Der Typ von dasmanifest.com neulich so: „Ey, machste für uns wieder die Berichterstattung vom Asia Filmfest?“
Ich so: „Ja ja.“
„Hammer! Aber pass auf: Durst und The Beast Stalker musste nicht machen, da haben wir schon Texte.“
„Ja ja.“
„Hast du mir überhaupt zugehört?“
„Ja ja.“
„Was hab ich gesagt?“
„Durst und The Beast Stalker. Ich hab doch keine Bohnen in den Ohren.“
„Na gut. Wie gesagt: Die beiden nicht.“
„Ja ja“.
***
Ein paar Tage später: Schreibe ich also wie ein Gehetzter meine Kritiken zu Durst und The Beast Stalker – und da stellt sich heraus, dass der Typ von dasmanifest.com die gar nicht haben wollte! Hätte er auch vorher sagen können!
Dann kommen sie halt hier. Hier fressen sie ja kein Brot.
DURST (Südkorea 2009)
Ich bin ein Vampir, aber das ist okay. Der katholische Priester Sang-hyun (Song Kang-ho) kann zunächst gut damit leben, dass er als Untoter durchs Leben geht, seit er sich in Afrika einen Blutsauger-Virus eingefangen hat. Schließlich arbeitet er in seiner südkoreanischen Heimat als Krankenhausseelsorger und kann leicht mal einem Komapatienten etwas abzapfen, wenn seine Haut zu sehr schuppt. Stärker als der Blutrausch versucht ihn die Fleischeslust, als Kindheitsfreundin Tae-ju (fantastisch anämisch: Kim Ok-vin) wieder in sein Leben tritt, inzwischen frustrierte Gattin eines lächerlichen Kindheitsfreundes und unter der Fuchtel ihrer unmöglichen Schwiegermutter. Der Ehebruch wird begangen, Mordpläne werden geschmiedet und ausgeführt, auch Tae-ju wird zum Vampir. Aber aus großer Leidenschaft wird eine eheähnliche Hassliebe, und je blutrünstiger Tae-ju wird, desto sicherer wird sich der inzwischen ehemalige Priester, dass er einen Schlussstrich ziehen muss.
Offenbar hat Regisseur Park Chan-wook lange nach dem Film gesucht, der DURST werden sollte. Die gute Nachricht: Er hat ihn gefunden. Die nicht so gute Nachricht: Er hat nicht alle Spuren seiner Suche verwischt. Immer wieder mäandert DURST zwischen Drama, Horror, Klamotte, sexy Sex, Amour fou und Film noir. Kaum etwas davon ist misslungen, aber einiges ist verzichtbar. Brauchen wir wirklich eine medizinische Erklärung für die Existenz von Vampiren? Nein, das hat ohnehin noch nie funktioniert, weil Vampire medizinisch betrachtet Quatsch sind. Geht nicht, gibt’s nicht. Ganz egal, wie viele moderne Vampir-Filme uns noch mit Mikroskopaufnahmen von wimmelnden Blutkörperchen kommen. Vampire kann man nur mythologisch, psychologisch oder am besten gar nicht erklären.
Die Szene, in der sich Sang-hyun und Tae-ju aufs Heftigste im biblischen Sinne kennenlernen, ist wunderschön und hoch erotisch, und sie wird später wunderbar kontrastiert von einer ausgesucht leidenschaftslosen Liebesszene. Aber muss sie so lang sein? Bei aller Schönheit bringt sie nicht nur die Figuren, sondern auch die Dramaturgie zum Erliegen. Auch dass Sang-hyun anfangs katholischer Priester ist, kommt einem über kurz oder lang nicht so wichtig vor, wie es Park Chan-wook zu sein scheint. Sicherlich wird hier und da ein moralischer Konflikt zwischen vampirischen Trieben, fleischlichem Verlangen und christlicher Lehre thematisiert. Aber es ist doch sehr zu hoffen, dass katholische Priester nicht die einzigen Menschen sind, die mit Ehebruch, Verstümmelung und Mord moralische Probleme haben. Überhaupt ist die Schuld-und-Sühne-Thematik in Vampir-Erzählungen (oder im Horror überhaupt) ein alter Hut, und er bekommt in DURST keine neuen Federn.
Seine wahre Größe findet der Film im Humor. In schwarzer Situationskomik, in blutigem Slapstick, im Screwball-Rapport der beiden Hauptrollen, in den bizarren, brillant gespielten Nebenfiguren. In der Komik, der leisen wie der lauten, ist DURST ganz bei sich. Und im Finale, wenn sich Sang-hyun und Tae-ju einen letzten, fast wortlosen und relativ gewaltfreien Ehekrach kurz vor Sonnenaufgang gönnen, erreicht der Film das, was er vielleicht die ganze Zeit versucht hatte: die perfekte Balance zwischen Komik und Melodramatik. Der Weg dahin war weniger perfekt. Aber dass man ihn dennoch gerne mitgegangen ist, spricht für den Film. Auch wenn man sich hier und da eine Abkürzung gewünscht hätte.
THE BEAST STALKER (Hongkong 2008)
Der Polizist Tong (Nicholas Tse) ist nicht ganz unschuldig am Tod der kleinen Tochter von Staatsanwältin Gao (Zhang Jingchu). Das Mädchen kam bei einem Autounfall während eines verpatzten Polizeieinsatzes ums Leben. Ein Gangsterboss und diverse andere Finstermänner waren ebenfalls an der Karambolage beteiligt. Tong fühlt sich nun besonders verantwortlich für das Wohlergehen der Zwillingsschwester der Toten. Als sie im Auftrag des inzwischen inhaftierten Gangsterbosses entführt wird, nimmt Tong auf eigene Faust die Verfolgung des Kidnappers auf, am Polizeiapparat vorbei.
THE BEAST STALKER ist ein routinierter Polizei-Thriller nach Hongkonger Art, der so gern mehr sein möchte. In harten, glaubwürdigen Action-Szenen läuft er zu Höchstform auf, aber dazwischen läuft er oft leer. Mit Rückblenden sollen die Schicksale der Figuren noch enger verzahnt werden, als sie es ohnehin sind, aber dieser Zwang alles mit allem zu verbinden, lässt die Handlung nur unnötig konstruiert erscheinen. Zumal dabei lediglich die Ereignisse an Komplexität gewinnen, nicht aber die Figuren, was viel nötiger gewesen wäre. Insbesonders Hauptfigur Tong bleibt frustrierend blass. Ja, er trägt schwer an seiner Schuld, aber was ist er sonst für ein Typ? Seine Interaktion mit den anderen Rollen gibt darüber keinerlei Aufschluss.
Gerade der Kidnapper ist die einzige facettenreich gestaltete Figur. Sollte er das Beast in THE BEAST STALKER sein, wäre der Titel reichlich absurd gewählt, denn der Film schafft es erfolgreich, ihn gerade nicht als stereotype Bestie darzustellen, sondern als einen Mann in der Krise. Einer, der aus redlichen Gründen Unredliches tut. Einer der weiß, dass er selbst zum Scheitern verurteilt ist. Aber was er tut, ist größer als er allein. Für diese Charakterisierung Beifall. Dafür, und für die muntermachende Action. Für den Rest nur verhaltenen Höflichkeitsapplaus.
Und hier – der Rest vom Fest (in Arbeit).