TETSUO III: KRACHMACHER

Eigentlich wollte ich nichts über TETSUO THE BULLET MAN schreiben, weil sich spontan gar keine Meinung einstellen wollte. Aber als nach ein paar Stunden mein Gehör zurückkehrte, fingen langsam auch die anderen Sachen in meinem Kopf wieder an zu funktionieren.

Normalerweise bin ich dagegen, Filmtitel u. ä. durchgehend in Versalien zu schreiben, aber bei TETSUO THE BULLET MAN sehe ich keine andere Möglichkeit. Ich kann mich gerade noch beherrschen, nicht drei Ausrufezeichen anzuhängen. Einer Tokioter Stadtillustrierten erzählte der Hauptdarsteller Eric Bossick stolz, bei der Vorführung des Films auf dem Tribeca-Filmfestival in New York wären zum ersten Mal in der Festivalgeschichte die Lautsprecher durchgeknallt. Der Filmvorführer in Shibuyas renommiertem Cinema Rise, wo ich zuhören durfte, wollte wohl ausprobieren, ob er das auch hinbekommt, und ich würde sagen, viel hat nicht gefehlt. Möglicherweise wurde vom Verleih verfügt, dass immer alle Zeiger im roten Bereich sein müssen, sonst macht es keinen Spaß.

Für alle, die nur Avatar kennen: TETSUO THE BULLET MAN ist der dritte Teil der Tetsuo-Reihe von Regisseur bzw. Multikünstler Shinya Tsukamoto. Die Filme setzen einander nicht direkt fort, sondern variieren jedesmal dieselbe Prämisse eines Mannes, der sich in eine Maschine verwandelt und Unheil anrichtet, nachdem ihm selbst Unheil widerfahren ist. Erzählerische Stringenz ist dabei weniger wichtig als provokante Ästhetik und ungewöhnliches Sounddesign. Der erste Film der Reihe, Tetsuo, ist mir flauschige Nostalgie, weil es der erste Film war, den ich bewusst als japanischen Film wahrnahm. Ich hatte bestimmt schon andere mit Riesenmonstern und Schwertkämpfern gesehen, aber das war in einem Alter gewesen, als man sich noch nicht drum scherte, wo die Filme herkamen. Tetsuo begeisterte mich und andere wie mich und überzeugte uns noch vor der bevorstehenden Manga- und Anime-Invasion davon, dass diese Japaner ja alle verrückt sein müssen. Wir waren jung. Heute weiß ich freilich, dass nicht nur nicht alle Japaner Filme wie Tetsuo machen, sondern die meisten Japaner diese Filme noch nicht mal kennen. Und sich am Kopf kratzen, wenn sie mit ihnen konfrontiert werden.

Den zweiten Film, Tetsuo II: Body Hammer, mochte ich nicht sonderlich. Schon die Tatsache, dass er in Farbe war, empfand ich als hollywoodmäßigen Ausverkauf. Wir waren jung. Dennoch wartete ich hibbelig auf den angekündigten Flying Tetsuo. Ein fliegender Tetsuo?! Kann man sich sowas vorstellen?! Kann man, aber der Film kam nie.

Es brauchte 17 Jahre, bis Shinya Tsukamoto sich an einen neuen Tetsuo-Film machte. Weil Tsukamoto besonders im Ausland einen Oh-diese-verrückten-Japaner-Kultstatus hat, wurde TETSUO THE BULLET MAN gleich zu 99,9% in Englisch gedreht, und den Rest der Tonspur durften Nine Inch Nails vollballern. Ob man mit dieser Verwestlichung einverstanden ist oder nicht: In 17 Jahren können Erwartungshaltungen ganz schön monströse Ausmaße annehmen. Zumal Tsukamoto zwischenzeitlich dies- und jenseits des Mainstreams bewiesen hat, dass er mehr als ein One-Hit-Wonder oder One-Trick-Pony ist (bitte schauen Sie Gemini – Tödlicher Zwilling, macht sonst niemand).

Einer der schlimmsten Füll- und Übergangssätze aus dem Baukasten der ungelernten Hobby-Filmkritik lautet: Die Geschichte ist schnell erzählt. Und wenn schon! Ob eine Geschichte schnell erzählt ist oder nicht, sagt rein gar nichts über ihren Gehalt aus. Meistens noch nicht mal über ihre Handlung, allenfalls über ihren Nacherzähler. Wer auf jeden Teenie einzeln eingeht, kann aus der Geschichte von Freitag, der 13. Teil 4 – Das letzte Kapitel einen mehrseitigen Schulaufsatz zaubern. Wer gehässig sein will oder nicht viel Platz hat, kann Robert Altmans Short Cuts in einem Satz zusammenfassen, es ist lediglich ein Minimum an Analysefähigkeit und schreiberischen Geschick vonnöten.

Das Problem von TETSUO THE BULLET MAN ist nicht, dass die Geschichte in groben Zügen schnell erzählt ist: Mann verwandelt sich zu seiner eigenen Überraschung in einen Kampfroboter und rächt den Tod seines Sohnes. Das Problem ist, dass die Geschichte nicht nur grobe Züge hat, sondern zwischen der kreischenden und donnernden Mensch-Maschine-Körperhorror-Action auch noch erzählen will, wie es dazu kommen konnte, und wie die Familie jetzt damit umgeht. Das menschliche Drama wird getragen (bzw. eben nicht) von Fließband-Dialogen, die oft fremdpeinlich sind. Und glaubwürdiger wird die Story mit Sicherheit nicht dadurch, dass der Maschinenmensch durch vergilbte Dokumente mit sepiafarbenen Fotos und altmodisch geschwungener Handschrift fummelt, aus denen er erfährt, dass seine Eltern schon lange an Maschinenmenschen arbeiteten. Wenn wir davon ausgehen, dass der Film in unserer Gegenwart spielt, und der Protagonist so alt ist wie sein Darsteller (Mitte 30), dann kommen diese Aufzeichnungen ungefähr aus den 1970ern? Vordigitales Zeitalter sicherlich, aber hatte man noch keine Farbfotos und Schreibmaschinen? Ich erinnere mich nicht mehr genau.

Darüber kann man aber direkt hinwegsehen, wenn man davon ausgeht, dass sich der ganze Tetsuo-Wahnsinn in einer Realität außerhalb der Realität abspielt. TETSUO THE BULLET MAN ist durchgehend im typischen Tetsuo-Stil inszeniert, also hektische Kamera, schnelle und assoziative Schnitte, Old-School-Spezialeffekte, und alles im Takt des Industrial-Beats. TETSUO THE BULLET MAN ist zwar in Farbe gedreht, aber die Farbe wurde dermaßen zurückgedreht, dass sie nur selten, dann aber effektiv, auffällt. Dass audiovisuelle Donnern macht jedem Spaß, der schon mal Spaß an einem Tetsuo-Film hatte. Die schwache Story macht nichts. Es sind die Dialoge, über die man trotz allem schlecht hinweghören kann. Der Film ist nachahmenswerte 79 Minuten kurz. 69 oder noch ein bisschen weniger hätten es womöglich auch getan, Kürze ist keine Sünde. Dies ist die Art von Film, wo ich ganz Mann bin: Das ganze Gequatsche raus, Hauptsache der Typ wird Kampfroboter und macht Kampfrobotersachen.

Und jetzt bitte Flying Tetsuo. Meinetwegen mit Musik von Einstürzende Neubauten oder Napalm Death oder beiden, aber bitte ohne Worte oder wie dieser Weiberkram heißt.

Saori, ihm schmeckt’s nicht

Eigentlich sollte das der fünfte Teil der beliebten Sendereihe ‚Mein erstes Mal in Japan‘ werden, weil ich tatsächlich erst jetzt zum ersten Mal dazu gekommen bin, ein japanisches Kino von innen zu sehen. Vor ein paar Jahren hatte das Tokyo International Film Festival (TIFF) mein Akkreditierungsgesuch abgelehnt, danach habe ich lange geschmollt und komplettverweigert. Aber inzwischen sehe ich die Sache als verjährt an.

Es stellt sich heraus, dass Kino auch in Japan wie Kino ist. Ist dunkel, und vorne läuft ein Film. Hin und wieder kommen Leute rein und meinen, sie müssen trotz immenser Verspätung in einem dreiviertelleeren Saal auf genau die Plätze bestehen, die auf ihren Eintrittskarten angegeben sind, und allen die Sicht auf den Hauptfilm versperren, solange diese Plätze nicht gefunden sind. Manche Leute lachen an den falschen Stellen. Andere benutzen die dunkle Intimität des Kinosaals um mal wieder richtig miteinander zu reden. Mehrfach werden Dinge gegessen und getrunken, von denen mir schon meine Nase sagt, dass ich sie nie im Mund haben möchte. Die Magie namens Kino, sie ist international. Einziger Unterschied, der mir auffällt: Vor dem Film läuft keine Werbung für kinofremde Produkte. Liegt aber vielleicht daran, dass es sich um eine untertitelte Vorstellung für Ausländer handelt. Dachte man sich vielleicht, die verstehen unsere Bier- und Bindenwerbung eh nicht. Dabei braucht man nur zwei Worte um japanische Werbespots zu verstehen: atarashii (neu) und oishii (köstlich). Leider lernt man vom Schauen japanischer Werbung auch nicht viel mehr als diese beiden Wörter.

Interessanteres Thema als der Kinogang als solcher ist vielleicht das, was ich mir angesehen habe. Daarin wa gaikokujin – My Darling is a Foreigner ist gerade die Nummer 3 der japanischen Kinocharts, also im Grunde die Nummer 1 der japanischen Filme, denn wie alle Menschen außerhalb der USA schauen auch die Japaner am liebsten ausländische Filme, und so ist es für eine einheimische Produktion gerade schwierig gegen Leo in der Klapse und Aliens in Südafrika anzukämpfen. Der Film basiert auf einem autobiografischen Manga der Künstlerin Saori Oguri. Kannte ich vorher auch nicht, ist aber ein riesen Ding in Japan, wie ich jetzt an jeder Ecke feststelle. Schon im Kino lassen sich Mousepads, Kaffeetassen, Mobiltelefonschmuck und sonstige Gebrauchsgegenstände mit dem karikierten Konterfei der Hauptfiguren erstehen.

Als ich den Titel hörte, wusste ich: Dieser Film soll mein erstes Mal werden. Ich hätte ihn mir freilich auch ohne Untertitel angeschaut, aber meine Begleitung bestand darauf, dass ich welche brauche. Grund meines sofortigen Interesses an dem Stoff war, dass ich nach dem Trailer meinte, dies sei einer dieser Verkehrsunfallfilme: Es ist ganz schrecklich, aber man muss einfach hingucken. Dann las ich die erste wohlwollende Kritik. Bald die zweite. Es ging weiter in diesem Tenor, und schließlich kaufte ich den ersten Manga-Band. Es gibt inzwischen eine zweisprachige Ausgabe für Japaner, die Englisch lernen wollen. Im Buchladen findet man sie in der Abteilung für Ausländer, die Japanisch lernen möchten. Die Verwirrung ist perfekt. Der Manga setzt nicht auf langen erzählerischen Atem, sondern präsentiert monologische Kabinettstückchen aus dem Leben der Autorin mit ihrem Tony, einem perfekt japanisch sprechenden Amerikaner ungarisch-italienischer Abstammung. Inzwischen sind die beiden verheiratet, und die Comicserie geht auch munter weiter (wir gratulieren, ein Band heißt: My Darling is a Foreigner with BABY).

Ganz unumstritten ist Daarin wa gaikokujin unter in Japan lebenden Ausländern nicht, auch wenn im Titel das korrekte gaikokujin und nicht das böse gaijin verwendet wird. Dabei findet sich wenig Beklagenswertes im kuschelweichen Humor von Comic und Film. Tony ist ein knuddeliger Superheld, der besser japanisch spricht als die meisten Japaner und mehr auf Traditionen pocht als seine japanische Freundin/Ehefrau. Kritische Zungen fragen aber: Warum dieser Titel? Warum nicht: Mein Liebling trägt Bart. Oder: Mein Liebling heißt Tony. Tatsächlich basieren die meisten der kleinen Saori-Tony-Schnurren mehr auf den sehr spezifischen Eigenheiten der beiden Persönlichkeiten, weniger auf herkömmlichem Culture Clash. Trotzdem sage ich: Was soll’s. Ich mag den Titel. ‚Mein Liebling ist Ausländer‘ ist ein schönes Bekenntnis, gerade weil doch viele Einheimische mit einer derartigen Aussage nachwievor Probleme haben. Dass weder Film noch Manga in irgendeiner Weise aufmüpfig oder nassforsch daherkommen, sondern wirklich niemandem wehtun mögen, macht das ganze noch schöner. Der Film ist sehr cooler uncooler Mainstream. Es gibt zu viele Montagen zu Popmusik (u. a. von der deutschen Band Wagner Love, die man nur in Japan kennt), Hauptdarstellerin Mao Inoue ist etwas zu quirlig, und es wurden ein paar allzu filmische Dramaturgiekniffe herbeifantasiert, die in der Vorlage nicht vorkommen (der Vater ist im Film gegen die Beziehung, im Comic nicht; eine Beziehungskrise kurz vor Akt 3 findet in der Vorlage ebenfalls nicht statt). Und obwohl man das durchschaut, kämpft man gegen die aufrichtigen Tränen. Verdammt.

Bonus-Information

Weil es Sie brennend interessiert und total beeindruckend ist: Der Tony-Darsteller Jonathan Sherr ist ein Freund des Englischlehrers einer Freundin von mir. Er soll ganz nett sein.

Kirschblütenblühen 2010: Die Preshow

Damit konnte keiner rechnen: Die erste geöffnete Kirschblüte im Großraum Tokio wurde erst für morgen offiziell vorausgesagt, aber es blüht jetzt schon ganz ordentlich. Leider hat man davon noch nicht viel, denn das Wetter ist heute schlecht, morgen soll es schlechter werden und übermorgen endlich richtig grausig. Ich kann es aber gar nicht erwarten, der Kirschblüte zu huldigen, deshalb trinke ich heute nur offizielle Kirschblüten-2010-Vermarktungsgetränke. Zum Beispiel dieses Schaumweinlimonadenmischgetränk aus dem Hause Suntory:

Riecht wie Kaugummi. Das ist als kulinarische Faustregel kein gutes Zeichen, wenn etwas kein Kaugummi ist. Ist im Glas sehr sprudelig und einen Hauch rosa, aber in erster Linie klar. Schmeckt spritzig und nur leicht süßlich, keinesfalls penetrant. Beim ersten Schluck ist man positiv überrascht, der zweite bestätigt die Trinkbarkeit, aber beim dritten fragt man sich doch: Muss ich das wirklich austrinken? Allerdings eher aus Langeweile denn aus Ekel, das ist immerhin etwas.

Klar muss ich das austrinken. Solange ich die Füße unter meinen Tisch stelle, trinke ich, was auf den Tisch kommt. Zum Beispiel: Kirschblüten-Wein.

Japan und Wein, immer ein ganz schwieriges Thema. Fast wie Japan und China. Andererseits: Japan und Kirschblüte, immer super Thema. Diese Halbliterflasche hat tatsächlich Kirschblüten unten drin:

Die ersten, die ich dieses Jahr sehe, ohne selbst nass zu werden. Wo haben sie die wohl jetzt schon her? Im letzten Jahr eingefroren? Genetisch herbeigeforscht? Oder einfach aus dem Süden, da war dieses Jahr schon. Oder sie sind gar nicht echt. Aber das in Japan?

Sieht im Glas aus wie der Drink von vorhin, bloß ohne Blasen. Wichtigtuerisch dran geschnuppert: Pflaumiges Aroma. Davon gekostet: Schmeckt auch nach Pflaume, aber trotzdem nicht schlecht. Weniger zum Davonlaufen als die üblichen asiatischen Pflaumengetränke. Allerdings kein bisschen nach Wein. Das Kleingedruckte gelesen: 6% arukoro. Kein Wein, den ich kenne, hat 6%. Schmeckt wie sehr, sehr, sehr stark verdünnter Pflaumenschnaps für den Kindergeburtstag (oder was gab’s auf Ihren Kindergeburtstagen?). Gut, dann kann man ohne schlechtes Gewissen gleich das Bier hinterherkippen:

Wieso habe ich denn gleich einen Sechserträger davon gekauft? Fällt mir jetzt erst auf. Bescheuert. Wehe, das schmeckt nicht.

Sieht im Glas jedenfalls aus wie Bier:

(Mit im Bild: Total süße Bärenfigur, dem Latexkiller aus dem Gewaltkrimi Black Kiss nachempfunden. Hab ich neu.)

Schmeckt genauso wie Suntory Premium Malt’s, wahrscheinlich hat man nur die Packung saisonal redesignt. Gott sei Dank, ist ohnehin mein Lieblingsbier. Dann wird es ja doch noch ein ganz schöner Abend. Nichts sagt ‚Kirschblüte‘ besser als ein Sixpack Suntory Premium Malt‘s. Liebe Entscheiderinnen und Entscheider der ehrenwerten Suntory-Marketing-Abteilung: Falls Sie mal ein neues Testimonial brauchen – ich würde das auch in eine Kamera sagen, mit einer Dose in der Hand, einem Schaumbärtchen im Gesicht und einer Kirschblüte im Haar (Perücke).

Fischwoche vs. Japanwoche

Zum Anfang der Woche eine Zusammenfassung der letzten Woche, das waren nämlich zwei Wochen auf einmal: Auf 3sat war Japanwoche, in der Kantine meiner Firma war Fischwoche. Jemand da oben meinte es gut mit mir. Hier das vergleichende Protokoll.

Montag

Fischwoche: Frische Forelle. Ich erwarte selbstverständlich ein großes Becken auf dem Firmenparkplatz und den Chefkoch mit einer Angel zu sehen. Sehe ich aber nicht. Nur Fisch, der aussieht wie freitags, also stark paniert. Da ist noch Luft nach oben.

Japanwoche: Die Dokumentation über das Weltkulturerbe verpasse ich, ich bin noch zu beschäftigt mit Mass Effect, meinem Lieblingsspiel. Voll da bin ich erst zur Reportage über den Schienenverkehr. Es stellt sich heraus, dass japanische Bahnunternehmen bei der Planung von Abläufen, Bahnhöfen und Fahrzeugen offenbar ein Hauptaugenmerk auf die Zufriedenheit des Fahrgastes legen. Davon ist man in Deutschland noch weit entfernt, das hiesige Bahnunternehmen schert sich nicht mal um das Überleben seiner Fahrgäste.

Danach österreichische Nachrichten (man ist national besoffen vom Golden-Globes-Doppelsieg, den auch Deutschland gerne für sich beansprucht), schließlich eine Dokumentation über Ryuichi Sakamoto. Die wollte ich mir eigentlich sparen, aber es ist noch Wein in der Flasche. Ohne dass es Beef gäbe, bin ich kein ausdrücklicher Sakamoto-Anhänger. Seine Filmmusiken haben mich nie groß interessiert, weil mich die dazugehörigen Filme nicht groß interessieren. Seine frühen Popplatten finde ich offen gestanden sogar ziemlich furchtbar, aber das ist nicht schlimm sondern normal. Viele Japaner meines Alters geraten in Verzückung, wenn etwas von Yellow Magic Orchestra gespielt wird, während ich, der ich diese Musik nur retrospektiv kennen gelernt habe, sie bloß unvorteilhaft aus der Zeit gefallen finde. So ist das mit den Soundtracks der Kindheit und Jugend: Man muss wohl dabei gewesen sein. Die Kinder bei uns im Haus schauen auch nur ratlos und besorgt, wenn ich mit meinen Plastikpistolen hinter der Ecke hervorspringe und „Stand and deliver!“ kreische.

Im Filmportrait erweist sich Sakamoto als ein angenehmer Mensch und Gesprächspartner, der sich stets bemüht, auch auf doofe Fragen originell zu antworten. Das ist zwar mitunter etwas krampfig, aber höflich. Gleich anfangs mag Fragesteller Gero von Boehm nicht auf die abgedroschene Frage nach dem Klang der Stadt New York verzichten (findet er so toll, dass er später in anderem Zusammenhang noch mal danach fragt). Wahl-New-Yorker Sakamoto strengt sich sehr an, um schließlich mit einer Antwort über Klimaanlagen zu kommen. Drollig: Japaner finden die USA häufig überklimatisiert, während viele Amerikaner dasselbe über Japan denken. Beide Seiten haben recht.

Ich werde beizeiten noch mal in Sakamoto reinhören. Voreilig gefasste Meinungen zu revidieren ist mein neuestes Hobby.

Fazit: Fernsehen war besser als Essen, eine Seltenheit. Fischwoche vs. Japanwoche Zwischenstand: 0:1.

Dienstag

Fischwoche: Frisches Lachsfilet. Wieder wird die Frische angepriesen, wieder sehe ich nirgendwo einen Angler. Überhaupt sieht das Lachsfilet aus wie die Forelle von gestern, schmeckt auch sehr ähnlich. Erste Kollegen werden unruhig und behaupten, es handele sich in Wirklichkeit in beiden Fällen um Scholle. Man könnte bei den Verantwortlichen nachfragen, aber das könnte ja jeder.

Japanwoche: Vom heutigen Programm bekomme ich nicht viel mit, weil ich am Dienstagabend immer in meinen Debattierklub muss. Als ich nach Hause komme, läuft nur noch Der Wald der Trauer, ein stiller Film über traurige Leute im Wald, der mir spontan gut gefällt, auf den ich mich nach einem einigermaßen schlauchenden Tag aber nicht mehr recht einlassen mag. Stattdessen schaue ich C.H.U.D. (Cannibalistic Humanoid Underground Dwellers) Panik in Manhattan!, damit ich besser schlafen kann.

Fazit: Für heute liegen zu wenige Informationen für eine Beurteilung vor. Ergebnis bleibt unverändert.

Mittwoch

Fischwoche: Es herrscht Einigkeit unter den Mitessern, dass bislang die Japanwoche besser war als die Fischwoche, das könnte sich aber heute ändern, die Fischwoche trumpft auf mit zarter Fischroulade und einem überraschendem Coup: lila Kartoffeln (die müssen so).

Japanwoche: Eine Reportage über russische Fischer auf den Kurilen, eine Inselgruppe, um die sich Japan und Russland gerne streiten. Der Streit ist eigentlich interessanter als die Fischerei, aber das ist nur meine Meinung, und auf die würde ich mich nicht mal selbst verlassen. Ich kann dies und alles Nachfolgende nur mit höchstens einem Auge sehen, weil Wasch- und Schreibarbeiten parallel erledigt werden müssen, und dass der Mensch nicht multitaskingfähig ist, ist wissenschaftlich erwiesen. Lassen Sie sich von Vorgesetzten, Personalern oder Motivationsheinis nichts einreden. Ich sehe noch ein paar Bilder von der Tokioter Spaßinsel Odaiba, auf der ich mal über eine Woche allein gefangen war (für einen Tagesausflug zu zweit ist sie ganz lustig), dann läuft der Horrorfilm Ring – Das Original. Das ist löblich, aber den kann ich schon zweisprachig mitsprechen, deshalb schaue ich Sword of the Stranger. Ist super, läuft aber außer Konkurrenz.

Fazit: Diese Runde geht an die lila Kartoffeln, auch wenn es ein wenig daran liegt, dass der Schiri abends nicht richtig geguckt hat. 1:1.

Jetzt kommt ein Bild aus Ring, weil so langsam mal ein Bild kommen muss:

Donnerstag

Fischwoche: Die Belegschaft ist außer Rand und Band, es gibt Spaghetti mit Garnelen. Meine Freude hält sich in Grenzen, denn das ist genau das, was ich immer zuhause mache, wenn mir nichts Besseres einfällt.

Japanwoche: Ärgerlich: Die Dokumentation Von Geishas und Gameboys ist 16 Jahre alt. Dafür kann sie nichts, aber durch die ungenügende Erwähnung dieses Umstands wird dem unbeleckten Zuschauer der Eindruck vermittelt, all die gezeigten kulturellen Trends und gesellschaftlichen Umwälzungen seien brandneu. Noch ärgerlicher ist der bevormundende Ton, den man häufig in solchen Reportagen hören muss. Westliche Beobachter wissen ja immer viel besser als echte Japaner, was echte japanische Kultur ist. Alles, was modern ist, wird hier ohne Fachkenntnis und ohne jede Bereitschaft zum genaueren Hinsehen als eklig amerikanisiert abgetan, nur Geisha, Samurai & Co. gelten als authentisch japanisch. Dass die traditionelle japanische Kultur stark von China, Portugal und sonstwo beeinflusst ist, wird nicht erwähnt. Ist wohl nicht so schlimm wie amerikanische Beeinflussung. Die Tonlage ist die, in der es im Nachkriegsfernsehen häufig besorgt hieß: „Diese jungen Leute und ihre ‚Beat‘-Musik …“

Bei scobel hat Scobel drei Gäste. Einer erzählt hanebüchenen Unsinn, einer drückt sich etwas umständlich aus, einer wird immer abgewürgt, wenn er ansetzt was Vernünftiges zu sagen, und überhaupt hört Scobel am liebsten Scobel scobeln. Okay, diese Urteile sind extrem unfair (außer das zu Scobel, das trifft den Nagel auf den Kopf), da sie sich nur auf die knapp zwei Minuten beziehen, die meine ungeteilte Aufmerksamkeit haben. Ansonsten bin ich stark abgelenkt durch äußere Einflüsse wie Telefon und Internet.

Als Film gibt es Das verborgene Schwert. Ein hervorragender Film, den ich aber kürzlich erst aus freien Stücken gesehen habe, da muss ich ihn mir nicht heute schon wieder vom Fernsehen aufzwingen lassen. Stattdessen gönne ich mir Ichi – Die blinde Schwertkämpferin. Ganz okay, aber ein bisschen wenig Ichi für einen Film namens Ichi – Die blinde Schwertkämpferin. Manchmal kommt mir die dauerhaft Flunsch ziehende Protagonistin auch vor wie Ichi – Die stumme Schwertkämpferin. Dabei schaue ich doch solche Filme teils auch aus spracherzieherischen Gründen. Falls es eine Fortsetzung gibt, heißt die dann eigentlich Ichi Ni? Entschuldigung, kleiner Linguistenscherz.

Fazit: Spaghetti mit Garnelen, Klassiker. Die Fischwoche geht 2:1 in Führung.

Freitag

Fischwoche: Irgendein Fisch in sehr viel Tomatensauce, die sehr gut ist.

Japanwoche: Am Freitagabend kommen selbstverständlich die leichten Themen. Zuerst: Kamikaze. Kann ich nicht gucken, wg. Terminkonflikt. Gegen Jauch kann keine Kamikaze was ausrichten. Danach Börse. Für eine Börsensendung relativ unterhaltsam, auch wenn man sich nicht die Bohne für den Quatsch interessiert. Etwas unseriös: Ein Filmbericht erweckt den Eindruck, als habe der neueste Premierminister Yukio Hatoyama seine berüchtigte Schlagerplatte aktuell zur Aufrüttelung seines Volkes aufgenommen, dabei handelt es sich um eine 20 Jahre alte Fortysomething-Sünde.

Fazit: Die Tomatensauce war schon sehr gut. 3:1 für Fischwoche. Das ist eine ziemliche Überraschung.

Sagte vorhin jemand Kamikaze? Dann kommt jetzt der Trailer für den Spielfilm Kamikaze Girls:

Samstag

Fischwoche: Mit der Arbeitswoche ist freilich auch die Fischwoche offiziell um, aber ich bin findig und mache mir zum Frühstück ein Garnelenbrot mit Meerrettich unten und Jalapenos oben. Herrlich.

Japanwoche: Magere Ausbeute: eine Dokumentation über eine Feuerwerkerin. Interessiert mich nur oberflächlich, schaue ich nur punktuell.

Fazit: Das Brot war besser, erstaunliche 4:1 für die Fischwoche.

Sonntag

Fischwoche: Dachte nie, dass ich das mal sagen würde: Ich kann nicht mehr. Heute gibt es Spaghetti ohne Garnelen, was Besseres fällt mir nicht ein.

Japanwoche: Auf die letzten Meter will es die Japanwoche noch mal so richtig wissen. Es geht schon morgens los, aber da habe ich noch keine Zeit, denn weil die Minusgrade jetzt nur noch einstellig sind, hat die Dauerlaufsaison wieder begonnen. Am Nachmittag bin ich folglich zu kaputt zum Fernsehen. Am frühen Abend bereite ich die Spaghetti zu und kann mich leider nicht auf die Dokumentation über Ringerinnen konzentrieren. Ich werde hellhörig, als „Kaoru, die Spanplatten-Schlampe“ erwähnt wird. Ich hätte gern mehr davon gesehen.

Dann endlich: Takashi Murakami, der kommerziellste Künstler der Welt. Ich liebe Murakami. Er kritisiert das Niedliche durch das Niedliche, das Oberflächliche durch Oberfläche und macht damit einen riesen Reibach von Insassen der „superflachen“ (Murakami) Gesellschaft, die er kritisiert. So verlogen mindestens sollte gute Kunst schon sein. Selbstverständlich besitze auch ich ein paar Murakamis, soll ich mal zeigen?

Hier, meine Murakami-Mappen:

Und meine Buttons:

Es ist Kunst für das tägliche Leben. In einer Mappe transportiere ich die aktuellen Arbeitsbögen meines Japanischkurses, in einer sammle ich auf Reisen lose Blätter, eine hat ihren Zweck noch nicht gefunden, bis dahin bleibt sie originalverpackt und mint. Murakami hat jeden Yen redlich verdient, den ich dafür bezahlt habe.

Danach eine Doku über Essen in Japan, wurde ja Zeit. Gut und umfangreich, nur der Peter-Lustig-Bob-Ross-Erzählton nervt ein wenig. Anstatt genau zu analysieren, zeige ich ein Foto, auf dem ich Okonomiyaki mache:

Und dann badende Affen und Schluss, jetzt gucke ich noch irgendeinen bekloppten Tomie-Film, dann muss ich ins Bett, und nächste Woche will ich von Fisch und Japan nichts hören.

Fazit: Niemand schlägt Kaoru, die Spanplatten-Schlampe. Heute drei Punkte für Japan. Insgesamt: ein harmonischer 4:4-Gleichstand.

Die Nachrichten: Das Manifest

Ich habe mich mal wieder für das Online-Magazin Das Manifest als Asienexperte aufgespielt. Hier die Ergebnisse:

20th Century Boys (Japan)

King Naresuan – Der Herrscher von Siam (Thailand)

Blood & Flowers – Der Wächter des Königs (Südkorea)

Es sieht außerdem so aus, als wäre meine Berichterstattung zum Asia Filmfest 2009 jetzt fertig.

Wer Donnies Schwester anmacht, bekommt es mit mir zu tun

Ich wollte nur kurz Bescheid sagen: Ich bin kein Donnie-Darko-Fan mehr, ich bin jetzt Samantha-Darko-Fan. Es ist nicht so, dass meine Liebe zu Richard Kellys putzigen David-Lynch-für-Emo-Kids-Zeitreisethriller erloschen wäre, aber ich möchte mich entschieden und in aller Deutlichkeit von seinen anderen Liebhabern distanzieren. Meine Fresse, diese weinerlichen, humorlosen, spaßfeindlichen Quengelkinder sind ja schlimmer als alle Star-Trek-, Twilight-, Buffy-, Documenta- und Star-Wars-aber-nur-Episode-4-bis-6-in-Mono-Fans auf einmal. Wie sagte man in den Siebzigern? Keep repeating: It’s only a movie … it’s only a movie … it’s only a movie …

Wir erinnern uns (bzw. nicht ganz): Donnie Darko kam 2001 von der Menschheit unbemerkt in die Kinos, später schrieb jemand ins Internet, dass der Film jetzt Kult sei, und das fanden dann alle, jeder kaufte zwei DVDs, und so kam einer aus der Peripherie der Filmverantwortlichen auf die wirtschaftlich naheliegende und menschlich nachvollziehbare Idee, eine Art Fortsetzung anzukündigen – ohne die Hauptverantwortlichen und mit nur einer einzigen wiederkehrenden Darstellerin/Figur. Die Welt war entsetzt. Ohnmächtige Wut, Trauer und Betroffenheit überall. Finanzkrise, Erderwärmung und die 34 Kriege und bewaffneten Konflikte, die aktuell weltweit wüten, mussten sich hinten anstellen. Chris Fisher, Regisseur von S. Darko, bekam von den dümmsten Menschen des Internets diverse qualvolle Todesarten an den Hals gewünscht. Die Welt stand derart unter Schock, dass sie Omas altes Hausmittel gegen ungewollte Fortsetzungen komplett vergessen hatte: Einfach nicht hinschauen.

Das Traurige an unbegründeten und gut gepflegten Ressentiments ist, dass sie zu tief sitzen, als dass sie sich von der Zange der Vernunft ziehen ließen. Man sollte denken: S. Darko ist ein ganz anständiges kleines Filmchen geworden, also wird jeder Hassköter im Nu zum Schoßhund, wenn er es erstmal gesehen hat. Das klappt aber nicht. Wer den Film mit Ressentiments sieht, wird die erste kleine Schwachheit zur gigantischen Kränkung aufblasen und beruhigt den ganzen Film mit Inbrunst hassen, so wie man es eh geplant und in den Terminkalender eingetragen hatte: „Heute nach der Schule: S. Darko gucken + hassen. Danach: Was Gehässiges in ein IMDb-Forum schreiben und es diesem Chris Fisher richtig zeigen.“ S. Darko ist kein Film ohne Schwächen geworden, da wäre er der erste. Gibt man den Figuren höchstens fünf Minuten Zeit, wie es die orthodoxen DoDa-Fans tun, könnte man sie für typische US-Teenfilm-Weichbirnen halten. Tatsächlich sind sie aber wie echte Menschen, also nicht nach den ersten drei bis vier geäußerten Worten komplett zu erfassen. Die Geschichte um Donnies Schwester Samantha, einen verschwundenen Jungen, einen Meteoriten, einen ekligen Priester und einen verlumptem Kriegsveteranen ist verwirrend, und ich kann nicht behaupten, dass ich sie vollständig verstanden hätte. Das ist ja das Tolle. Hab ich beim nächsten Mal auch noch was zu tun. Donnie Darko hatte ich erst beim dritten Mal kapiert, und da nur mit Hilfe des Audiokommentars. Nichtsdestotrotz hatte der Film bereits nach dem ersten Mal einen großen Platz in meinem Herzen.

S. Darko ist kostengünstiger als sein Vorgänger, das äußert sich in einer überschaubareren Anzahl von Personal und Handlungsorten. Handwerklich ist er dabei äußerst sauber. Die Spezialeffekte sind genauso kitschig wie die von Donnie Darko, die Atmosphäre ist gemütlich morbide, die Musik passt (die Originalmusik ebenso wie die eingekauften Original-90er-Jahre-Songs), diverse Motive des ersten Films tauchen wieder auf, überhaupt hat Samanthas Geschichte eine gewisse Ähnlichkeit mit Donnies. Das kommt vor bei Fortsetzungen. Kommt auch vor, dass Fortsetzungen nicht so erfrischend sind wie ihre Vorgänger. Das erste Mal gibt es eben nur einmal. Besonders bei Fortsetzungen komplett abgeschlossener Geschichten kann man bestenfalls erwarten, dass die alten Themen auf interessante, konsistente Weise variiert werden, und das ist hier der Fall.

Meinetwegen gerne noch mehr Darko-Filme. Im Bonusmaterial der S. Darko-DVD sagt jemand, dass man ursprünglich über ein Prequel um die kauzige alte Roberta Sparrow nachgedacht hatte. Kann man ja immer noch machen. Meinetwegen auch eine Fernsehserie mit gutaussehenden jungen Menschen, Darko High. Würde ich mir alles ansehen.

Nightmare Detective vs. Mad Detective

Zuerst wollte ich machen: Mega Shark vs. Giant Octopus vs. der weiße Hai in Venedig. Aber Mega Shark vs. Giant Octopus musste ich nach der Hälfte ausschalten, und bis dahin hatte mich für Der weiße Hai in Venedig komplett der Mut verlassen. Es kommt der Tag, da muss man einsehen, dass man in das Alter gekommen ist, in dem schlechte Filme bloß schlecht sind, obwohl man doch mit 16 auf die Heilige Bierdose geschworen hatte, dass es nie so weit kommen würde, mit mir nicht.

Aber in einer Hinsicht muss ich Der weiße Hai in Venedig ungesehen doch über den grünen Klee loben, nämlich wegen des deutschen Titels. Zu loben ist also weniger der Film selbst (irgendein Baldwin sucht irgendeinen Schatz), als vielmehr der, der sich die Titelübersetzung ausgedacht hat, und der Verleiher, der das zu würdigen wusste anstatt wie seit Jahren üblich einfach den Originaltitel, in diesem Fall das weitaus profanere Shark in Venice, unübersetzt drauf zu lassen. Und nun kommt das Beste: Ich habe bis hierhin den deutschen Untertitel unterschlagen. Aufgepasst jetzt, bereitmachen zum Entzückt-in-die-Hände-klatschen: DAS MEER IST NICHT GENUG. Der weiße Hai in Venedig – Das Meer ist nicht genug – das ist es, was ich meine, wenn ich von Poesie spreche. Zugegeben spreche ich nicht oft von Poesie, in der Welt ist selten Grund dafür. Aber wenn Der weiße Hai in Venedig – Das Meer ist nicht genug kein trefflicher Anlass ist, dann weiß ich auch nicht. Und sollte sich nach wissenschaftlicher Untersuchung unter Laborbedingungen herausstellen, dass es sich doch nicht um Poesie handelt, dann ist zumindest Kreativität am Werk, da bin ich mir sicher. Es steckt sogar sicherlich mehr Kreativität in den 1 1/2 Sätzen des deutschen Titels als im dazugehörigen Film. Dichter und Denker wollen und sollen wir sein, deshalb fordere ich, dass die Verantwortlichen-da-oben sich auf der Stelle auf die gute alte Sitte besinnen, ausländischen Filmen deutsche Titel zu schenken, wenn sie auf den hiesigen Markt kommen. Ich will, dass Star Wars wieder Krieg der Sterne heißt. Ich plädiere dafür, dass nicht nur der Kinofilm sondern auch die Fernsehserie Dragnet rückwirkend umbenannt wird in Schlappe Bullen beißen nicht. Am Respekt vor den Originalen kann die moderne Neigung zum englischen Titel nicht liegen, schließlich wird in den deutschen Filmfassungen nachwievor ungeniert über hochtalentierte Schauspieler drübergequatscht, als wäre die Stimme eines Schauspielers nicht ein entscheidender Aspekt seines Schauspiels. Außerdem bekommen sogar spanische, französische und sonstwie ausländische Filme in Deutschland englische Titel. Le Serpent als The Snake? Muss das sein? Und wieso 96 Hours? Sechsundneunzig Auas hätte hier doch auch wie Faust auf Auge gepasst. Dass 96 Hours, obwohl eine französische Produktion, auch im Original einen (anderen) englischen Titel hat, macht die Sache nicht besser, sondern schlechter.

Was war nochmal das Thema? Nightmare Detective vs. Mad Detective. Also dazu fällt mir nun wirklich nichts ein. Das ist auch ein komisches Thema, wer hat sich das überhaupt ausgedacht? Sind halt Filme, alle beide. Der eine ist Constantine auf Japanisch, der andere Monk auf Kantonesisch. Stimmt zwar nicht, klingt aber fetzig. Da fühlt man sich schon wie ein richtiger kleiner Kritiker.

Wahrscheinlich nur wieder so ein Verlegenheitsthema, wo sich einer dachte: Oh, ich muss mal wieder was in meinen Blog schreiben, sonst denken die Leute noch, ich wäre tot oder hätte Yoko Ono geheiratet, dabei liege ich die ganze Zeit topfit auf dem Sofa, puhle im Bauchnabel und spiele Bullet Witch gegen mich selbst.

Sie merken schon: Es geht mir gut. Falls wir uns dieses Jahr nicht mehr sehen: Frohe Weihnachten and merry Christmas. Und schalten Sie auch nächstes Jahr wieder ein, wenn es heißt: Baby Mama vs. Inside.

Endlich Halbzeit! (+/- p x Daumen)

Aus gegebenem Anlass: 40 Lieblingsfilme aus 40 Lieblingsjahren

1969: Ein Hauch von Zen (Taiwan)
1970: M*A*S*H (USA)
1971: Carnal Knowledge – Die Kunst zu lieben (USA)
1972: Der Pate (USA)
1973: Der Exorzist (USA)
1974: Das Kettensägenmassaker (USA)
1975: Angst über der Stadt (Frankreich, Italien)
1976: Taxi Driver (USA)
1977: Suspiria (Italien)
1978: Zombie (Italien, USA)
1979: Das Böse (USA)
1980: Wie ein wilder Stier (USA)
1981: Arthur – Kein Kind von Traurigkeit (USA)
1982: Basket Case (USA)
1983: Zelig (USA)
1984: Nightmare – Mörderische Träume (USA)
1985: Mishima – Ein Leben in vier Kapiteln (USA)
1986: Blue Velvet (USA)
1987: Near Dark (USA)
1988: Hellbound – Hellraiser II (Großbritannien)
1989: Tetsuo (Japan)
1990: M.A.R.K. 13 – Hardware (Großbritannien)
1991: Das Schweigen der Lämmer (USA)
1992: Lawinen über Tolzbad (Kanada)
1993: Manhattan Murder Mystery (USA)
1994: Mrs. Parker und ihr lasterhafter Kreis (USA)
1995: Clueless – Was sonst! (USA)
1996: Der Hexenclub (USA)
1997: L.A. Confidential (USA)
1998: Happiness (USA)
1999: eXistenZ (Kanada, Großbritannien)
2000: Cecil B. – Echte Menschen, echter Terror. (Frankreich, USA)
2001: Donnie Darko (USA)
2002: Ju-On – The Grudge (Japan)
2003: Tokyo Godfathers (Japan)
2004: Kamikaze Girls (Japan)
2005: Princess Aurora (Südkorea)
2006: Saw III (USA)
2007: La antena (Argentinien)
2008: The Shonen Merikensack (Japan)
2009: Vengeance (Hongkong, Frankreich)

Okay, sind 41, klassischer Denkfehler der mathematisch Minderbemittelten. Aber Sie wissen schon, wie es gemeint ist.

Ja, hätte man in Jahrtausenden gerechnet auch kürzer fassen können, quasi Kettensägenmassaker und Kamikaze Girls, aber heute lassen Sie Opa bitte mal ausreden und tun interessiert.