos aus wie etwas, was nur ein Automechaniker lieben kann, aber in natura … okay, auch nicht viel besser, aber halb so wild wie befürchtet. Die neue hingegen wirkt in der Werbung sehr elegant, sieht aber zuhause aus wie Heizkörper. Macht ja nichts, man guckt ihr schließlich auf die Spiele, nicht aufs Gehäuse. Fünf Spiele habe ich mir auch gleich zugelegt, zwei aus Überzeugung, drei weil sie günstig waren und ich doof bin. Das eine Günstige heißt Fable II, es scheint irgendein Fantasy-Quatsch mit einem Hund zu sein. Ich habe das Handbuch angelesen und war nicht überzeugt. Wahrscheinlich werde ich es nie spielen. Ein Spiel von Software-Legende Peter Dingsbums, Sie wissen schon, der, der im vorindustriellen Zeitalter mal einen Hit hatte und seitdem teure Flops produziert. Eigentlich also ganz sympathisch. Aber trotzdem. Scheinbar anscheinend eines dieser Spiele, die sind, wie das echte Leben ist: Wenn man viel isst, wird man fett. Wenn man was Anständiges lernt, bekommt man einen langweiligen Beruf. Erinnert mich an den historischen 2-Minuten-Hype Shenmue, der vorbei war, als man merkte, dass Milchkaufen im Videospiel genauso aufregend ist wie Milchkaufen im wirklichen Leben. Das ist das Kreuz mit diesen übereifrigen Streber-Spieledesignern. Sie begreifen nicht, dass ein Spiel ein Spiel ist, wenn es etwas Spielerisches hat. Man beschäftigt sich mit etwas, was fern des eigenen Alltags ist. Ich brauche kein zweites Leben, vielen Dank, das erste geht noch. Nicht umsonst wird viel lieber Cowboy & Indianer gespielt als Content Manager & Pediküre. Was kommt als nächstes, Steuererklärung of Duty 5: The Reckoning of Oblivion of Redemption?
Das zweite Spiel, bei dem ich skeptisch war, heißt (und jetzt kommt die Originalität ganz dicke): The Darkness. Es basiert auf einem Comic, der mich seinerzeit extrem gelangweilt hatte, und den ich deshalb nicht mehr zusammenbekomme. Gedanke: Ist als Spiel vielleicht besser. Erkenntnis: Nö, eher im Gegenteil. Wenn ich auf Memmen-Schwierigkeitsgrad schon während des Vorspanns deutlich öfter als fünfmal sterbe, dann spricht das nicht für ein Spielerlebnis, auf das ich mich so richtig freue. Dabei spiele ich Shooter generell so vorsichtig, wie es geht. Permanent geduckt, also wie im richtigen Leben. Früh im Spiel möchte man Erfolgserlebnisse statt Ladezeiten. Sterben kann man später immer noch.
Stellt sich heraus, dass The Darkness von einem langhaarigen Profikiller handelt. Das ist zusätzlich schlecht. Wenn es eine Berufsgattung gibt, die mir total über ist, dann ist das die des Profikillers. Im Erzähluniversum der Unterhaltungsindustrie ungefähr sowas wie der Einzelhandelskaufmann im realen Leben. Man begegnet ihnen an jeder Ecke, und irgendwann ist man es über. Und mit langhaarigen Männern ist das so eine Sache. Ich möchte nicht sagen, was für eine Sache, denn das würde redlichen und klugen langhaarigen Männern, die es durchaus gibt und die mir bekannt sind, vor den Kopf stoßen. Ich lasse also lieber die bewundernswerte Modejournalistin Hadley Freeman sprechen, zitiert aus ihrem Buch Meaning of Sunglasses:
”Name me a single time when long hair has improved a man’s look and I will personally come around to your house and tap-dance naked on your coffee table.”
Ich schließe mich gerne an, falls jemand das eine gute Idee findet (aber nur, wenn Frau Freeman auch wirklich mitmacht). Jedenfalls illustriert dieses Zitat, warum ich den Protagonisten von Darkness abgesehen von seinem unoriginellen Beruf auch optisch nicht recht ernst nehmen kann. Ein weiteres No-Go sind die drittklassigen Scorsese-Dialoge (also quasi Tarantino-Dialoge).
Eines der Spiele, die ich mir aus Überzeugung gekauft habe, ist Dead Space. Man spielt einen Weltraummechaniker, der auf einer Weltraumstation gegen Weltraummonster kämpft. Der Weltraummechaniker heißt Isaac Clarke, was bestimmt der nerdigste Weltraumname aller Zeiten ist (was man aber freilich nur als Riesennerd bemerkt). Man hat Spiele, in denen man durch dunkle Gänge schlurft und in regelmäßigen Abständen von fauchenden Monstern angesprungen wird, schon etwas zu oft gespielt um davon noch feuchte Fingerchen zu bekommen, aber der Spaß ist hier auch ohne die Furcht noch da.
Bis diese blöden Meteoriten kommen.
Ich pack das ni-hi-hi-hicht! Kann das mal jemand für mich machen? Die alle abschießen? Danach kann ich bestimmt wieder alleine. Ich hab längst jeden Stolz verloren, ich würde auch einen Cheatcode nehmen, um die Stelle zu überspringen. Scheint es aber nicht zu geben. Falls doch, bitte schicken Sie. Aber wirklich nur Cheatcode. Keine warmen Worte, Durchhalteparolen oder taktische Verhaltensregeln. Hab ich alles recherchiert, hab ich alles versucht, hat alles nicht gefruchtet. Mal halte ich länger, mal kürzer durch, aber es endet immer damit, dass ich explodiere.
Es ist sehr frustrierend und überhaupt nicht zu tolerieren, wenn ein eigentlich anständiges Spiel durch eine konzeptionell völlig aus dem Rahmen fallende Passage mittendrin aus heiterem Himmel unspielbar wird. Was Spielprinzipien angeht, bin ich puristisch. Ich mag es nicht, wenn ein Egoshooter plötzlich von mir verlangt Auto oder Boot zu fahren, dafür bin ich nicht gekommen. Und ich mag es erst recht nicht, wenn ich mich in einem Nullerjahre-Action-Adventure durch Achtzigerjahre-Spielhallen-Gedrücke daddeln muss. Schade, Dead Space, ich hatte wirklich das Gefühl, dass das mit uns was Ernstes hätte werden können. Aber so nicht.
Im Weltraum hört dich niemand gähnen: Eine noch größere Enttäuschung ist das zweite Überzeugungsspiel, Mass Effect, aber das wenigstens von Anfang an. Immerhin macht das Spiel einem nichts vor. Mein Denkansatz im Vorfeld war: Juhu, ein Science-Fiction(!)-Rollenspiel mit einem eigens dafür (!) kreierten Handlungshintergrund. Kein Elfendrachenzwerge-Mumpitz, keine Übernahme aus Film und Fernsehen, alles neu. Pustekuchen, gar nichts neu. Es ist der übliche Sternenallianzenunsinn, der einem seit den Sechzigern aus den Ohren rauskommt, und der aus unerfindlichen Gründen als humanistisch vorbildlich gilt, obwohl er bloß dumpfste Kolonialherrenmenschenmentalität ausdünstet: Außerirdische sind zwar ganz okay, aber so richtige Menschen sind eben doch nur die Menschen. In der Science Fiction funktioniert die Rassenlehre noch ganz fantastisch: Die von diesem Planeten sind alle gefühlskalte Logiker, die von jenem allesamt gierige Geizhälse. Nur die guten alten Menschen von der guten alten Erde können alle immer alles sein.
Selbst wenn man gewohnheitsmäßig jede Form von Vernunft als „politische Korrektheit“ verunglimpft und sich am Muff von tausend Jahren nicht stört, wird man in Mass Effect wenig Freude haben. Man kann keine zwei Meter laufen, ohne dass einem seitenweise neue, endlos öde Textinformationen zu Politik und Gesellschaft, Flora und Fauna ins virtuelle Logbuch gespeist werden. Die meiste Zeit des Spiels verbringt man mit Lesen. Endlich ein Textadventure, dass die Möglichkeiten der Next-Gen-Konsolen voll ausnutzt.
Ewige sechs Stunden habe ich mich mit Mass Effect rumgeärgert, ehe ich einsah und aufgab. Ich möchte jetzt nicht das bedenkliche Hardcore-Argument hören, dass das Spiel erst „nach 20 Stunden so richtig gut“ wird. Ich glaube, mein Schwein pfeift! So lange kann ich nicht warten, ich bin doch kein Zen-Buddhist. Sechs Stunden sollten reichen um beurteilen zu können, ob etwas Spaß macht oder nicht. Und Spaß finde ich bei Spielen enorm wichtig.
Apropos Spaß: Es gab dann doch noch ein Happy End: Eternal Sonata.
Eternal Sonata ist ein japanisches Fantasy-Rollenspiel, das im Fiebertraum des sterbenden Frédéric Chopin spielt, und das ist genau so gut, wie es sich anhört. Man kann Monster verkloppen und lernen. Nach jedem abgeschlossenen Kapitel kommt ein ziemlich langes Lehrvideo über das Leben von Chopin. Alle Helden und Schurken haben musikalische Namen wie Beat, Jazz, Allegretto. Man kann Partituren sammeln und mit Nichtspielerfiguren jammen. Die Hauptheldin Polka ist aufgerüscht angetan, kämpft mit ihrem tragbaren Sonnenschirm und entschuldigt sich höflich, wenn sie jemandem eine runtergehauen hat. Frédéric kämpft freilich mit dem Taktstock.
Ich möchte nicht behaupten, dass es eine komplett unkomplizierte Beziehung wäre. Manche Abschnitte von Eternal Sonata sind schlicht zickig, bilden sich Gott weiß was ein auf ihre Unübersichtlichkeit. Aber es sind die schönen Momente, die im Gedächtnis bleiben. I like Chopin.
Die Kundendurchleuchtungsmaschinerie eines beliebten Internetversandhändlers hat übrigens festgestellt, dass verdächtig viele Kunden, die mein Buch gekauft haben, auch Eternal Sonata gekauft haben. Das freut mich aufrichtig. Ich wünschen Ihnen viel Vergnügen mit Ihren Einkäufen.
Ich wollte nur kurz Bescheid sagen: Ich bin kein Donnie-Darko-Fan mehr, ich bin jetzt Samantha-Darko-Fan. Es ist nicht so, dass meine Liebe zu Richard Kellys putzigen David-Lynch-für-Emo-Kids-Zeitreisethriller erloschen wäre, aber ich möchte mich entschieden und in aller Deutlichkeit von seinen anderen Liebhabern distanzieren. Meine Fresse, diese weinerlichen, humorlosen, spaßfeindlichen Quengelkinder sind ja schlimmer als alle Star-Trek-, Twilight-, Buffy-, Documenta- und Star-Wars-aber-nur-Episode-4-bis-6-in-Mono-Fans auf einmal. Wie sagte man in den Siebzigern? Keep repeating: It’s only a movie … it’s only a movie … it’s only a movie …
Wir erinnern uns (bzw. nicht ganz): Donnie Darko kam 2001 von der Menschheit unbemerkt in die Kinos, später schrieb jemand ins Internet, dass der Film jetzt Kult sei, und das fanden dann alle, jeder kaufte zwei DVDs, und so kam einer aus der Peripherie der Filmverantwortlichen auf die wirtschaftlich naheliegende und menschlich nachvollziehbare Idee, eine Art Fortsetzung anzukündigen – ohne die Hauptverantwortlichen und mit nur einer einzigen wiederkehrenden Darstellerin/Figur. Die Welt war entsetzt. Ohnmächtige Wut, Trauer und Betroffenheit überall. Finanzkrise, Erderwärmung und die 34 Kriege und bewaffneten Konflikte, die aktuell weltweit wüten, mussten sich hinten anstellen. Chris Fisher, Regisseur von S. Darko, bekam von den dümmsten Menschen des Internets diverse qualvolle Todesarten an den Hals gewünscht. Die Welt stand derart unter Schock, dass sie Omas altes Hausmittel gegen ungewollte Fortsetzungen komplett vergessen hatte: Einfach nicht hinschauen.
Das Traurige an unbegründeten und gut gepflegten Ressentiments ist, dass sie zu tief sitzen, als dass sie sich von der Zange der Vernunft ziehen ließen. Man sollte denken: S. Darko ist ein ganz anständiges kleines Filmchen geworden, also wird jeder Hassköter im Nu zum Schoßhund, wenn er es erstmal gesehen hat. Das klappt aber nicht. Wer den Film mit Ressentiments sieht, wird die erste kleine Schwachheit zur gigantischen Kränkung aufblasen und beruhigt den ganzen Film mit Inbrunst hassen, so wie man es eh geplant und in den Terminkalender eingetragen hatte: „Heute nach der Schule: S. Darko gucken + hassen. Danach: Was Gehässiges in ein IMDb-Forum schreiben und es diesem Chris Fisher richtig zeigen.“ S. Darko ist kein Film ohne Schwächen geworden, da wäre er der erste. Gibt man den Figuren höchstens fünf Minuten Zeit, wie es die orthodoxen DoDa-Fans tun, könnte man sie für typische US-Teenfilm-Weichbirnen halten. Tatsächlich sind sie aber wie echte Menschen, also nicht nach den ersten drei bis vier geäußerten Worten komplett zu erfassen. Die Geschichte um Donnies Schwester Samantha, einen verschwundenen Jungen, einen Meteoriten, einen ekligen Priester und einen verlumptem Kriegsveteranen ist verwirrend, und ich kann nicht behaupten, dass ich sie vollständig verstanden hätte. Das ist ja das Tolle. Hab ich beim nächsten Mal auch noch was zu tun. Donnie Darko hatte ich erst beim dritten Mal kapiert, und da nur mit Hilfe des Audiokommentars. Nichtsdestotrotz hatte der Film bereits nach dem ersten Mal einen großen Platz in meinem Herzen.
S. Darko ist kostengünstiger als sein Vorgänger, das äußert sich in einer überschaubareren Anzahl von Personal und Handlungsorten. Handwerklich ist er dabei äußerst sauber. Die Spezialeffekte sind genauso kitschig wie die von Donnie Darko, die Atmosphäre ist gemütlich morbide, die Musik passt (die Originalmusik ebenso wie die eingekauften Original-90er-Jahre-Songs), diverse Motive des ersten Films tauchen wieder auf, überhaupt hat Samanthas Geschichte eine gewisse Ähnlichkeit mit Donnies. Das kommt vor bei Fortsetzungen. Kommt auch vor, dass Fortsetzungen nicht so erfrischend sind wie ihre Vorgänger. Das erste Mal gibt es eben nur einmal. Besonders bei Fortsetzungen komplett abgeschlossener Geschichten kann man bestenfalls erwarten, dass die alten Themen auf interessante, konsistente Weise variiert werden, und das ist hier der Fall.
Meinetwegen gerne noch mehr Darko-Filme. Im Bonusmaterial der S. Darko-DVD sagt jemand, dass man ursprünglich über ein Prequel um die kauzige alte Roberta Sparrow nachgedacht hatte. Kann man ja immer noch machen. Meinetwegen auch eine Fernsehserie mit gutaussehenden jungen Menschen, Darko High. Würde ich mir alles ansehen.
Zuerst wollte ich machen: Mega Shark vs. Giant Octopus vs. der weiße Hai in Venedig. Aber Mega Shark vs. Giant Octopus musste ich nach der Hälfte ausschalten, und bis dahin hatte mich für Der weiße Hai in Venedig komplett der Mut verlassen. Es kommt der Tag, da muss man einsehen, dass man in das Alter gekommen ist, in dem schlechte Filme bloß schlecht sind, obwohl man doch mit 16 auf die Heilige Bierdose geschworen hatte, dass es nie so weit kommen würde, mit mir nicht.
Aber in einer Hinsicht muss ich Der weiße Hai in Venedig ungesehen doch über den grünen Klee loben, nämlich wegen des deutschen Titels. Zu loben ist also weniger der Film selbst (irgendein Baldwin sucht irgendeinen Schatz), als vielmehr der, der sich die Titelübersetzung ausgedacht hat, und der Verleiher, der das zu würdigen wusste anstatt wie seit Jahren üblich einfach den Originaltitel, in diesem Fall das weitaus profanere Shark in Venice, unübersetzt drauf zu lassen. Und nun kommt das Beste: Ich habe bis hierhin den deutschen Untertitel unterschlagen. Aufgepasst jetzt, bereitmachen zum Entzückt-in-die-Hände-klatschen: DAS MEER IST NICHT GENUG. Der weiße Hai in Venedig – Das Meer ist nicht genug – das ist es, was ich meine, wenn ich von Poesie spreche. Zugegeben spreche ich nicht oft von Poesie, in der Welt ist selten Grund dafür. Aber wenn Der weiße Hai in Venedig – Das Meer ist nicht genug kein trefflicher Anlass ist, dann weiß ich auch nicht. Und sollte sich nach wissenschaftlicher Untersuchung unter Laborbedingungen herausstellen, dass es sich doch nicht um Poesie handelt, dann ist zumindest Kreativität am Werk, da bin ich mir sicher. Es steckt sogar sicherlich mehr Kreativität in den 1 1/2 Sätzen des deutschen Titels als im dazugehörigen Film. Dichter und Denker wollen und sollen wir sein, deshalb fordere ich, dass die Verantwortlichen-da-oben sich auf der Stelle auf die gute alte Sitte besinnen, ausländischen Filmen deutsche Titel zu schenken, wenn sie auf den hiesigen Markt kommen. Ich will, dass Star Wars wieder Krieg der Sterne heißt. Ich plädiere dafür, dass nicht nur der Kinofilm sondern auch die Fernsehserie Dragnet rückwirkend umbenannt wird in Schlappe Bullen beißen nicht. Am Respekt vor den Originalen kann die moderne Neigung zum englischen Titel nicht liegen, schließlich wird in den deutschen Filmfassungen nachwievor ungeniert über hochtalentierte Schauspieler drübergequatscht, als wäre die Stimme eines Schauspielers nicht ein entscheidender Aspekt seines Schauspiels. Außerdem bekommen sogar spanische, französische und sonstwie ausländische Filme in Deutschland englische Titel. Le Serpent als The Snake? Muss das sein? Und wieso 96 Hours? Sechsundneunzig Auas hätte hier doch auch wie Faust auf Auge gepasst. Dass 96 Hours, obwohl eine französische Produktion, auch im Original einen (anderen) englischen Titel hat, macht die Sache nicht besser, sondern schlechter.
Was war nochmal das Thema? Nightmare Detective vs.Mad Detective. Also dazu fällt mir nun wirklich nichts ein. Das ist auch ein komisches Thema, wer hat sich das überhaupt ausgedacht? Sind halt Filme, alle beide. Der eine ist Constantine auf Japanisch, der andere Monk auf Kantonesisch. Stimmt zwar nicht, klingt aber fetzig. Da fühlt man sich schon wie ein richtiger kleiner Kritiker.
Wahrscheinlich nur wieder so ein Verlegenheitsthema, wo sich einer dachte: Oh, ich muss mal wieder was in meinen Blog schreiben, sonst denken die Leute noch, ich wäre tot oder hätte Yoko Ono geheiratet, dabei liege ich die ganze Zeit topfit auf dem Sofa, puhle im Bauchnabel und spiele Bullet Witch gegen mich selbst.
Sie merken schon: Es geht mir gut. Falls wir uns dieses Jahr nicht mehr sehen: Frohe Weihnachten and merry Christmas. Und schalten Sie auch nächstes Jahr wieder ein, wenn es heißt: Baby Mama vs. Inside.
Aus gegebenem Anlass: 40 Lieblingsfilme aus 40 Lieblingsjahren
1969: Ein Hauch von Zen (Taiwan)
1970: M*A*S*H (USA)
1971: Carnal Knowledge – Die Kunst zu lieben (USA)
1972: Der Pate (USA)
1973: Der Exorzist (USA)
1974: Das Kettensägenmassaker (USA)
1975: Angst über der Stadt (Frankreich, Italien)
1976: Taxi Driver (USA)
1977: Suspiria (Italien)
1978: Zombie (Italien, USA)
1979: Das Böse (USA)
1980: Wie ein wilder Stier (USA)
1981: Arthur – Kein Kind von Traurigkeit (USA)
1982: Basket Case (USA)
1983: Zelig (USA)
1984: Nightmare – Mörderische Träume (USA)
1985: Mishima – Ein Leben in vier Kapiteln (USA)
1986: Blue Velvet (USA)
1987: Near Dark (USA)
1988: Hellbound – Hellraiser II (Großbritannien)
1989: Tetsuo (Japan)
1990: M.A.R.K. 13 – Hardware (Großbritannien)
1991: Das Schweigen der Lämmer (USA)
1992: Lawinen über Tolzbad (Kanada)
1993: Manhattan Murder Mystery (USA)
1994: Mrs. Parker und ihr lasterhafter Kreis (USA)
1995: Clueless – Was sonst! (USA)
1996: Der Hexenclub (USA)
1997: L.A. Confidential (USA)
1998: Happiness (USA)
1999: eXistenZ (Kanada, Großbritannien)
2000: Cecil B. – Echte Menschen, echter Terror. (Frankreich, USA)
2001: Donnie Darko (USA)
2002: Ju-On – The Grudge (Japan)
2003: Tokyo Godfathers (Japan)
2004: Kamikaze Girls (Japan)
2005: Princess Aurora (Südkorea)
2006: Saw III (USA)
2007: La antena (Argentinien)
2008: The Shonen Merikensack (Japan)
2009: Vengeance (Hongkong, Frankreich)
Okay, sind 41, klassischer Denkfehler der mathematisch Minderbemittelten. Aber Sie wissen schon, wie es gemeint ist.
Ja, hätte man in Jahrtausenden gerechnet auch kürzer fassen können, quasi Kettensägenmassaker und Kamikaze Girls, aber heute lassen Sie Opa bitte mal ausreden und tun interessiert.
Der Typ von dasmanifest.com neulich so: „Ey, machste für uns wieder die Berichterstattung vom Asia Filmfest?“
Ich so: „Ja ja.“
„Hammer! Aber pass auf: Durst und The Beast Stalker musste nicht machen, da haben wir schon Texte.“
„Ja ja.“
„Hast du mir überhaupt zugehört?“
„Ja ja.“
„Was hab ich gesagt?“
„Durst und The Beast Stalker. Ich hab doch keine Bohnen in den Ohren.“
„Na gut. Wie gesagt: Die beiden nicht.“
„Ja ja“.
***
Ein paar Tage später: Schreibe ich also wie ein Gehetzter meine Kritiken zu Durst und The Beast Stalker – und da stellt sich heraus, dass der Typ von dasmanifest.com die gar nicht haben wollte! Hätte er auch vorher sagen können!
Dann kommen sie halt hier. Hier fressen sie ja kein Brot.
DURST (Südkorea 2009)
Ich bin ein Vampir, aber das ist okay. Der katholische Priester Sang-hyun (Song Kang-ho) kann zunächst gut damit leben, dass er als Untoter durchs Leben geht, seit er sich in Afrika einen Blutsauger-Virus eingefangen hat. Schließlich arbeitet er in seiner südkoreanischen Heimat als Krankenhausseelsorger und kann leicht mal einem Komapatienten etwas abzapfen, wenn seine Haut zu sehr schuppt. Stärker als der Blutrausch versucht ihn die Fleischeslust, als Kindheitsfreundin Tae-ju (fantastisch anämisch: Kim Ok-vin) wieder in sein Leben tritt, inzwischen frustrierte Gattin eines lächerlichen Kindheitsfreundes und unter der Fuchtel ihrer unmöglichen Schwiegermutter. Der Ehebruch wird begangen, Mordpläne werden geschmiedet und ausgeführt, auch Tae-ju wird zum Vampir. Aber aus großer Leidenschaft wird eine eheähnliche Hassliebe, und je blutrünstiger Tae-ju wird, desto sicherer wird sich der inzwischen ehemalige Priester, dass er einen Schlussstrich ziehen muss.
Offenbar hat Regisseur Park Chan-wook lange nach dem Film gesucht, der DURST werden sollte. Die gute Nachricht: Er hat ihn gefunden. Die nicht so gute Nachricht: Er hat nicht alle Spuren seiner Suche verwischt. Immer wieder mäandert DURST zwischen Drama, Horror, Klamotte, sexy Sex, Amour fou und Film noir. Kaum etwas davon ist misslungen, aber einiges ist verzichtbar. Brauchen wir wirklich eine medizinische Erklärung für die Existenz von Vampiren? Nein, das hat ohnehin noch nie funktioniert, weil Vampire medizinisch betrachtet Quatsch sind. Geht nicht, gibt’s nicht. Ganz egal, wie viele moderne Vampir-Filme uns noch mit Mikroskopaufnahmen von wimmelnden Blutkörperchen kommen. Vampire kann man nur mythologisch, psychologisch oder am besten gar nicht erklären.
Die Szene, in der sich Sang-hyun und Tae-ju aufs Heftigste im biblischen Sinne kennenlernen, ist wunderschön und hoch erotisch, und sie wird später wunderbar kontrastiert von einer ausgesucht leidenschaftslosen Liebesszene. Aber muss sie so lang sein? Bei aller Schönheit bringt sie nicht nur die Figuren, sondern auch die Dramaturgie zum Erliegen. Auch dass Sang-hyun anfangs katholischer Priester ist, kommt einem über kurz oder lang nicht so wichtig vor, wie es Park Chan-wook zu sein scheint. Sicherlich wird hier und da ein moralischer Konflikt zwischen vampirischen Trieben, fleischlichem Verlangen und christlicher Lehre thematisiert. Aber es ist doch sehr zu hoffen, dass katholische Priester nicht die einzigen Menschen sind, die mit Ehebruch, Verstümmelung und Mord moralische Probleme haben. Überhaupt ist die Schuld-und-Sühne-Thematik in Vampir-Erzählungen (oder im Horror überhaupt) ein alter Hut, und er bekommt in DURST keine neuen Federn.
Seine wahre Größe findet der Film im Humor. In schwarzer Situationskomik, in blutigem Slapstick, im Screwball-Rapport der beiden Hauptrollen, in den bizarren, brillant gespielten Nebenfiguren. In der Komik, der leisen wie der lauten, ist DURST ganz bei sich. Und im Finale, wenn sich Sang-hyun und Tae-ju einen letzten, fast wortlosen und relativ gewaltfreien Ehekrach kurz vor Sonnenaufgang gönnen, erreicht der Film das, was er vielleicht die ganze Zeit versucht hatte: die perfekte Balance zwischen Komik und Melodramatik. Der Weg dahin war weniger perfekt. Aber dass man ihn dennoch gerne mitgegangen ist, spricht für den Film. Auch wenn man sich hier und da eine Abkürzung gewünscht hätte.
THE BEAST STALKER (Hongkong 2008)
Der Polizist Tong (Nicholas Tse) ist nicht ganz unschuldig am Tod der kleinen Tochter von Staatsanwältin Gao (Zhang Jingchu). Das Mädchen kam bei einem Autounfall während eines verpatzten Polizeieinsatzes ums Leben. Ein Gangsterboss und diverse andere Finstermänner waren ebenfalls an der Karambolage beteiligt. Tong fühlt sich nun besonders verantwortlich für das Wohlergehen der Zwillingsschwester der Toten. Als sie im Auftrag des inzwischen inhaftierten Gangsterbosses entführt wird, nimmt Tong auf eigene Faust die Verfolgung des Kidnappers auf, am Polizeiapparat vorbei.
THE BEAST STALKER ist ein routinierter Polizei-Thriller nach Hongkonger Art, der so gern mehr sein möchte. In harten, glaubwürdigen Action-Szenen läuft er zu Höchstform auf, aber dazwischen läuft er oft leer. Mit Rückblenden sollen die Schicksale der Figuren noch enger verzahnt werden, als sie es ohnehin sind, aber dieser Zwang alles mit allem zu verbinden, lässt die Handlung nur unnötig konstruiert erscheinen. Zumal dabei lediglich die Ereignisse an Komplexität gewinnen, nicht aber die Figuren, was viel nötiger gewesen wäre. Insbesonders Hauptfigur Tong bleibt frustrierend blass. Ja, er trägt schwer an seiner Schuld, aber was ist er sonst für ein Typ? Seine Interaktion mit den anderen Rollen gibt darüber keinerlei Aufschluss.
Gerade der Kidnapper ist die einzige facettenreich gestaltete Figur. Sollte er das Beast in THE BEAST STALKER sein, wäre der Titel reichlich absurd gewählt, denn der Film schafft es erfolgreich, ihn gerade nicht als stereotype Bestie darzustellen, sondern als einen Mann in der Krise. Einer, der aus redlichen Gründen Unredliches tut. Einer der weiß, dass er selbst zum Scheitern verurteilt ist. Aber was er tut, ist größer als er allein. Für diese Charakterisierung Beifall. Dafür, und für die muntermachende Action. Für den Rest nur verhaltenen Höflichkeitsapplaus.